Lange genug gezahlt?

Nach langer Zeit kommt hier endlich wieder ein Beitrag. Allmählich normalisieren sich die Dinge, aber die jetzige Situation ist noch ein ganzes Stück von dem entfernt, was ich als normal empfinden würde.

Man kann wohl leider davon ausgehen, dass es im Herbst, wenn die Schonfrist für Firmen, die auf der Kippe stehen, ausläuft und sie dann doch Insolvenz anmelden müssen, zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit kommt. Die Bundesregierung schießt gerade, um die Wirtschaft ein Stück weit aufzufangen, Summen in einem Umfang raus, den man Anfang des Jahres kaum für möglich gehalten hätte.

Aber mehr Arbeitslose wird nicht nur heißen, dass mehr Arbeitslosengeld gezahlt werden wird, sondern auch, dass weniger Menschen in die Arbeitslosenversicherung einzahlen. Das System folgt einem Solidarprinzip: Manche Menschen haben große Probleme, trotz aller Bemühungen Arbeit zu finden und benötigen oft viele Jahre staatliche Unterstützung, andere werden nie arbeitslos und zahlen in die Arbeitslosenversicherung ein, ohne daraus jemals Leistungen zu erhalten.

So ein Solidarprinzip kann nur funktionieren, wenn sich die Menschen daran halten: Ich nehme Hilfe in Anspruch, wenn ich sie benötige; wenn nicht, dann nicht.

Aber da gibt es diese Freundin, die hier schon einmal erwähnt wurde. Sie lebt in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen und muss sich um eine drohende Wirtschaftskrise keine Gedanken machen. Die existenzielle Not mancher Selbstständiger wird sie wohl erst dann mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, wenn eines ihrer Lieblingsrestaurants schließen muss. Vor einigen Monaten hat sie beschlossen, ihren Beruf an den Nagel zu hängen. Es ist ja auch lästig, jeden Tag am Arbeitsplatz aufkreuzen und sich immer wieder mit den Kollegen wegen des Urlaubs abstimmen zu müssen. Also weg damit. Keine Krankheit hat sie zu diesem Schritt gebracht, gemobbt wurde sie auch nicht. Sie ist jetzt Anfang 50.

Gestern hat sie mir erzählt, dass sie Arbeitslosengeld bekommt. Bei der Erwähnung der dreimonatigen Frist, in der kein Geld floss, weil sie selbst gekündigt hatte, schwang Unmut in ihrer Stimme mit. Mein Hinweis, dass sie mit ihrem Verhalten zur Aushöhlung des Solidarprinzips beiträgt und Arbeitslosengeld für diejenigen gedacht ist, die es wirklich benötigen, perlte an ihr ab. "Ich habe schließlich lange genug eingezahlt!", war ihre Antwort. 

Kurzum: Es regt mich auf, dass hier eine Sozialleistung so unverhohlen ausgenutzt wird und sie sich in einer Frauenrunde, in der wir kurz zuvor noch gesessen hatten, auch noch clever fühlte. Wie viele Leute gibt es, die genau wie sie denken und der Meinung sind, bestimmte Dinge stünden ihnen einfach zu und denen die Allgemeinheit schlicht am Allerwertesten vorbeigeht? Mein Blutdruck steigt, während ich diesen Text schreibe.

Ich suche jetzt in einer Bilddatenbank nach einem passenden Foto für diesen Beitrag. Meine ersten Suchbegriffe werden "Schnorrer" und "Sozialschmarotzer" sein. Ich befürchte, dass ich nicht fündig werde.

 

Kommentare

  1. Soziale Schnorrer wird es immer geben. Ich kenne einige Leute, die auf Kosten der Solidargemeinschaft leben und seltsamerweise sind sie dennoch bei ihren Mitmenschen beliebt. Nur nicht bei mir! Ich bin eine derjenigen, die täglich ins Büro geht. Das ist nicht immer ein Zuckerschlecken, gerade in dieser surrealen Corona-Zeit. Nörgelnde unzufriedene Kollegen, überforderte Vorgesetzte ... . Komme ich dann gestresst ins Dorf zurück, stehen dort Leute, die jahrelang soziale Leistungen einkassieren und lächeln spöttisch.
    Dass wir langsam zur Normalität zurückkehren finde ich gar nicht. Die Leute denken zwar, es wäre so, weil man viele Auflagen gelockert hat. Aber Corona ist nicht überstanden!
    Was bringen wohl Sommer-Reisende mit aus dem Urlaub? Wir werden noch lange mit dem Ding über dem Gesicht herumlaufen müssen. Ob wir jemals wieder unbefangen miteinander Feste feiern werden? Der Ausnahmezustand wurde ja mittlerweile zur Gewohnheit.
    Als wir Ende Mai unerwartet unseren Urlaub an der Nordsee machen konnten, war die Welt für einige Zeit in Ordnung. Dort droben am Meer konnten wir die vielen Einschränkungen mal eine Weile vergessen. Oft waren wir ganz alleine auf dem Deich. Aber kaum waren wir wieder daheim, hat uns alles wieder eingeholt. Schulen und Kindertagesstätten waren geschlossen und das bis zu den Sommerferien. Nachbarkinder mussten auf der Straße spielen, weil die Spielplätze nicht benutzt werden durften. Frustierte Eltern, Kinder mit Bewegungsdrang, Leute im Home-Office (jetzt immer noch!), kein Besuch in Gaststätten, Schwimmbädern, Museen usw. möglich. Nein, normal ist das leider immer noch nicht. Auch wenn die Schwimmbäder jetzt mit Buchung per Handy besucht werden dürfen und man Gaststätten besuchen kann, sich aber registrieren lassen muss. Überwachung total?
    Frustrierte Grüße von der Pfälzerin.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich bleibe optimistisch, dass sich die Situation wieder bessern wird. Aber das wird nur mit einem Mindestmaß an Solidarität gelingen und nicht mit einer derart egoistischen Haltung, wie ich sie beschrieben habe.
      Liebe Grüße in die Pfalz

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Und hier ist Platz für deinen Kommentar: