Wie läuft's mit dem Ticketkauf?

©: Maren Beßler / pixelio.de
Eigentlich würde ich ganz gern mal wieder in ein Konzert gehen. Die Mehrzahl der Tickets wird allerdings über eventim.de verkauft.

Wo ist jetzt das Problem? Für die meisten Leute gibt es keins: Künstler/in auswählen, gewünschten Ort suchen, Preiskategorie anklicken, Personenzahl angeben, elektronisch bezahlen, fertig. Das ist in einer Minute erledigt.

Nicht für Menschen mit Schwerbehinderung, die eine Begleitperson benötigen. Bei ihnen gerät der Ticketkauf schon zu einem frühen Zeitpunkt ins Stocken: Künstler/in auswählen, gewünschten Ort suchen, Preiskategorie anklicken, nachsehen, ob man direkt die Kaufoption für behinderte Menschen anklicken kann. In der Regel ist das nicht möglich. Nächster Schritt: nach unten scrollen bis zum Punkt "Information zur Buchung - Rollstuhlfahrer und Schwerbehinderte". Dort steht dann Folgendes: 

Um eine Buchung für Rollstuhlfahrende und Menschen mit Behinderung (Schwerbehinderung), inkl. Begleitung, vorzunehmen, prüfe bitte zunächst, ob es bei deinem Wunschevent auch die Möglichkeit gibt, Tickets direkt im Webshop zu buchen. Gehe dabei auf deine Veranstaltung und deine Stadt und prüfe die angebotenen Preiskategorien und Rabatte. Ob Tickets für Rollstuhlfahrende und Menschen mit Behinderung (Schwerbehinderung), inkl. Begleitung, im Webshop angeboten werden, entscheidet der Veranstalter des Events.

Solltest du im Webshop kein entsprechendes Angebot finden, kontaktiere bitte unseren Kundenservice unter der Telefonnummer 0421 353 638. Aus technischen Gründen können unter dieser Rufnummer nur Anfragen und Buchungen von Tickets für Rollstuhlfahrende und Menschen mit Behinderung (Schwerbehinderung) bearbeitet werden!

Mitte August dieses Jahres hatte ich ein Telefonat mit einem Mitarbeiter von eventim. Dem Gespräch war ein Tweet im Juni vorausgegangen, in dem ich in der gebotenen Kürze meinen Frust über eine vergurkte Ticketbuchung rausgelassen hatte.

 

Ich wollte Eintrittskarten für eine Veranstaltung in Hannover kaufen und hatte die angegebene Telefonnummer angerufen. Dann habe ich mir 40 Minuten immer schön abwechselnd "One" von Johnny Cash und "Teardrop" von Massive Attack angehört. Und das, obwohl zu Beginn des Anrufs von null Minuten Wartezeit die Rede war.
Bei drei weiteren Versuchen wurde ich aus der Leitung geworfen, weil man "wegen des großen Andrangs" gerade keine Anrufe annehmen könne. Danach waren die Tickets ausverkauft.

Daraufhin habe ich per Mail den Kundenservice kontaktiert. Dessen Entgegnung im Zeitalter der Digitalisierung: Daran könne man nichts ändern, weil sich unter dem Dach von eventim unterschiedliche Anbieter mit verschiedenen Konditionen versammelten. Mein Einwand, dass es sich bei eventim um Europas größte Ticketplattform handelt und die Digitalisierung das durchaus möglich machen könnte, wurde von einer anderen Person mit einer Mail beantwortet, die den Text ihres Kollegen mit weniger Worten wiederholte. Als ich dann darum bat, mir einen Ansprechpartner zu vermitteln, der mir zu dem Thema Auskunft geben könne, hat mir trotz mehrmaliger Nachfrage niemand mehr geantwortet.

