Weniger Wasser

In meinem letzten Beitrag hier habe ich vom Hochwasser berichtet, das sich hier und in anderen Gegenden Deutschlands ausgebreitet hatte. Mittlerweile sind viele Straßen wieder befahrbar, die provisorischen Deiche aus Sandsäcken oder Kunststoffelementen sind zum größten Teil abgebaut. Jetzt geht es ans Aufräumen und Sichten der Schäden.

Die Freiwilligen Feuerwehren hatten - oft unterstützt vom THW - wochenlang alle Hände voll zu tun. Sie und die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben immer wieder an die Bevölkerung appelliert, sich an bestimmte Vorgaben zu halten, um die Arbeit der Helferinnen und Helfer nicht zu erschweren oder zu behindern.

Aber dann schlägt man die Zeitung auf und liest solche Meldungen: Ein Rentner auf seinem Fahrrad ignoriert die Absperrungen und fährt auf eine überschwemmte Straße. Die Strömung wirft ihn um, sein Fahrrad wird abgetrieben, er kann sich an einem Baum festhalten. Menschen, die seine Hilferufe hören, verständigen die Rettungskräfte, die ihn mit einem Boot bergen und per Krankenwagen in die nächste Klinik bringen.

Wenige Tage später und nur ein paar Meter weiter ist da wieder ein radfahrender Rentner, der der Meinung zu sein scheint, Schilder und Absperrungen dienten nur der Verschönerung der Landschaft. Wie sein "Kollege" zuvor unterschätzt er die Strömung und muss geborgen werden. 

Innerorts haben unsere Feuerwehrleute einen Sandsack-Deich aufgebaut. Ein Lkw-Fahrer scheint die Maßnahme überflüssig zu finden, fährt über den Deich und biegt auf die gesperrte Straße in Richtung Hannover ab. Der Sandsack-Deich ist zerstört und muss erneuert werden.

Auf hannoverschem Gebiet radelt ein Mann im Neopren-Anzug bis an den Rand des Überschwemmungsgebiets (dass dort einige Seen sind, ist bei der durchgehenden Wasserfläche nicht zu erkennen) und beginnt dort zu schwimmen. Er wird von Menschen beobachtet, die annehmen, dass er sich in einer Notlage befindet. Es rückt ein Großaufgebot an Rettungskräften zu Lande, zu Wasser und in der Luft an. Bevor der Schwimmer erreicht werden kann, steigt er auf sein Fahrrad und fährt davon. Es ist schwer zu glauben, dass er die Ansammlung von Menschen und Fahrzeugen in seiner Nähe nicht bemerkt hat.

Ein Vater mit seinen zwei Kindern auf der Rückbank fährt mit dem Auto in das Wasser einer abgesperrten Straße. Das Fahrzeug bleibt liegen, alle drei können von der Feuerwehr gerettet werden. Kurz danach lenkt ein junger Mann seinen Pkw auf derselben Straße ebenfalls in das Hochwasser. Auf dem Autodach sitzend wartet er auf die Feuerwehrleute, die ihn einsammeln.

Warum?

Das frage ich mich bei jeder dieser Meldungen: Was ist nur mit solchen Leuten los? Warum realisieren sie nicht, dass sie nicht nur sich, sondern auch andere Menschen gefährden? Warum müssen sie den Belastungen, denen die Helferinnen und Helfer durch das Hochwasser ohnehin ausgesetzt waren, noch weitere hinzufügen? 

Wer oben aufmerksam gelesen hat, wird feststellen, dass ich nur über Männer geschrieben habe. Tatsächlich habe ich in den letzten Wochen keine Meldung gelesen, in der es um eine Frau ging, die so "clever" war, Warnungen und Absperrungen zu ignorieren. Jeder mag daraus seine eigenen Schlüsse ziehen.


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Kommentare

  1. Liebe Ina, das Wasser wird einfach nicht weniger, denn es regnet nun wieder heftig. Mir fällt auch auf, dass viele Menschen immer kopfloser werden und ein Gespür für Gefahren verlieren.
    Meine beiden Kinder waren bei der Freiwilligen Feuerwehr und daher weiß ich, welchen Belastungen die Helfer ausgesetzt sind. Wenn sie dann bei einer Hochwasserlage noch Schaulustige und Kopflose bergen müssen, stimmt in unserer Gesellschaft etwas nicht.
    Kopfschüttelnde Grüße von Ingrid, der Pfälzerin

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    1. Liebe Ingrid, ich glaube, dass es da oft auch um Selbstüberschätzung geht. "Ach, die übertreiben bestimmt mit den Absperrungen, das geht schon noch", scheinen viele zu denken. Und zu viele Menschen kreisen nur um sich selbst. Keine Ahnung, warum das so ist.
      Ratlose Grüße aus Niedersachsen

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