Buchmesse auf drei Beinen - wie gut funktioniert das?

©: Frankfurter Buchmesse / Anett Weirauch

Im Oktober habe ich gemeinsam mit einer Begleiterin die Frankfurter Buchmesse besucht. Ich war dort nicht zum ersten Mal, aber Corona hat die Besuche in den letzten beiden Jahren verhindert.

2019 war mein letzter Besuch dort. Ein paar Tage nach der Messe habe ich damals hier einen Artikel geschrieben, in dem ich alles bemängelt hatte, was aus meiner Perspektive eines Menschen mit einer Gehbehinderung nicht oder nicht gut geklappt hat. Deshalb war ich sehr gespannt, ob es Verbesserungen gegeben hat.

Aufgrund der Erfahrungen von vor drei Jahren haben meine Begleiterin und ich darauf verzichtet, mit der Deutschen Bahn anzureisen. Würden die Aufzüge halbwegs zuverlässig funktionieren, die Wagenstandsanzeiger keine Märchen ausspeichern, die Mobilitätsservice-Zentrale auf die Beschaffenheit der empfohlenen Bahnhöfe achten und die Verbindungen verlässlich sein, wäre eine Bahnfahrt die erste Wahl gewesen. Da man sich aber auf nichts davon verlassen kann, ich jedoch darauf angewiesen bin, sind wir mit dem Auto angereist.

Im Gegensatz zu 2019 haben wir somit auch die täglichen Hin- und Rückfahrten zum Messegelände mit dem Auto zurückgelegt. Dazu mussten vorab Absprachen mit dem sog. "Operation and Security Center (OSC)" der Messe Frankfurt getroffen werden, was per E-Mail möglich war. Dort benötigte man die konkrete Angabe der Besuchstage und die Übermittlung des Kfz-Kennzeichens. Das OSC teilte mir dann mit, welche Einfahrt wir nutzen sollen, und dort war man dann auch vorbereitet.

An der Schranke wurde ein Parkticket für eine bestimmte Parkfläche ausgegeben, das hinter der Windschutzscheibe abgelegt werden musste. 
Am ersten Messetag bekamen wir einen Parkschein für einen Parkplatz, der sich nur wenige Meter entfernt vom OSC befand. Das war sehr angenehm, denn dort wartete der von mir angemeldete Scooter auf mich. Am zweiten Tag wurde uns allerdings eine Parkfläche auf dem Dach eines Parkhauses zugewiesen. Der Haken daran: Der Weg zwischen dem Parkhausausgang und dem OSC, wo der Scooter abends wieder abgegeben werden musste, war relativ lang. Doch der Parkhauswächter vor der Auffahrtrampe wusste Rat: Er rief Kollegen an, die mit einem Kleinbus auf dem Gelände unterwegs waren. Damit fuhren sie uns bis vor unser Auto. Dieser Service war wirklich großartig!
Am dritten und unserem letzten Tag baten wir morgens bei unserer Ankunft darum, wieder auf dem Parkplatz parken zu dürfen, auf dem wir schon am ersten Tag waren. Das war kein Problem.

Wie schon 2019 war es aber auch diesmal nicht möglich, mit dem Scooter selbstständig und autark auf dem Messegelände unterwegs zu sein. Nach wie vor ist man darauf angewiesen, dass einem jemand die Hallentüren aufhält. Damit war meine Begleiterin gut beschäftigt, denn man passiert in der Regel zwei Türen, ehe man im Ausstellungsbereich ist. Darauf zu hoffen, dass man auch ohne eine helfende Person zurechtkommt, ist aufgrund meiner persönlichen Erfahrung eine Illusion: Ich erlebe zu oft, dass Menschen zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, um wahrzunehmen, dass ihre Unterstützung gefragt sein könnte.

Das gleiche Problem gibt es für die Fahrten mit den Aufzügen. Die Außentableaus, auf denen sich die Taster befinden, mit denen man den Fahrstuhl anfordert, befanden sich in der Mauer seitlich neben den Aufzugtüren. Es gibt keine Chance, diese vom Scooter aus zu erreichen. Schön wären hier vorgelagerte Säulen, in denen sich ebenfalls Taster befinden. Ich gehe aber davon aus, dass solche Säulen aus Kostengründen nicht nachträglich installiert werden. Also wird es auch in Zukunft nicht möglich sein, im Scooter ohne Hilfe die Etagen zu wechseln.