Erst nach meinem Tweet wurde ich direkt bei Twitter von einem eventim-Mitarbeiter angesprochen, der um eine Schilderung des Problems und meine Telefonnummer bat. Kurz darauf rief mich tatsächlich ein freundlicher Herr an, der mein Problem zu verstehen schien und berichtete, dass eventim tatsächlich gerade dabei sein, seine Plattform so zu modifizieren, dass Menschen mit Behinderung genauso komfortabel Tickets kaufen können wie andere Kunden. "Im Oktober '23 wird es soweit sein", sagte er zu, "nageln Sie mich bitte nicht auf den 1. Oktober fest, aber im Laufe des Oktobers auf jeden Fall!" Er versprach, sich Mitte Oktober bei mir zu melden.

Und jetzt?

Ratet! 

Bei mir hat sich niemand gemeldet. Doch dann sah ich vor ein paar Tagen den Tweet von Kay Macquarrie, einem Rollstuhlfahrer, dem ich schon eine Weile auf X (ehem. Twitter) folge, und mir ging es wie ihm: Ich 'bekam Puls'.

Kay Macquarrie hatte also dieselbe Erfahrung wie ich gemacht, aber zu einem Zeitpunkt, zu dem das Problem doch behoben sein sollte! Ihm wurde Tage später mitgeteilt, dass die telefonische Erreichbarkeit derzeit schlecht sei, aber man leider nicht mehr für Rollstuhlfahrer tun könne.

Nachdem ich die Problematik vor ein paar Tagen erneut per X aufgegriffen habe, forderte mich jemand von eventim auf, ihm per Direktnachricht meine Wunschveranstaltung mitzuteilen. Ich will aber nicht über irgendwelche Kanäle mit Glück an Eintrittskarten kommen, sondern auf einem regulären Weg, der allen offen steht und den behinderten Menschen nicht pausenlos Steine in den Weg legt. Von denen haben sie in ihrem Alltag ohnehin genug.

Mein Fazit ist leider, dass es eventim wurschtegal ist, ob es für behinderte Menschen schwierig oder gar unmöglich ist, über ihr Portal an Karten zu kommen. Mit anderen Worten: eventim schert sich nicht um Teilhabe, Behinderte sind nur lästig und werden mit leeren Versprechen abgespeist.

Danke für nichts.

Kommentare

  1. Hast schon in Erwägung gezogen, dass du dich an die örtliche Tageszeitung wendest? Oder den Veranstalter oder an das Managment oder den Künstler selber? Die Sache ist ja, dass gerade große Häuser behindertengerechte Maßnahmen durchgeführt werden. Es wäre doch schade, wenn keiner den überteuerten rollstuhlgerechten Fahrstuhl nutzt ;-)
    LG
    Sabiene

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Sabiene, Erfahrungen mit der örtlichen Presse habe ich schon. Als es hier vor Jahren mal um die ungerechtfertigte Nutzung des Behindertenparkplatzes durch E-Autos ging (Teil 1 von 3: https://dastaeglichegruseln.blogspot.com/2019/04/neue-variante-des-gerangels-um-parkplaetze.html), habe ich der Zeitung einen Leserbrief geschrieben, den man im weiteren Verlauf der Angelegenheit nicht abdrucken wollte, weil ja "alles geregelt" sei. Habe Ähnliches vor noch längerer Zeit erlebt, als ich als Elternvertreterin an der Schule meiner Kinder einen Leserbrief geschrieben habe, der mit einer derartigen Verzögerung und auch noch verkürzt abgedruckt wurde, dass sich gar nicht mehr erschloss, was der Hintergrund gewesen war.
      An Veranstalter oder Künstler habe ich mich noch nicht gewendet, weil ich mir davon nichts versprochen habe. Aber ich werde über deinen Hinweis nachdenken.
      Im März waren wir zum ersten Mal für ein Konzert in der Elbphilharmonie. Auch dort mussten die Karten telefonisch bestellt werden, was aber problemlos funktionierte. Der Haken war dann aber, dass unsere Plätze nicht barrierefrei zu erreichen waren, obwohl ich darauf besonders hingewiesen hatte. So etwas macht mich dann doch ratlos.
      LG
      Ina

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Und hier ist Platz für deinen Kommentar: