Werden Fahrrad fahrende Behinderte unterstützt?

Das ist das Modell meines Behindertenfahrrads. Nur die Farbe ist bei meinem anders.
Die Frage und damit dieser Artikel könnte mit einer kurzen Antwort beendet werden: nein, fast nie. Aber das wäre für einen Blogpost ja nun wirklich etwas dürftig.

Wie bei allen Menschen, die mit dem Fahrrad unterwegs sind, gilt auch für Behinderte, die ein sogenanntes Therapierad fahren, dass das Unterwegssein von zwei Komponenten bestimmt wird: dem Fahren und dem Abstellen des Dreirads.

Welche Probleme es beim Fahren gibt, hatte ich im August 2018 ziemlich ausführlich erläutert. Das ist fast sechs Jahre her. Seitdem hat sich bis auf die Zahl der nicht passierbaren Drängelgitter (weniger!) nichts verbessert.

Dass man ein Therapierad am Ziel sicher abstellen möchte, klingt banal, ist es aber nicht. Zum Vergleich: Ein durchschnittliches Damenrad hat eine Breite von 60 bis 70 cm und eine Länge von knapp zwei Metern. Üblicherweise wiegt es etwa 16 kg.
Mein Therapierad wird auch als Sesselrad bezeichnet. Man sitzt etwas flacher, der Einstieg ist leichter als bei einem "klassischen" Dreirad für Behinderte. Durch den günstigeren Schwerpunkt ist auch die Kippwahrscheinlichkeit deutlich geringer. Die Breite beträgt fast 80 cm, die Länge 2,25 Meter. Damit es gut auf der Straße liegt, ist ein höheres Gewicht als bei einem normalen Fahrrad nötig. Mein Dreirad hat einen unterstützenden E-Antrieb und wiegt damit über 60 kg. 

Wenn man es an einem Fahrradbügel anschließen will, wie es sie üblicherweise dort gibt, wo viele Menschen aufeinander treffen, ragt mein Fahrrad immer auf den Gehweg hinaus. Geht also nicht. Es an einem Laternenmast anzuschließen, klappt in den meisten Fällen auch nicht, weil der Platz drum herum zu klein ist und ich Passanten - insbesondere Rollstuhlfahrern, Rollatornutzern und Menschen, die einen Kinderwagen vor sich her schieben - das Vorbeigehen erschweren würde.

Deshalb hatte ich mich über zwei Nachrichten gefreut, in denen es um das wettergeschützte und sichere Abstellen von Fahrrädern ging.

