Ich hatte es schon mal "angedroht", meinen Frust über schlechte Organisation und völlig überflüssige Hürden, die Menschen mit Mobilitätsproblemen das Leben schwer machen, in einem Artikel rauszulassen. Es ist jetzt soweit.
Anlass ist meine Fahrt zur Frankfurter Buchmesse.
Ich bin seit vier Tagen zurück. Die Intensität meines Grolls hat sich etwas gelegt, verraucht ist er jedoch nicht.
Vor einigen Wochen war ich in Wales. Das, was dort während der Reise schlecht gelaufen ist, habe ich hier bereits beschrieben. Ich dachte aber, dass es sich um Pannen handelte, wie sie immer mal vorkommen können.
Dann fuhr ich mit der Deutschen Bahn nach Frankfurt. Ich kann von Glück sagen, dass ich nicht allein unterwegs war, denn sonst wäre ich schon daran gescheitert, in Hannover das Gleis zu erreichen.
Aber nach ein paar Tagen ging es dann wieder zurück nach Hannover. Ich hatte meine Fahrkarte schon vor Monaten gekauft, zwei Wochen vor der Buchmesse wollte ich über die Mobilitätsservice-Zentrale (MSZ) die Sitzplätze reservieren. Dabei wurde mir von den Bahnmitarbeitern die Auskunft gegeben, dass es die Verbindung für die Rückfahrt "so nicht mehr gibt". Gemeint war: Der Zug war ersatzlos gestrichen worden. Eine Benachrichtigung hatte ich nicht erhalten, obwohl ich mein Ticket online gekauft hatte. Große Klasse.
Die MSZ schlug mir dann drei alternative Verbindungen vor. Der Haken: Wir hätten umsteigen müssen. Das hatte ich vermeiden wollen. Deshalb schlug ich einen anderen Frankfurter Bahnhof vor, von dem aus eine direkte Fahrt im ICE nach Hannover möglich war. Der Mitarbeiter der MSZ buchte kommentarlos meine Sitzplatzreservierung.
Wohlgemerkt: Die MSZ tut den ganzen Tag nichts anderes, als Menschen mit Mobilitätsproblemen dabei zu unterstützen, ihre Reiseziele mit der Deutschen Bahn zu erreichen. Meiner Meinung nach gehört dazu auch, darauf hinzuweisen, wenn sich bei einer Verbindung Schwierigkeiten ergeben können, von denen ein Bahnkunde nichts ahnt.
Nach dem Ausstieg aus der S-Bahn sahen wir uns auf dem Bahnhof in Frankfurt um, aber weder die örtliche Anzeige noch die DB-App gaben einen Hinweis auf das Gleis, von dem aus der ICE abfahren sollte. Vor dem Bahnhof gab es eine Auskunft des Rhein-Main-Verkehrsverbundes. Also abwärts über die Treppen, einen Aufzug gab es dort nicht. Diesen Hinweis hätte ich gern bei meiner Platzreservierung von der MSZ erhalten. Der hilfsbereite Herr am RMV-Tresen wusste sowohl die Telefonnummer der DB-Auskunft als auch das richtige Gleis. Der Anruf bei der Auskunft ergab, dass es eine Verspätung von bis zu einer Stunde geben würde.
Also über die Treppen nach oben zum richtigen Gleis. Die Anzeigetafel zeigte in unregelmäßigen Abständen unterschiedliche Verspätungen, die DB-App auch. Das Wort 'Wagenstandsanzeiger' war hier sowohl analog als auch digital nicht beteiligt. Schlecht, wenn man nicht das Lauftempo eines durchschnittlichen Bahnpassagiers erreicht und gern dort stehen möchte, wo der Waggon mit den reservierten Sitzen hält.
Der Zug fuhr ein. Es war sofort klar, dass unser Waggon ein ganzes Stück von uns entfernt zum Halten kommen würde. Meine Begleiterin ist mit meinem Koffer vorausgegangen, ich wollte so lange wie möglich versuchen, auf dem Bahnsteig zu bleiben, um dort dem richtigen Waggon so nahe wie möglich zu kommen. Auf nicht schwankendem Boden.
Das klappte nur wenige Minuten, dann stieg ich in den nächstbesten Waggon ein. Das Risiko, dass der Zug ohne mich abfahren könnte, war mir zu hoch. Ich war nun fünf Waggons von demjenigen entfernt, in dem ich Sitzplätze gebucht hatte. Dreibeinig ist das Gehen in einem fahrenden Zug nicht ungefährlich. Die schlingernden Bewegungen können einem von einem Moment auf den anderen den Boden unter den Füßen wegziehen. Besonders die Übergänge zwischen den Wagen mit ihrem lamellenartigen Boden sind ziemlich übel. Haltegriffe gibt es dort nicht. Die Klinken der Klotüren sind da nicht wirklich erste Wahl.
Dank meiner Begleiterin bin ich unfallfrei an meinem Platz angekommen. Ob das ohne sie geklappt hätte? Ich bin mir nicht sicher.
behinderte Menschen barrierearm zu gestalten. Aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail.
Ich hatte mir einen Scooter geliehen. Ein komfortableres Modell als das hier rechts. Die Stelle, an der das Fahrzeug abgeholt werden konnte, ist wegen der schlechten Ausschilderung gar nicht so leicht zu finden. Auch der Weg von der S-Bahn dorthin ist angesichts dessen, dass Menschen ihn überwinden müssen, denen der damenhafte Gang fremd ist, mit 130 bis 150 Metern etwas zu lang.
Mit so einem Fahrzeug wie auch mit einem Rollstuhl ist es schwierig, die Türen zu den einzelnen Hallen zu passieren. Keine öffnet sich selbsttätig; es muss immer jemand da sein, der das tut. Mit dem Scooter erreicht man wegen des Aufbaus die Türgriffe nicht. Ein Problem, das ich aber für lösbar halte.
Um von der einen Etage in die andere zu kommen, ist ein Fahrstuhl nötig. Viele von ihnen sind allerdings so schlecht ausgeschildert, dass man eine Weile herumirrt, ehe man einen geigneten findet. Auch die Buchmesse-App mit ihren interaktiven Hallenplänen war hier keine Hilfe, weil sie keinen Hinweis auf die Fahrstühle enthält. Die Behinderten-WCs können ebenso wie die Garderoben, Restaurants oder Schließfächer angezeigt werden, die Aufzüge leider nicht. Einmal gab uns eine Polizistin den richtigen Tipp.
Die App verfügt auch über die Möglichkeit, Besuchern nach der Eingabe des aktuellen Standorts den Weg von einem Stand zu einem anderen zu zeigen. Diese Hilfe ist übersichtlich gestaltet und eigentlich eine hilfreiche Sache - wenn sie sich nicht ausschließlich an Fußgänger richten würde, die über die Rolltreppen geleitet werden.
Ich kann nur vermuten, woran es liegt, dass man als behinderter Mensch mit solchen unnötigen Hürden konfrontiert wird. Die schleppend voranschreitende Digitalisierung ist mit dafür verantwortlich, dass grundlegende Daten nicht vorhanden sind oder nicht zeitnah und an der richtigen Stelle zur Verfügung gestellt werden können.
Der andere Grund ist viel einfacher und mir schon oft begegnet: Es soll etwas barrierefrei gestaltet werden, aber mit der Umsetzung wird zum Beispiel ein Architekturbüro betraut, dass sich für kompetent hält und dem vom Auftraggeber vollstes Vertrauen entgegengebracht wird. Leider werden diejenigen, die mit den Maßnahmen beglückt werden sollen, nicht gefragt: die Behinderten. Sie sind die wahren Experten, baden aber die Fehlplanungen von Menschen aus, die es "besser" gewusst haben.
Ich habe der Messe Frankfurt eine E-Mail geschrieben und alles geschildert, was mich behindert hat. Eine Antwort steht noch aus. Wird sich etwas ändern? Man wird sehen.
Anlass ist meine Fahrt zur Frankfurter Buchmesse.
Ich bin seit vier Tagen zurück. Die Intensität meines Grolls hat sich etwas gelegt, verraucht ist er jedoch nicht.
Vor einigen Wochen war ich in Wales. Das, was dort während der Reise schlecht gelaufen ist, habe ich hier bereits beschrieben. Ich dachte aber, dass es sich um Pannen handelte, wie sie immer mal vorkommen können.
Dann fuhr ich mit der Deutschen Bahn nach Frankfurt. Ich kann von Glück sagen, dass ich nicht allein unterwegs war, denn sonst wäre ich schon daran gescheitert, in Hannover das Gleis zu erreichen.
Aber nach ein paar Tagen ging es dann wieder zurück nach Hannover. Ich hatte meine Fahrkarte schon vor Monaten gekauft, zwei Wochen vor der Buchmesse wollte ich über die Mobilitätsservice-Zentrale (MSZ) die Sitzplätze reservieren. Dabei wurde mir von den Bahnmitarbeitern die Auskunft gegeben, dass es die Verbindung für die Rückfahrt "so nicht mehr gibt". Gemeint war: Der Zug war ersatzlos gestrichen worden. Eine Benachrichtigung hatte ich nicht erhalten, obwohl ich mein Ticket online gekauft hatte. Große Klasse.
