"Stimmt so!"

Wir waren heute Abend in einem meiner Lieblingsrestaurants essen. Das Essen ist lecker, der Service immer gut und die Atmosphäre sehr angenehm. Wenn wir bezahlen, geben wir immer ein Trinkgeld. Auch heute, denn wir finden, dass guter Service Anerkennung verdient.

Nach dem Essen hat es sich ergeben, dass wir mit dem Restaurantleiter, Herrn B., wieder mal ins Gespräch kamen. Es ging ums Trinkgeld. Und was mich wirklich verblüfft hat: Er erzählte, dass es immer mehr Gäste gibt, die kein Trinkgeld geben. Nicht unbedingt solche, die nur einmal kommen, sondern auch Stammgäste, die sogar noch einen zusätzlichen Service erwarten, den sie offenbar für so selbstverständlich halten, dass sie kein Trinkgeld geben. Leute, die auch als Rentner sehr gut versorgt sind und an nichts sparen müssen. Die bringen es tatsächlich fertig, den Rechnungsbetrag passend bis auf den letzten Cent aus der Geldbörse zu kramen. So etwas macht mich sprachlos.

Ein anderer Trend, der zu immer weniger Trinkgeld führt, ist das zunehmende Bezahlen per Kreditkarte. Immer mehr Leute haben überhaupt kein Bargeld mehr bei sich, kommen aber auch nicht auf die Idee, den Rechnungsbetrag aufzurunden.
Aber der Knaller war, als Herr B. erzählte, dass es an den christlichen Feiertagen besonders mau aussieht. Weihnachten wird wohl noch bei einem Teil der Gäste daran gedacht, dem Servicepersonal etwas zukommen zu lassen, aber Ostern ist dann wirklich zappenduster. Da liegt die Trinkgeldquote bei nahe null. Die Gäste lassen es sich an den Feiertagen gutgehen, aber das Servicepersonal verbringt diese Tage ohne die eigene Familie und bekommt auf diese schnöde Art und Weise gezeigt, dass ihre Mühe nicht anerkannt wird. Was ist hier los?

© soquett/pixelio.de
Ich habe in meiner privaten Umgebung auch Menschen, die in dieser Hinsicht sehr knauserig sind. Ich war mal mit einer Freundin frühstücken. Als die Kellnerin "13,90 Euro" sagte, antwortete meine Freundin generös "Machen Sie 14 daraus". Ich halte nichts vom Fremdschämen - es bin ja nicht ich gewesen, die das von sich gegeben hat -, aber damals war ich nahe dran. 

Ich habe dieses für mich unsägliche Verhalten vor allem bei Menschen beobachtet, die es nicht nötig haben, zu geizen. Die ein halbes Dutzend Mal im Jahr in den Urlaub fahren und für die der Restaurantbesuch etwas ganz Normales ist. Es sei ihnen gegönnt, aber diese Denke "Zuerst komme ich und dann lange nichts" bringt mich auf die Palme. Geiz war immer schon das Letzte, aber ich frage mich manchmal, ob die niveaulose Marketingkampagne dieser Elektronikkette eine Gehirnwäsche ausgelöst haben könnte. Nein, Geiz war noch nie geil! Und mit dem Trinkgeld zeigt man, ob der Service gut war oder eben nicht. Ich kann selbst nicht fassen, dass ich mich hier innerhalb von fünf Wochen (das habe ich gerade mal nachgesehen) zum zweiten Mal damit beschäftige, dass Menschen den Hals nicht voll kriegen können.
Kürzlich las ich ein sorbisches Sprichwort, das ich sehr passend finde: Wo ein Geizhals angelt, sterben die Fische.

Kommentare

  1. Mein Freund hat lange Zeit in der Gastro gearbeitet und genau dasselbe berichtet. Gerade diejenigen, die tatsächlich nicht zu wenig haben, geizen beim Trinkgeld sehr. Ich persönlich bin stets bereit für guten Service auch mehr zu bezahlen aber es stimmt, wenn ich elektronisch bezahle, vergesse ich auch manchmal darauf.