  • In Wunstorf in der Region Hannover wurde im November 2023 ein sogenannter Bike Tower eröffnet. Dabei handelt es sich um eine automatische Abstellanlage für Fahrräder, und man kann sogar Wertsachen in einem Schließfach aufbewahren. Das Angebot ist kostenlos und wird mithilfe einer App bedient. In der Ankündigung war davon die Rede, dass sich der Bike Tower für alle gängigen Pedelecs und E-Bikes eignet, die bis zu 30 kg wiegen dürfen. 1,8 Millionen Euro hat das Bauwerk gekostet. Der für den Verkehrsbereich zuständige Dezernent der Region Hannover hat bei Instagram die Eröffnung bekannt gegeben. Da habe ich die Gelegenheit genutzt, nachzufragen, ob auch das Abstellen von Lastenrädern, Fahrrädern mit Anhängern oder Behindertenfahrrädern möglich ist. Ja, es war eine rhetorische Frage, denn schon das maximal zulässige Fahrradgewicht von 30 kg schließt alle diese Fahrzeugtypen aus. "Dafür gibt es in der Nähe Abstellmöglichkeiten", war seine kurze Antwort. Gemeint sind die Fahrradbügel vor dem Bahnhof. Möglicherweise hat es ihm nicht gefallen, dass sich unter seinem Post nicht nur Jubelrufe versammelt haben. Man weiß es nicht. Was man aber weiß, ist: Mobilität wurde auch hier nicht zu Ende gedacht. Ein Behindertenfahrrad, das etwas taugt, ist teuer. Oft sind individuelle Anpassungen nötig, damit es genutzt werden kann. Die machen sich natürlich beim Preis bemerkbar. Für ein gutes Modell mit E-Motor muss man derzeit einen mittleren bis hohen vierstelligen Betrag bezahlen. Auf den Motor zu verzichten, ist angesichts des Fahrradgewichts keine Option. Für einen Menschen, der aufgrund seiner körperlichen Probleme nur noch sehr kurze Strecken zu Fuß zurücklegen kann, ist ein Dreirad so etwas wie ein Ersatz für seine Beine. Es trägt erheblich zur Lebensqualität bei. Genau wie ähnlich teure Lastenräder werden Behindertenfahrräder in Wunstorf jedoch nach wie vor Wind und Wetter sowie Vandalismus ausgesetzt.
  • Am 26. Januar 2024 berichtete die Hannoversche Allgemeine Zeitung über den Plan, einen ehemaligen Zivilschutzbunker unter dem hannoverschen Hauptbahnhof zu einer großen Fahrradgarage mit 1.100 Stellplätzen umzubauen. Der Bunker gehört der Deutschen Bahn, deshalb wurde das Konzept vom Leiter des örtlichen Bahnhofsmanagements vorgestellt. Es soll eine Rampe geben, auf der man in die künftige Garage hineinfährt. "Gerade für Besitzer von neuen und teuren Fahrrädern könne der unterirdische Stellplatz sehr attraktiv sein", steht im Artikel. Und: "Der Zugang zum Hauptbahnhof ist über die Niki-de-Saint-Phalle-Promenade geplant. Den entsprechenden Bunkerausgang gibt es bereits, die Tür fällt zwischen den Ladengeschäften in der Promenade aber kaum auf." Die Niki-de-Saint-Phalle-Promenade ist eine Einkaufspassage unterhalb der Fußgängerzone, die am Hauptbahnhof beginnt. Anhand dieser Beschreibung bleibt unklar, ob man die Garage nach dem Einstellen des Fahrrads ebenerdig verlassen kann. Kurzerhand habe ich mich am 1. Februar per Mail an den Bahnhofsmanager gewendet. 
    Ich fragte ihn, ob in der geplanten Fahrradgarage auch lange Fahrzeuge wie Lastenräder, Fahrräder mit Anhänger und Behindertenfahrräder Platz finden. Mit Hinweis auf meine persönliche Situation wollte ich außerdem wissen, ob ein barrierefreier Ausgang vorgesehen ist. Seine Antwort war: Schweigen. 
    Am 28. Februar versuchte ich es wieder. Mit Bezug auf meine erste Mail stellte ich dieselben Fragen. Bis heute - fast sechs Wochen später - kam keine Rückmeldung. Was soll ich dazu sagen? Deutlicher kann man "Ihr Anliegen ist mir wurscht" nicht ausdrücken.
Ich habe den Eindruck, dass Kommunen ihre behinderten Bürgerinnen und Bürger nicht in dem Maße wahrnehmen, wie es nötig wäre. Das Wort "Inklusion" ist in aller Munde, aber es hapert an der Umsetzung. Was wäre in Wunstorf so schwierig daran gewesen, eine Handvoll Einzel-Fahrradgaragen zu installieren, die ebenfalls mit einer App geöffnet und verschlossen werden können?
Was hat den Bahnhofsmanager daran gehindert, mir wenigstens eine kurze Rückmeldung zu geben oder jemanden von seinen Mitarbeitern damit zu beauftragen? Warum wird ein Dialog von vornherein verhindert?

Ich habe in zahllosen Situationen erlebt, dass Gebäude als barrierefrei bezeichnet wurden, es aber nicht waren. Es war offensichtlich, dass man bei der Planung und Errichtung niemanden hinzugezogen hatte, der hiervon etwas versteht. Bei diesen beiden Projekten bewegt man sich sogar unterhalb dieses Levels und behauptet gar nicht erst, an Menschen mit Mobilitätseinschränkungen gedacht zu haben.

Was passiert da in Stuttgart?

Zufällig bin ich kürzlich auf eine Meldung der Stadt Stuttgart gestoßen und war begeistert. Seit Mitte 2021 wird der Kauf von E-Trikes für Schwerbehinderte, in deren Behindertenausweis das Merkzeichen G oder aG steht, mit bis zu 1.500 Euro bezuschusst. Das Ziel ist, Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zur Benutzung des umweltfreundlichen Fahrrads zu bewegen. Vor Kurzem wurde die Gültigkeit der Richtlinie bis 2025 verlängert. Nun wurden auch Handbikes in die Förderung aufgenommen.

Ich freue mich sehr für alle Stuttgarterinnen und Stuttgarter, die auf dieser Grundlage ihren Aktionsradius erweitern können. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es ein großer Gewinn ist, nicht mehr für jede kurze Strecke ins Auto steigen zu müssen, sondern draußen unterwegs sein und etwas Gutes für die eigene Gesundheit tun zu können. Schön, dass die Stadt Stuttgart auch ihre behinderten Bürgerinnen und Bürger im Blick hat. 


Quelle Foto: https://www.emotion-ebikes.de/




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