Kling Glöckchen klingelingeling...

Wir feiern Weihnachten. So, wie es die meisten hier tun: Die Familie trifft sich, es gibt einen Weihnachtsbaum, gutes Essen und Geschenke. Erfreulicherweise drehen wir aber nicht dermaßen am Rad, dass es im Laufe des Festes der Liebe Tränen oder gar ernste Streitigkeiten gibt. Also: alles gut.

Was mir verstärkt auf die Nerven geht ist der Umstand, dass ich immer ein bisschen früher daran erinnert werde, dass sich eines der wichtigsten christlichen Feste nähert. Dass irgendwann im September im Supermarkt das Weihnachtsgebäck in die Regale und Grabbelkörbe geräumt wird, ist ja keine Neuigkeit mehr. In meiner Erinnerung ging das früher, also vor 20 oder 30 Jahren, erst im Oktober los. Aber vielleicht irre ich mich da auch. In der Rückschau kann nach einigen Jahrzehnten durchaus mal etwas durcheinandergeraten.

Kaum habe ich mich an den Anblick des zu frühen "Weckrufs" gewöhnt, schwillt der Berg an Briefen an. Es wird an mein Gewissen appelliert und um Spenden für karitative Organisationen gebeten; wie vielfältig die Spendenlandschaft ist, merke ich spätestens in der Advenstzeit. Da werden dann Marketingtricks aus der Psychologie angewendet, um mir das Ausfüllen des beigefügten Überweisungsträgers zu erleichtern: Ein Verein beispielsweise, der sich um eine spezielle Behindertengruppe kümmert, bietet mir nicht nur Artikel an, die ich kaufen kann, sondern legt dem Brief einen kleinen Kalender und einen Satz Weihnachtsbriefkarten bei. Im Anschreiben wird darum gebeten, den Betrag von insgesamt xy Euro auf das Vereinskonto zu überweisen. Ein kleiner Flyer mit weiteren Produkten, die die Behinderten hergestellt haben, liegt ebenfalls bei, frei nach dem Motto "Darf's ein bisschen mehr sein?" Diese Psycho-Masche macht mich richtig sauer. Nur, damit ich nicht missverstanden werde: Ich spende jedes Jahr einen bestimmten Betrag. Ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten, denn das macht das Spenden ja aus. Ich lasse in den Geschäften, die bei "Deutschland rundet auf" mitmachen, auch meine Beträge aufrunden. Aber etwas unaufgefordert zu übergeben löst erwiesenermaßen bei sehr vielen Menschen den Reflex aus, sich für das Erhaltene erkenntlich zeigen und etwas zurückgeben zu wollen - damit man gewissermaßen mit dem Gegenüber wieder auf Augenhöhe ist. Das ist schlichte Manipulation, von der ich vermute, dass sie prima funktioniert.

Aber es hat noch lange nicht genug gevorweihnachtet. Seit Kurzem finden gefühlt in jedem mittelgroßen Ort Veranstaltungen statt, die Namen wie "Lichterglanz" oder "Adventszauber" haben. De facto sind das Plätze, die mit Verkaufshütten für Bratwurst, Glühwein und Weihnachtsdekoration gefüllt werden und wo der örtliche Spielmannszug und der Kinderchor der Musikschule dazu gebracht werden, den mümmelnden, trinkenden und Unsinn kaufenden Besuchern besinnliche Lieder darzubieten. Der versprochene Lichterglanz kommt von der geschmückten Tanne in der Mitte und den Lichterketten, die sich an die Büdchen klammern. Diese Kommerzialisierung hat ein adeliger Schlossherr aus dem Schaumburger Land zur Perfektion getrieben: Für seinen "Weihnachtszauber", der rund um den Familienstammsitz Ende November beginnt und zwei Wochen vor Weihnachten endet, kostet eine Eintrittskarte mittlerweile satte 15 Euro. Dafür gibt es: nichts außer dem Eintritt. Von der Stiftung Lesen werden fünf Promis geschickt, die Weihnachtliches vorlesen, und es gibt hin und wieder kleinere Darbietungen. Busgruppen können sich über die eigens eingerichtete Homepage schon ab Juli anmelden. Wie sehr man mein Bestes - mein Geld - will, wird kaum so deutlich wie hier.

