Warten aufs Christkind - auch im Büro

Auch wer nicht religiös ist, kann die eindeutigen Anzeichen nicht mehr ignorieren: Weihnachten ist praktisch zum Greifen nah.

Noch vor ein paar Jahren war mein Arbeitsplatz in einer niedersächsischen Landesbehörde. Um diese Zeit hat sich der engere Kollegenkreis immer zu einer Weihnachtsfeier getroffen. Was das war, hing vom jeweiligen Chef ab; ich hatte im Laufe der Jahre dort vier davon, und sie waren 
sehr verschieden. 
Der Restaurantbesuch war - wie wohl in vielen Firmen und Behörden - der Klassiker, manchmal wurde er auch um einen Bummel über den Weihnachtsmarkt in der hannöverschen Altstadt erweitert. Unter den Chefs gab es großzügige Menschen, die die komplette Restaurantrechnung für ungefähr fünfzehn Kollegen bezahlt haben, und andere, die ernsthaft sagten: "Ich übernehme die erste Getränkerunde!" und dabei selbstzufrieden in die Runde guckten, als hätten sie über uns gerade ein Füllhorn an Wohltaten ausgeschüttet. Angesichts dessen, dass diese Leute zu den Spitzenverdienern der Behörde zählten, war es manchmal nicht einfach, ein dankbares Lächeln aufs Gesicht zu zaubern.

Jetzt arbeite ich zu Hause. Ich sitze allein an meinem
Schreibtisch. Das mag man einsam finden, mich stört das aber nicht. Im Bürofenster hängt eine Lichterkette, und kitschige kleine Engelsfiguren in Schneekugeln, ein Silbervogel mit einem Goldkrönchen, ein Engel-Teelicht und zwei Leuchtgläser stehen auf der Fensterbank. Die beiden Gläser habe ich während unseres letzten Urlaubs an der Ostsee gekauft. Deko auf meinem Schreibtisch habe ich mir verkniffen, weil mich das zu sehr ablenkt und der sichtbare Anteil der Schreibtischplatte gerade bei unter zwanzig Prozent liegt. Heißt: Ich muss eigentlich dringend aufräumen.

In der Vorweihnachtszeit gibt es noch ein Ritual, dem ich
jedes Jahr mit sehr gemischten Gefühlen entgegensehe: Ich treffe mich einmal im Monat mit einer Frauenrunde zum Essengehen. In jedem Dezember wird vor dem Essen gewichtelt. Geschrottwichtelt, um genau zu sein. Ich habe die Auswahl des "Schrotts" diesmal so lange vor mir hergeschoben, dass ich eine halbe Stunde, bevor ich losfahren wollte, in verschiedene Schränke gegriffen und drei Dinge hervorgeholt habe: einen Türstopper, der schon zu der Zeit, als meine Kinder noch klein waren, verhinderte, dass die Balkon- oder Terrassentür zufiel. Nachdem mich meine Tochter, kaum dass sie ordentlich laufen konnte, damals binnen Sekunden auf dem Balkon in der zweiten Etage ausgesperrt hatte und ich mir von dort aus rufend Hilfe herbeiholen musste, war dieses Gummiding schnell gekauft. Außerdem: ein Heft aus dem Jahr 1984 mit Häkelanleitungen aus dem bekannten Verlag mit B, dessen damalige Verlegerin 2005 gestorben ist. Und zum guten Schluss: eine CD mit Weihnachtsliedern, die von bekannten Tenören gesungen werden. Ich habe sie kürzlich von einem mildtätigen Verein zusammen mit einem Überweisungsdruck für eine Spende zugeschickt bekommen. Mich ärgert diese Art, sich mit Psychotricks an das Geld der Leute heranzuschleichen, darum war ich froh, dass ich die CD auf diese Weise entsorgen konnte. Aber ich kann dem Schrottwichteln einfach nichts abgewinnen. Doch in Bezug auf die Frauenrunde sehe ich das eher nach dem Motto "mitgehangen, mitgefangen": Wenn ich zu den anderen Terminen komme, ist es ziemlich unpassend, sich vor diesem einen zu drücken. Also Augen zu und durch. Schließlich war das ja auch meine einzige Weihnachtsfeier außer Haus.

Ich wünsche euch eine schöne Adventszeit.


 

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