Die MSZ schlug mir dann drei alternative Verbindungen vor. Der Haken: Wir hätten umsteigen müssen. Das hatte ich vermeiden wollen. Deshalb schlug ich einen anderen Frankfurter Bahnhof vor, von dem aus eine direkte Fahrt im ICE nach Hannover möglich war. Der Mitarbeiter der MSZ buchte kommentarlos meine Sitzplatzreservierung.
Wohlgemerkt: Die MSZ tut den ganzen Tag nichts anderes, als Menschen mit Mobilitätsproblemen dabei zu unterstützen, ihre Reiseziele mit der Deutschen Bahn zu erreichen. Meiner Meinung nach gehört dazu auch, darauf hinzuweisen, wenn sich bei einer Verbindung Schwierigkeiten ergeben können, von denen ein Bahnkunde nichts ahnt.
Nach dem Ausstieg aus der S-Bahn sahen wir uns auf dem Bahnhof in Frankfurt um, aber weder die örtliche Anzeige noch die DB-App gaben einen Hinweis auf das Gleis, von dem aus der ICE abfahren sollte. Vor dem Bahnhof gab es eine Auskunft des Rhein-Main-Verkehrsverbundes. Also abwärts über die Treppen, einen Aufzug gab es dort nicht. Diesen Hinweis hätte ich gern bei meiner Platzreservierung von der MSZ erhalten. Der hilfsbereite Herr am RMV-Tresen wusste sowohl die Telefonnummer der DB-Auskunft als auch das richtige Gleis. Der Anruf bei der Auskunft ergab, dass es eine Verspätung von bis zu einer Stunde geben würde.
Also über die Treppen nach oben zum richtigen Gleis. Die Anzeigetafel zeigte in unregelmäßigen Abständen unterschiedliche Verspätungen, die DB-App auch. Das Wort 'Wagenstandsanzeiger' war hier sowohl analog als auch digital nicht beteiligt. Schlecht, wenn man nicht das Lauftempo eines durchschnittlichen Bahnpassagiers erreicht und gern dort stehen möchte, wo der Waggon mit den reservierten Sitzen hält.
Der Zug fuhr ein. Es war sofort klar, dass unser Waggon ein ganzes Stück von uns entfernt zum Halten kommen würde. Meine Begleiterin ist mit meinem Koffer vorausgegangen, ich wollte so lange wie möglich versuchen, auf dem Bahnsteig zu bleiben, um dort dem richtigen Waggon so nahe wie möglich zu kommen. Auf nicht schwankendem Boden.
Das klappte nur wenige Minuten, dann stieg ich in den nächstbesten Waggon ein. Das Risiko, dass der Zug ohne mich abfahren könnte, war mir zu hoch. Ich war nun fünf Waggons von demjenigen entfernt, in dem ich Sitzplätze gebucht hatte. Dreibeinig ist das Gehen in einem fahrenden Zug nicht ungefährlich. Die schlingernden Bewegungen können einem von einem Moment auf den anderen den Boden unter den Füßen wegziehen. Besonders die Übergänge zwischen den Wagen mit ihrem lamellenartigen Boden sind ziemlich übel. Haltegriffe gibt es dort nicht. Die Klinken der Klotüren sind da nicht wirklich erste Wahl.
Dank meiner Begleiterin bin ich unfallfrei an meinem Platz angekommen. Ob das ohne sie geklappt hätte? Ich bin mir nicht sicher.
Wie war's auf der Buchmesse?
Dort gibt man sich Mühe, den Messebesuch für
behinderte Menschen barrierearm zu gestalten. Aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail.
Ich hatte mir einen Scooter geliehen. Ein komfortableres Modell als das hier rechts. Die Stelle, an der das Fahrzeug abgeholt werden konnte, ist wegen der schlechten Ausschilderung gar nicht so leicht zu finden. Auch der Weg von der S-Bahn dorthin ist angesichts dessen, dass Menschen ihn überwinden müssen, denen der damenhafte Gang fremd ist, mit 130 bis 150 Metern etwas zu lang.
Mit so einem Fahrzeug wie auch mit einem Rollstuhl ist es schwierig, die Türen zu den einzelnen Hallen zu passieren. Keine öffnet sich selbsttätig; es muss immer jemand da sein, der das tut. Mit dem Scooter erreicht man wegen des Aufbaus die Türgriffe nicht. Ein Problem, das ich aber für lösbar halte.
Um von der einen Etage in die andere zu kommen, ist ein Fahrstuhl nötig. Viele von ihnen sind allerdings so schlecht ausgeschildert, dass man eine Weile herumirrt, ehe man einen geigneten findet. Auch die Buchmesse-App mit ihren interaktiven Hallenplänen war hier keine Hilfe, weil sie keinen Hinweis auf die Fahrstühle enthält. Die Behinderten-WCs können ebenso wie die Garderoben, Restaurants oder Schließfächer angezeigt werden, die Aufzüge leider nicht. Einmal gab uns eine Polizistin den richtigen Tipp.