Wurde die Buchmesse-App verbessert?

Die Frankfurter Buchmesse stellt jedes Jahr eine eigene Messe-App zur Verfügung. Sie ist sehr hilfreich, um sich auf dem Gelände zurechtzufinden. Vor drei Jahren hatte ich bemängelt, dass sich die Navigationsfunktion ausschließlich an Fußgänger richtet, da nur Verbindungen angezeigt wurden, bei denen der Etagenwechsel mit Rolltreppen bewältigt wurde. Das hat sich geändert: Die aktuelle App enthält eine Zusatzfunktion "barrierefreie Navigation starten", die man mit einem Klick aktivieren kann. Nun werden auf den Routen nicht mehr die Rolltreppen, sondern die Aufzüge dargestellt. Diese Änderung ist sehr hilfreich und hat uns einige Suchen erspart.

Wie barrierefrei war die Präsentation des Ehrengastes?

©: Frankfurter Buchmesse / Bernd Hartung
Ziemlich ärgerlich war ausgerechnet die Präsentation des Ehrengastes Spanien im Forum. In einem Bereich des Raums waren bunte Sitzschlangen zu einer Leselandschaft angeordnet. Da die Schlangen miteinander verschlungen waren, ergaben sich unterschiedliche Sitzhöhen. Dort hätte ich mir ein Arrangement analog des Mottos "Form follows Function" gewünscht: Das sah zwar alles ansprechend aus, aber war zum entspannten Sitzen ungeeignet. Wer Probleme mit dem Stützapparat hat, hätte sich nicht dort niederlassen dürfen.

In den Bücherregalen, die auf dem Foto zu sehen sind, wurden sowohl Bücher aus Spanien als auch Übersetzungen in zahlreiche andere Sprachen zur Ansicht gezeigt. Dass nur große Menschen an die obersten Regalreihen heranreichen konnten, kennt man ja bereits aus dem Supermarkt. Als ausgrenzend habe ich allerdings empfunden, dass es mobilitätseingeschränkten Menschen nicht möglich war, sich die Titel auf der äußeren rechten Seite der Bücherwand anzusehen: Dort war eine Bühne, bei der man auf eine Rampe verzichtet hatte. Die dort ausgestellten Bücher waren damit für manche Besucherinnen und Besucher nicht erreichbar. Mir fehlt dafür das Verständnis.

Fazit

Die Hilfsbereitschaft der Menschen, die auf dem Messegelände gearbeitet haben, war großartig. Egal, wen man ansprach, niemand war unfreundlich oder ungeduldig.

Unschön finde ich jedoch, dass es mir wohl auf lange Sicht nicht möglich sein wird, die Frankfurter Buchmesse ohne Begleitung zu besuchen. Das finde ich sehr bedauerlich, da mir Autarkie wichtig ist - so, wie wahrscheinlich den meisten Menschen, die sich ohne eine Behinderung frei und unabhängig sowie ohne vorherige Planung dorthin bewegen können, wohin sie wollen. Ich finde, dass die Messe Frankfurt die Belange behinderter Menschen stärker berücksichtigen sollte, um möglichst vielen Besucherinnen und Besuchern die Teilnahme auch ohne eine Begleitung zu ermöglichen - nicht nur an der Buchmesse, sondern auch an anderen Messen und weiteren Veranstaltungen. 

Um dieses Ziel zu erreichen, sollten behinderte Menschen in die Planungen einbezogen werden. Ich gebe aber zu, dass ich in dieser Hinsicht pessimistisch bin: Viel zu oft erfahre ich, dass die Expertise von beispielsweise Architekten als ausreichend betrachtet wird, wenn es um barrierefreie Raumkonzepte geht. Ausbaden müssen die Fehler dann aber andere.

Nachtrag: Wenn ihr euch dafür interessiert, wie mir die Frankfurter Buchmesse aus der Sicht als Buchbloggerin gefallen hat, dann schaut hier vorbei.


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