Unser Briefkasten wird gerade von Werbung überschwemmt,  die Versandhändler in alle Himmelsrichtungen verschicken. An manchen Tagen sind es so viele, dass man die wichtige Post dazwischen fast übersieht, wenn man den Stapel gerade ins Altpapier befördern will. Die Titelseiten der kleinen Kataloge sind in Rot und Gold gehalten, vom Himmel hoch rieselt künstlicher Schnee und die Models wollen nicht nur mich davon überzeugen, dass mir noch reichlich Geschenke fehlen und mein Weihnachtsoutfit gar nicht festlich genug sein kann. Speziell was das Outfit anbelangt, geht es bei uns sehr entspannt zu. Von niemandem wird die Festtagskleidung erwartet. Weihnachten soll ja schließlich nicht zum Kostümball werden.

Ich empfinde die schiere Masse der "frohen Botschaft" vor allem als Belästigung. Meine Vorfreude wird durch die Dauerberieselung aus allen Rohren ganz sicher nicht gesteigert. Aber irgendetwas müssen sich die Unternehmen und Werbeagenturen dabei gedacht haben, alle Jahre wieder ein großes Fass aufzumachen und uns mit Licherglanz & Co. zuzuschütten. Mich animiert das jedenfalls nicht zu mehr Konsum. Und ich frage mich, ob ich mit meiner Meinung, dass das alles unendlich nervig ist, allein bin. Bin ich so etwas wie ein Alien, weil ich auf Durchzug schalte, wenn mit Glöckchengebimmel und durch die Lüfte tönendem frohen Schall meine Geldbörse geöffnet werden soll? Sagt mir die Wahrheit! 😉

Kommentare

  1. Oh ja, der alljährliche Weihnachtszirkus hat schon lange begonnen. Wir klinken uns aus. Anstelle Konsum gibt es bei uns Ruhe und Besinnlichkeit. Gemütliche Abende daheim und sonntägliche Spaziergänge im nun wieder ruhigen Wald sind gut für die Seele.
    An Weihnachten trifft sich der Rest unserer Familie (es sind viele schon gegangen) und wir sitzen bei Spielen und einem vorher abgesprochenen ganz normalen Essen beisammen. Auf solche Tage freuen wir uns alle und niemand ist gestresst, weil alle mithelfen und etwas zum geselligen Beisammensein beitragen.
    Die frohen Botschaften des Handels wandern in die Papiertonne. Wir kaufen keine extra mit Gold und Glitter verpackten Sachen und keine Weihnachtsgeschenke. Die Kinder erhalten Bargeld, damit sie nach Weihnachten ihre Schnäppchen machen können.
    Weihnachtsmärkte meiden wir, weil ich in der Menschenmenge Herzbeklemmungen kriege. Nur ganz wenige wirklich schöne Weihnachts- und Adventsmärkte besuchen wir, aber auch nur sporadisch und nicht jedes Jahr.
    Ganz genau wie bei Dir öffnen Glockengebimmel und Tschingelbells aus den Lautsprechern nicht meinen Geldbeutel. Das Geld geben wir über das Jahr verteilt für sinnvolle, notwendige Anschaffungen aus.
    Viel Freude noch bei der schönen Vorweihnachtszeit mit Glockenklang und Duft nach Glühwein.
    Liebe Grüße von der Pfälzerin

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    1. Liebe Pfälzerin,
      wie schön, dass ich nicht allein auf weiter Flur bin. Wir versuchen auch, die Weihnachtstage so gelassen wie möglich anzugehen. Auf Weihnachtsmärkte gehen wir ebenfalls selten, was nicht nur am Geschiebe und Gedränge liegt, sondern auch daran, dass ich nicht besonders gut auf den Beinen bin.
      Liebe Grüße und eine schöne Adventszeit für Dich und Deine Familie
      die Niedersächsin

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