    Liebe Grüße Kay
    www.twistheadcats.com

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    1. Ich fand die Aussage ziemlich schockierend, dass es an den Feiertagen noch weniger Trinkgeld gibt. An Weihnachten sind die meisten Menschen in Geberlaune, aber im Restaurant wird geknausert? Wie passt das zusammen?
      LG, Ina

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  2. Im Gegenteil, ich muss meinen Partner und mich bremsen, nicht zu viel Trinkgeld zu geben, denn wir haben es auch nicht grad dicke. Bei 12,10 € auf 15 € aufzurunden halte ich für zu viel, bei 33,70 € auf 34,00 € zu runden, hingegen für zu wenig. Ein gesundes Maß ist hier wichtig, zumal in Deutschland Trinkgeld nicht unbedingt üblich ist, aber dennoch gern gesehen und oft dringend gebraucht wird, weil der Lohn miserabel ist. Ich gebe selbst bei schlechtem Service oder nicht so schmackheftem Essen Trinkgeld, dann eben entsprechend weniger.

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    1. Wenn gar nichts gestimmt hat, geben wir auch schon mal nichts. Das kommt aber sehr selten vor. Generell sehe ich ein Trinkgeld als eine Form der Anerkennung. Ich habe auch schon von Lokalen gehört, die das Trinkgeld in einem gemeinsamen Sparschwein sammeln, um es abends "an alle" zu verteilen, es aber dann Abend für Abend "vergessen". Zum Kotzen so etwas.

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  3. Wenn ich in einem Lokal zufrieden war, dann gibt es bei mir immer Trinkgeld. Wenn nicht, dann nicht. So habe ich einem schlecht gelaunten Italiener im Sommer im Eiscafe kein Trinkgeld gegeben, weil er uns eine halbe Stunde hat warten lassen, bis er nach unseren Wünschen fragte. Die Eisbecher wurden uns von seiner Frau gebracht mit der Bemerkung: "Er hat heute einen schlechten Tag." Kassiert hat er allerdings recht flott. Sein Tag war noch schlechter, weil er kein Trinkgeld bekam.
    Gerne gebe ich Trinkgeld, wenn wir in einem Lokal Steinofen-Pizza essen. Die ist schon nicht teuer, aber sehr lecker und dann gibt es immer noch einen Espresso aufs Haus dazu. Sie erhalten jedesmal ein etwas höheres Trinkgeld. Aufrunden habe ich mir abgewöhnt und gebe je nach Höhe der Rechnung einen Betrag getrennt als Trinkgeld.
    Beim Friseur wird das Trinkgeld in eine Spardose getan und weil ich mir nicht sicher bin, ob es wirklich der jungen Frau zugute kommt, bringe ich öfter mal ein Geschenk für sie mit. Aber 2 € kommen dann auch ins Döschen.
    Leider kommt es häufig vor, dass für Trinkgeld kein Anlass besteht. Kellner ignorieren uns hartnäckig und bedienen Gäste, die nach uns kamen, schneller. Oder das Essen dauerte ewig und ein Grund dafür ist nicht ersichtlich. Da wir eher selten essen gehen, habe ich vielleicht höhere Erwartungen als jemand, der ständig ein Speiselokal besucht.
    Liebe Grüße von der Pfälzerin

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    1. Liebe Pfälzerin, wir gehen öfter essen, aber die Erwartungen, die wir haben, sind die gleichen: Wenn alles in Ordnung war, gibt es ein Trinkgeld; wenn nicht, dann nicht. Ich möchte als Gast gesehen werden und nicht als jemand, der für die Gnade, eine Mahlzeit serviert zu bekommen, dem Schöpfer auf Knien danken muss. Solche Lokale gibt es auch, aber dort sieht man uns weder ein weiteres Mal noch geben wir ein Trinkgeld. Ich wünsche Dir einen guten Rutsch ins neue Jahr!
      Liebe Grüße von der Niedersächsin

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  4. Tja , was soll ich sagen. Ich als gelernte Gastronomin weiß grundsätzlich zu schätzen was ein guter Service wert ist. Geiz ist geil lässt mich schütteln. Ich mag solche Menschen gar nicht. Das Wort Danke ist für viele schon zu viel . Traurig aber wahr.
    Übrigens hat das letzte Hemd keine Taschen , das sollten sich einige einfach mal bewusst werden .
    LG Heidi

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    1. Liebe Heidi, da sagst du etwas sehr Wahres! Mir ist das Klammern an jedem Cent auch fremd. Ich war kürzlich mit meiner Freundin in München (darüber wird hier noch zu lesen sein), und wir hatten mit dem Service immer Glück. Da gab es selbstverständlich immer ein Trinkgeld.
      LG
      Ina

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