Für wen ist Geiz geil?

© Bärbel Gast/www.pixelio.de
Seit Jahren bieten Zeitungen und Zeitschriften viele ihrer Artikel in den sozialen Netzwerken gratis an. Ein Klick genügt, und jedem, der sich für das Thema interessiert, wird der Inhalt einer Meldung für lau zur Verfügung gestellt. Und das, obwohl dahinter selbstverständlich Arbeit steckt, die die Herausgeber Geld gekostet hat: Gehälter, Bürokommunikation und -bedarf, Energie usw. Irgendwann dämmerte den ersten von ihnen, dass sie so nicht mehr weitermachen können und sie stellten einige Berichte nur noch innerhalb eines Bezahlmodells bereit. Unter den Kommentaren bezieht sich gefühlt mindestens die Hälfte der Nutzer nur darauf: Das sei Abzocke und die Presse habe die Pflicht, die Bürger ausführlich zu informieren. Dass es Leute gibt, die die jeweilige Publikation ganz klassisch im Einzelverkauf oder per Abo erwerben, geht ihnen völlig am Allerwertesten vorbei. "Ich will das weiter gratis!", wird da verbal gekreischt, als würde man hier über ein Menschenrecht reden.

Nicht besser sieht es bei Musik und Büchern aus. Leute, die das, was andere erschaffen haben, von irgendeiner Plattform gratis runterladen, fühlen sich unendlich clever und den Idioten, die ihr Geld dafür hergeben, haushoch überlegen. Dabei ist das nichts anderes als Diebstahl geistigen Eigentums.
So ähnlich erleben es auch viele in der Texterbranche: Da gibt es Kunden, die nur Dumpingpreise zahlen wollen und sich dabei aufführen, als seien ihnen die Spendierhosen wie auf den Leib geschneidert. Die werden noch getoppt durch Leute, die davon ausgehen, dass erstmal ein Probetext gratis geschrieben wird. Der übliche Einwand, dass man doch auch keinen Handwerker zum Probearbeiten ins Haus bestellt, verhallt bei diesen Nassauern ohne Wirkung.

Ich kenne aus meinem privaten Umfeld Menschen, die ständig nach Billigreisen Ausschau halten, sich dann aber ärgern, wenn der Billig-Liner den Flug verlegt; manchmal nicht nur zeitlich, sondern auch örtlich. Ist ihnen nicht klar, dass diese supergünstigen Angebote wirtschaftlich auf Kante genäht werden und es für den Anbieter keinen Spielraum mehr gibt? Ist es ihnen gleichgültig, dass mit niedrigen Preisen auch niedrige Gehälter der Beschäftigten einhergehen? Man kann da weder überbordende Freundlichkeit vom Bordpersonal noch irgendwelche anderen Annehmlichkeiten erwarten.

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Ganz ehrlich: Wenn ich jetzt in Worte fassen sollte, was ich von diesem "Geiz ist geil"-Gehabe halte, käme nichts dabei heraus, was auf eine gute Kinderstube schließen ließe. Wenn dieses Verhalten, meinen Mitmenschen nicht das Schwarze unter den Fingenägeln zu gönnen, aber mich auf ihre Kosten zu bereichern (und um nichts anderes geht es hier), von zu vielen Leuten praktiziert wird, nimmt unsere Gesellschaft massiven Schaden - wenn sie ihn nicht schon genommen hat. 
Während ich diesen Absatz schreibe, höre ich im Geiste schon den Widerspruch: "Die Anderen machen das doch auch!" Oder: "Die da oben sind noch viel schlimmer!" Ja, genau: Ab welchem Niveau auch immer "die da oben" angesiedelt werden, immer und in jeder Gesellschaft hat es Schnorrer und Abzocker gegeben. Kein Grund, ins selbe Horn zu blasen. Das, was doch selbstverständlich sein sollte, bringt auch ein Grundsatz des deutschen Rechts auf den Punkt: "Keine Gleichheit im Unrecht". 
Es gibt einen Unterschied zwischen Sparsamkeit und Bereicherung oder Ausnutzung.




Kommentare

  1. Unterschreiben ich - ohne wenn und aber!
    Lg nettie

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  2. Genau meine Meinung. Treffe ich auf solche Menschen gerät mein Blutdruck in Wallung. Ähnliches kann man auch von jenen Zeitgenossen sagen die sich laut und Finger zeigend über evtl.noch vorhandene Platiktüten aufregen aber eine schicke Kreuzfahrt machen und/oder häufig billigste Kurzflüge buchen. Das Egoverhalten einzelner Individuen ist fast nicht mehr zu ertragen

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  3. Ich stimme in jedem Punkt mit Dir überein, liebe Ina. Als Texterin habe ich selbst erlebt, wie Kunden auf einmal statt fester Stunden- oder Tageshonorare eine Bezahlung nach Anzahl der Wörter wünschten. Darauf habe ich mich nie eingelassen, denn "Texten" bedeutet nicht "Tippen", und wer nicht bereit war, für einen guten Text ein angemessenes Honorar zu bezahlen, für den habe ich nicht getextet.

    Gerade bei Fachtexten zu komplexen Themen sind umfangreiche Recherchen, intensive Gespräche mit dem Kunden und eine sorgfältige Überarbeitung der Texte erforderlich. Der Aufwand lässt sich nicht in der Anzahl von Wörtern bemessen, die der Text am Ende hat.

    Als Autorin beobachte ich, wie Kollegen ihre Bücher für 99 Cent verscherbeln und wie Leser sich insbesondere auf die Bücher stürzen, die möglichst billig zu haben sind. Auch das mache ich nicht mit; für meine Bücher gibt es keine Rabattaktionen.

    Eins darf man bei der leider vorherrschenden Mentalität aber nicht vergessen: "Geiz ist Geil" war keine Erfindung der Verbraucher, sondern die eines Elektromarktes bzw. der Werbeagentur dieses Unternehmens. Der Spruch wurde auf allen Kanälen in die Köpfe der Verbraucher hineingehämmert. Da darf man sich nicht wundern, wenn er wirkt.

    Die Anbieter unterstützen diese Mentalität ja auch noch immer. Wenn Zeitungsredaktionen den Lesern jahrelang Texte kostenlos zur Verfügung stellen, müssen sie damit rechnen, dass die Leser nicht verstehen, warum sie auf einmal dafür bezahlen sollen. Autoren, die ihre Bücher lange Zeit für 99 Cent verscherbelt haben, müssen damit leben, dass ihre Leser nicht bereit sind, auf einmal 2,99 € oder mehr dafür zu bezahlen. - Sicher lassen sich etliche weitere Beispiele für diesen Mechanismus finden.

    Meiner Meinung nach wäre ein Umdenken auf beiden Seiten nötig, um diese Mentalität zu stoppen.

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    1. Aus Marketing-Sicht kann man die Elektronikkette zu dieser Kampagne nur beglückwünschen: Als sie vor 16 Jahren so massiv begann, dass man praktisch nirgends vor ihr sicher war, hat im Laufe der folgenden Jahre so etwas wie eine Gehirnwäsche stattgefunden. Aber Geiz ist eben nicht geil, gute Waren und Dienstleistungen sind nicht billig zu haben.

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  4. Gehirnwäsche ist der passende Begriff! Es gibt wirklich kaum noch das, was man so treffend als Wertschätzung bezeichnet.

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