Massenhafter Leerstand

Eine Woche Urlaub in einem Kurort an der mecklenburgischen Ostseeküste ist jetzt vorüber. Wir haben in einer Ferienwohnung gewohnt, in der es an nichts gefehlt hat. Der Ort liegt so, dass man nach Priwall im Westen und Wismar im Osten mit dem Auto nur jeweils eine halbe Stunde unterwegs ist. 

Die Wohnung befand sich in einem Ortsteil, der komplett aus Mehrfamilienhäusern besteht, in denen ausschließlich Ferienwohnungen sind. An der Zufahrtsstraße sind ein Supermarkt und ein Discounter für die Nahversorgung. Noch dahinter liegt ein Viertel, das von der Kommune als "Urlauberdorf" bezeichnet wird. Dort gibt es auch Ferienhäuser. Ziemlich irritierend wird es, wenn man sich die Dimensionen dieses Kurorts vor Augen führt: Dort wohnen etwas weniger als 2.500 Menschen, es gibt für die Hochsaison jedoch Betten für knapp 10.000 Urlauber. Davon ein großer Teil dort, wo wir gewohnt haben. Fast 1,5 Millionen Übernachtungen gab es im Ort insgesamt im letzten Jahr. Viele Ferienwohnungen werden von den Eigentümern über Agenturen vermietet, sind also in erster Linie Investitionsobjekte. 

Jetzt ist touristisch gerade Saure-Gurken-Zeit: Viele Geschäfte haben geschlossen, zahlreiche Restaurants auch. Aber wie wenig los ist, wird nirgends so deutlich wie in der reinen Urlauber-Wohngegend: Es ist so gut wie kein Verkehr, in den meisten Häusern ist kein Mensch. Wenn man abends im Dunkeln um sich schaut, sieht man nur sehr vereinzelt erleuchtete Fenster. Sollte einem hier etwas passieren, könnte es länger dauern, bis jemand davon Notiz nähme. Das ist schon ein bisschen beklemmend. Auch der Umstand, dass in Siedlungen wie diesen Wohnungen und Häuser wochen- oder monatelang nicht genutzt werden, ist angesichts der grundsätzlichen Wohnraumknappheit zumindest schwierig. Das Areal, auf dem diese Immobilien enstanden sind, ist wahrscheinlich früher Ackerfläche gewesen, die dafür aufgegeben wurde. Die ganze Gegend ist stark landwirtschaftlich geprägt. Ich stelle mir vor, dass diese Art von Immobilienprojekten weiter um sich greift; dass kleine Orte Anhängsel bilden, in denen sich einen Teil des Jahres rein gar nichts tut und sich ein paar Leute goldene Nasen verdienen. Ich kann nicht behaupten, dass mir diese Vorstellung gefällt.

Eine halbe Stunde westlich, in Priwall, wird gerade direkt
Direkt hinter diesem Schiff entsteht der neue Komplex für zahlungskräftige Investoren
an der Travemündung ein großer Baukomplex hochgezogen: 570 Ferienwohnungen einschließlich Geschäften und direkt nebenan ein Business-Zentrum, alles in moderner kubischer Bauweise. Das Unbehagen wollte nicht abreißen.


 

Kommentare

  1. Welch ein Kontrast! Einerseits platzen Städte aus allen Nähten, weil Wohnungen fehlen und andererseits stehen ganze Dörfer leer. Dass sogar noch ein ganzes Ferienzentrum mit so vielen Wohnungen neu gebaut wird, würde mir auch ein wenig Angst machen.
    Ähnliches haben wir im Urlaub an der Nordsee erlebt. Eine ganze Feriensiedlung mit nur wenigen bewohnten Häusern haben wir im Mai vorgefunden. Rundum standen Häuser leer und ich fühle mich ein wenig verloren. Dafür hatten wir unsere Ruhe. Mit Sicherheit waren alle Ferienhäuser in der Hauptsaison wieder belebt.
    Mir tun die Familien leid, die dort wohnen und keine bezahlbare Wohnung finden können, weil alles an Touristen vermietet wird. So wie es beispielsweise auf Mallorca passiert. Alles was bewohnbar ist, bleibt Touristen vorbehalten und Einheimische hausen in kleinsten Wohnungen zu horrenden Preisen.
    Es ist doch irgendwie eine verkehrte Welt.
    Nachdenkliche Grüße von der Pfälzerin

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    1. Eine ganz ähnliche Situation erleben auch sämtliche deutsche Inseln: Fast alles, was bewohnbar ist, wird zum Anlageobjekt. Dadurch steigen die Kosten für Miete oder Kauf von Wohnraum, sodass das Leben dort für die Einheimischen kaum finanzierbar wird und Auswärtige, die auf den Inseln arbeiten wollen, dort keine bezahlbaren Unterkünfte mehr finden. Aus Ferienwohnungen lässt sich nun mal leider mehr Geld herausschlagen als das mit normalen Dauermietverhältnissen möglich wäre.
      Besorgte Grüße von der Niedersächsin

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