Die Deutsche Bahn baut nach unten - Folgen für Menschen mit Behinderung?

Seit Tagen kreisen Unwetter über Deutschland, die
Gewitter, Sturm, Hagel und reichlich Starkregen mitbringen. Bislang war in diesem Sommer vom Starkregen insbesondere Süddeutschland betroffen: In den Nachrichten wurden Bilder von überschwemmten Straßen und vollgelaufenen Kellern gezeigt.

Zufällig wurde ich heute bei Twitter auf ein privat aufgenommenes kurzes Video aufmerksam. Es zeigt einen Ausschnitt eines längeren Videos, das auf YouTube hochgeladen wurde. Dort ist nicht nur die durch Starkregen gestern überschwemmte Einkaufspassage des Stuttgarter Hauptbahnhofs zu sehen, sondern etwa ab Minute 4:05 der Treppenaufgang, der den Bahnhof mit der Fußgängerzone Königstraße verbindet. Das Wasser läuft über die ganze Treppenbreite in den Bahnhofsbereich hinein.

Meteorologen und Klimatologen sind sich einig, dass wir im Zuge des Klimawandels immer häufiger mit derartigen Wetterlagen rechnen müssen. Durch das Abschmelzen der Polkappen reduziert sich der Temperaturunterschied zwischen dem Äquator und den Polen. Die Folge: Der Ausgleich ist geringer, der Wind ist im Durchschnitt schwächer, die Hoch- und Tiefdruckgebiete ziehen langsamer. So kommt es zu solchen Unwettern wie dem in Stuttgart (und anderswo): Das Gewitter bleibt praktisch stehen und entlädt sich und die Regenmassen über einem relativ kleinen Gebiet. Was da genau passiert, kann man sich in diesem Video des NDR ansehen. Der ARD-Meteorologe Sven Plöger erklärt dort diesen Mechanismus (ab etwa Minute 6:20).

Worauf will ich nun hinaus? Das hier soll kein Beitrag zum Thema "menschengemachter Klimawandel" werden. Wer noch immer nicht begriffen hat, dass es ihn gibt und dringend gegengesteuert werden muss, wird auch für den Rest meines Textes kein Verständnis entwickeln.

Mir geht es hier darum, dass genau an dieser Stelle, an der das Video mit der überschwemmten Bahnhofstreppe entstanden ist, das gigantische Verkehrsprojekt S21 entsteht. Seit 2010 wird an dem neuen unterirdischen Bahnknotenpunkt in Stuttgart gebaut, 2025 soll das meiste fertig und nutzbar sein. Der bisherige Kopf- wird dann zu einem Durchgangsbahnhof.

Da ich als dreibeiniger Mensch schon mit normalen Bahnhöfen meine Probleme habe, habe ich mal einen Blick darauf geworfen, wie der künftige moderne Stuttgarter Hauptbahnhof eigentlich aussehen soll. Denn: Kommt es in einem Gebäude zu einer Überschwemmung, müssen die Fahrstühle abgeschaltet werden. Käme es hier zu einem Kurzschluss, säßen die Fahrgäste in der Aufzugkabine fest und müssten aufwendig befreit werden.

Dieses Szenario ist nicht nur für Dreibeinige, sondern auch für Menschen, die sich mithilfe eines Rollators oder eines Rollstuhls fortbewegen, ziemlich schlecht. Wie sollen sie den Bahnhof verlassen? Und sollten die Planer nicht berücksichtigen, dass solche Probleme keine Utopien sind, sondern immer mehr zum Alltag gehören? Stuttgart wurde in den letzten Jahren immer wieder von Starkregenfällen überrascht. Bei einem Unwetter im Juli 2010 fielen bis zu 100 Liter Wasser pro Quadratmeter.

Die Deutsche Bahn hat 2020 ein Video veröffentlicht, in dem sie die künftige Struktur des Stuttgarter Hauptbahnhofs als 3D-Animation vorstellt. Gut zu erkennen: Den Treppenabgang in der Königstraße wird es weiterhin geben. Ab Minute 0:10 sind weitere Treppen, die in den Bahnhof führen, zu sehen. Hat man daran gedacht, das Gebäude regensicher zu machen?

Wer nicht mobil, sondern auf Hilfsmittel angewiesen ist, hat es nicht so leicht, wenn er mit der Bahn reisen möchte. Das liegt schlicht daran, dass Strukturen vor Ort nicht zu Ende gedacht und geplant werden und mit Störungen unbefriedigend umgegangen wird, wie ich das selbst erlebt habe. Da macht auch Stuttgart 21 keine Ausnahme: Im März 2021 wurde bekannt, dass die Bahn eine Zugevakuierung in einem Tunnel simuliert hat. Dieser Test wurde aber nicht für den Fall eines Brandes durchgeführt, außerdem war die Evakuierungszeit von 15 Minuten sehr sportlich: Dass sich mobilitätseingeschränkte Menschen oder Personen mit Kinderwagen unter den Fahrgästen befinden könnten, hatte die Deutsche Bahn nicht vorgesehen. Kann man ja auch wirklich nicht verlangen.

Der Hauptbahnhof Frankfurt/Main ist ebenfalls ein Kopfbahnhof. Kürzlich wurde in der Presse gemeldet, dass eine Machbarkeitsstudie ergeben hat, dass der Bau eines unterirdischen Fernbahnhofs unter den bisherigen Bahnsteigen in 35 Metern Tiefe möglich ist. Auch der Frankfurter Hauptbahnhof musste schon gesperrt werden, weil bei einem Unwetter Wasser in dessen Tiefgeschoss eingedrungen war. Wenn schon der Brandschutz nicht vernünftig klappt, habe ich starke Zweifel, dass die Bahn-Planer die Folgen des Klimawandels und die Probleme der Menschen berücksichtigen, die es bereits jetzt nicht so leicht haben, die Einrichtungen der Deutschen Bahn zu nutzen.


Foto: Bild von Harald Matern https://pixabay.com/de

Kommentare

  1. Vielleicht leben die Menschen auf diesem Planeten irgendwann nur noch unten in der Erde. Man sieht solche Szenen in Endzeit-Filmen und ich befürchte, dass bald oben auf der Erde kein Platz mehr ist. Vielleicht wird die Erdoberfläche auch so schlimm zugerichtet sein, dass niemand mehr dort droben sein kann?
    Ich frage mich, was ich selbst unternehme, um Klimakatastrophen zu vermeiden? Wohl viel zu wenig, leider!
    Hoffentlich hat man in den neuen unterirdischen Bahnhof viele Lifte eingebaut, damit auch Menschen, die nicht auf zwei Beinen mobil sind, von dort wieder heraus können.
    Pumpen braucht es bestimmt auch viele, bei den zu erwartenden Starkregenfällen der Zukunft.
    Viele Grüße von Ingrid, der Pfälzerin

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  2. Ich will mir nicht vorstellen, unterirdisch zu leben - mit Kunstlicht und Klimageräten, ohne den Himmel und die Sterne.
    Die Lifte in den Tiefbahnhöfen bringen behinderten und allen anderen Menschen, die im Ernstfall (Brand, Wassereinbruch etc.) zügig nach draußen müssen, nichts, weil sie aus Sicherheitsgründen abgestellt werden müssen. Eben das macht mir Sorgen: Wo ist das Sicherheitskonzept, das in solchen Fällen greift?
    Mit nach wie vor optimistischen Grüßen aus Niedersachsen
    Ina

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