Wieder ein Jahr vorbei und zack! - der Weltfrauentag steht schon wieder auf dem Kalender. In den letzten Jahren hatte ich mich hier nicht dazu geäußert, weil ich fand, dass es nichts gab, das man bejubeln könnte. Es ist für die Frauen, soweit ich das beurteilen kann, nichts besser geworden.
In diesem Blog geht es überwiegend um das Leben mit Behinderung. Genauer: mit meiner Behinderung. Anlässlich des Frauentages lohnt sich aber ein Blick auf die Frage, ob es eine besondere Problematik gibt, wenn es sich um behinderte Frauen handelt.
Das Internet hält hier viele nützliche Daten bereit. Das dachte ich zumindest. Es stellte sich jedoch heraus, dass sich ein großer Teil der deutschen Beiträge auf zwei Studien bezieht.
Aus der Regierungszeit des auch als "Merkel III" bezeichneten Kabinetts stammt eine repräsentative Studie, die 2014 veröffentlicht wurde. Sie machte deutlich, in welch hohem Maß behinderte Frauen in Privathaushalten und speziellen Einrichtungen für behinderte Menschen von Gewalt betroffen sind. Die Studie lief von 2009 bis 2011, es wurden mehr als 1.500 Frauen befragt, die zwischen 16 und 65 Jahre alt und stark und dauerhaft beeinträchtigt oder behindert waren. Der Internetauftritt des federführenden Bundesfamilienministeriums hält nur die Kurzfassung des Studienberichts bereit, aus dem keine konkreten Zahlen hervorgehen. Das, was mir beim Lesen allerdings aufgefallen ist, war die Angst der behinderten Frauen, bei einer Trennung von ihrem gewalttätigen Partner allein zu bleiben. Außerdem: Wurde Gewalt durch Fremde oder flüchtige Bekannte ausgeübt, dann geschah das vor dem Hintergrund, dass die Täter die behinderten Frauen als minderwertig ansahen.
Bei der im sachlichen Tonfall verfassten Beschreibung der Studienzusammenfassung kann man nur ahnen, was die betroffenen behinderten Frauen durchgemacht haben und wie groß ihre Hilflosigkeit gewesen ist.
Zehn Jahre später hat die noch amtierende Bundesregierung unter Kanzler Scholz die Ergebnisse einer Folgestudie herausgegeben. Sie beschäftigt sich mit der Gewalt gegen Behinderte in stationären und ambulanten Einrichtungen der Behindertenhilfe. Die Basis war eine Befragung von 1.000 Frauen und Männern an zwanzig zufällig ausgewählten Standorten. Die Gewalterfahrungen der Befragten ergaben, dass fast die Hälfte unter körperlicher und rd. ein Drittel unter psychischer Gewalt durch die Eltern zu leiden hatte. Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern waren hier gering.
27 Prozent der behinderten Frauen sind durch andere Personen als die Eltern sexuell missbraucht worden, bei den Männern war der Anteil nur halb so groß. Dieser für die behinderten Frauen ermittelte Wert ist etwa doppelt so hoch wie der, den Statistiken für Frauen insgesamt ausweisen.
Was wird getan, um insbesondere die behinderten Frauen vor Gewalttaten zu schützen? Außer den sich jährlich wiederholenden Appellen von Ministerien und Verbänden, dass sich jetzt endlich etwas verbessern müsste, ist mir nichts bekannt, das tatsächlich eine deutliche Verbesserung gebracht hätte.
Wissen ChatGPT und Grok da möglicherweise mehr? Beide listen einige internationale Konventionen sowie deutsche Gesetze auf. Darüber hinaus weisen sie auf Unterstützungsmöglichkeiten wie das Hilfetelefon oder allen Ernstes barrierefreie Parkplätze vor Frauenhäusern hin. Auch Selbstverteidigungskurse für behinderte Frauen soll es geben. Ehrlich, das überzeugt mich nicht. Behinderte Frauen müssen noch mehr Hürden bewältigen als nicht-behinderte, um sich an eine staatliche oder nicht-staatliche Unterstützungsstelle zu wenden. Sofern ihnen nicht ohnehin behinderungsspezifische Schwierigkeiten wie z. B. eine Sprachbehinderung im Weg stehen, müssen sie sich außerdem überwinden, überhaupt fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen - wie alle Frauen.
Der Internationale Frauentag bleibt darum aus meiner Sicht eine Appellveranstaltung, der 364 Tage folgen, an denen die Bedürfnisse von behinderten Frauen unter den Tisch fallen. Wenn ihr das anders seht: Her mit euren Meinungen!
Foto: https://pxhere.com/
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