Die App verfügt auch über die Möglichkeit, Besuchern nach der Eingabe des aktuellen Standorts den Weg von einem Stand zu einem anderen zu zeigen. Diese Hilfe ist übersichtlich gestaltet und eigentlich eine hilfreiche Sache - wenn sie sich nicht ausschließlich an Fußgänger richten würde, die über die Rolltreppen geleitet werden.
Fazit?
Meine Kritik mag manchen Lesern banal und kleinlich erscheinen. Sie ist es nicht. Jedes einzelne Problem macht es mit einer körperlichen Behinderung schwer, möglichst normal zu leben und an der Veranstaltung teilzunehmen. Manche dieser Schwierigkeiten können ernste Komplikationen nach sich ziehen: Ein unglücklicher Sturz kann die Eintrittskarte ins nächste Krankenhaus sein.
Ich kann nur vermuten, woran es liegt, dass man als behinderter Mensch mit solchen unnötigen Hürden konfrontiert wird. Die schleppend voranschreitende Digitalisierung ist mit dafür verantwortlich, dass grundlegende Daten nicht vorhanden sind oder nicht zeitnah und an der richtigen Stelle zur Verfügung gestellt werden können.
Der andere Grund ist viel einfacher und mir schon oft begegnet: Es soll etwas barrierefrei gestaltet werden, aber mit der Umsetzung wird zum Beispiel ein Architekturbüro betraut, dass sich für kompetent hält und dem vom Auftraggeber vollstes Vertrauen entgegengebracht wird. Leider werden diejenigen, die mit den Maßnahmen beglückt werden sollen, nicht gefragt: die Behinderten. Sie sind die wahren Experten, baden aber die Fehlplanungen von Menschen aus, die es "besser" gewusst haben.
Ich habe der Messe Frankfurt eine E-Mail geschrieben und alles geschildert, was mich behindert hat. Eine Antwort steht noch aus. Wird sich etwas ändern? Man wird sehen.
Ja das Problem mit den Wagenstandsanzeigern hatte ich auch unterwegs bei meiner letzten Reihe. Vor allem, weil man nicht wirklich weiß, wie lange der ICE überhaupt hält. Darüber gab es keine Durchsagen und dann steigt man halt ein und quetscht sich zwischen ähnlich herumirrenden Passagieren, anrollenden Tablettwagen mit Milchstraßensnacks und heißen Coffee to go durch und hofft mit Sack und Pack nicht irgendwo hängenzubleiben. Bei mir kam noch beim Ausstieg eine defekte Tür dazu und ich musste noch den Speisewagen samt offener Klappe in Fußbodenhöhe durchqueren. Voll der Hammer und ich mag mir nicht ausmalen, wie es gewesen wäre, wenn ich ein oder mehrere Kinder samt Kinderwagen dabeigehabt hätte. Möglicherweise wäre ich dann, anstatt in Erfurt in Bamberg gelandet. Es wäre auch gut, wenn sich die Durchsagen auf das wesentliche beschränken würden und diese wiederholt würden.
AntwortenLöschenWie bitte? Eine offene Klappe? Was sollte das? Aber ich höre von vielen Leuten, dass sie Bahnfahren auch ohne Behinderung anstrengend finden. Ich will auch so entspannt und mit einem Lächeln auf dem Gesicht durch die Lande kutschieren wie die Familie in der DB-Werbung oder Nico Rosberg, der schon mehrmals für die DB geworben hat. Aber ich befürchte, das wird noch dauern.
LöschenIch bin mir sicher, dass bezüglich Barrierefreiheit noch sehr viel Platz nach oben ist. Die Verantwortlichen, die für die Einstiege in Zügen, Türen von Messehallen, Ausschilderungen etc. zuständig sind, sind in der Regel nicht behindert. Die können sich gar nicht vorstellen, welche Hürden da vorhanden sind.
AntwortenLöschenGut, dass du den Messebetreibern geschrieben hast. Wahrscheinlich sind sie weniger unbeweglich, als die Deutsche Bahn.
Liebe Sabine, ich denke, dass hinsichtlich der Barrierefreiheit noch reichlich Luft nach oben ist, es aber am Willen oder der Bereitschaft fehlt, etwas signifikant zu verbessern. Möglich wäre schon heute eine Menge. Ich sehe auch nicht ein, warum ich da resignieren sollte. In dieser Sekunde fällt mir ein, dass vielleicht der Fahrgastverband Pro Bahn eine gute Adresse sein könnte, um diese Kritik anzubringen. Vielleicht nehmen sie sich dort des Themas ja an. Die Hoffnung stirbt zuletzt, näch? ;-)
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