Wird Eure Käsesoße bespielt?

© Rainer Sturm/pixelio.de
Geht Ihr gern essen? Wir schon. Wenn die Qualität der Speisen und des Sevices und die Atmosphäre stimmen, kann man sich ein paar schöne Stunden in einem Restaurant machen. Ich kann mich noch daran erinnern, dass in den 1970-ern die Nouvelle Cuisine modern wurde. Das wurde zumindest in den Medien immer wieder behauptet. Der prominenteste Koch, an den ich mich erinnere, war Paul Bocuse. Er tauchte auf zahllosen Pressefotos mit hoher Kochmütze und wissendem Lächeln auf. Ganz klar, dass der französische Spitzenkoch die Haute Cuisine vertrat. Beim "gemeinen Volk" machte sich zeitweise Belustigung breit: Es gab etliche Cartoons, auf denen befrackte Oberkellner mit wichtigen Mienen und gehobenen Nasen den aufgerüschten Gästen große Teller brachten, die von einer ausladenden Silberhaube abgedeckt waren. Auf die erwartungsvollen Blicke der Restaurantbesucher folgte die nackte Enttäuschung, wenn sich unter den luxuriösen Abdeckungen jeweils lediglich eine mit Schnittlauch dekorierte Erbse befand.

Ich dachte, dass diese Phase im Grunde vorbei ist; dass gute Restaurants sich selbstverständlich vom normalen Schnitzel-und-Pommes-Gasthaus abheben, aber nicht mehr glauben, das auch durch geschraubt formulierte Speisenkarten dokumentieren zu müssen. Eben dass man auch in der gehobenen Gastronomie verstanden hat, dass Qualität überzeugt und nicht Gelaber.
Ich habe mich geirrt. Und ich habe gelernt, dass auch Gastro-Kritiker vor diesem ganzen Brimborium nicht gefeit sind. Auch nicht Herr F., der sich regelmäßig in unserer örtlichen Tageszeitung über die kulinarische Szene Hannovers äußert. Kürzlich hat er ein Lokal empfohlen, das in der nagelneuen Ausgabe des Restaurantführers Gault-Millau 15 von 20 Punkten bekommen hat. Dieses sehr gute Ergebnis hat den Kritiker offenbar nicht nur kulinarisch, sondern auch sprachlich beflügelt. Da werden lauwarme Karotten unter anderem mit einem "unverschämt wachsweichen Eigelb" serviert. Es geht weiter mit einem Vacherin Mont-d'Or, den jeder durchschnittliche Tageszeitungleser so selbstverständlich verzehrt, dass hier keine Erklärung nötig ist. Es ist übrigens ein schweizerischer Weichkäse aus Kuh-Rohmilch. Daraus wird in dem beschriebenen Restaurant eine Käsesoße hergestellt, die mit "erdigen" Sommertrüffeln, La-Ratte-Kartoffeln (eine alte französische Sorte) und herber Schafsgarbe "bespielt" wird. Beim Schreiben fällt mir ein, dass früher, also zu der Hochzeit der Nouvelle Cuisine, gefühlt alle fünf Minuten von "korrespondierend" und "schmeichelnd" die Rede war. 

© Rainer Sturm/pixelio.de
Ich kann mit solchen Beschreibungen nichts anfangen. Im Gegensatz zur Kunst, von der ich keine Ahnung habe, merke ich, ob ich gutes Essen vor mir habe oder nicht. Ich weiß, dass immer mehr Restaurants zu Convenience-Lebensmitteln greifen, um Kosten und Zeit zu sparen. Diese vorbereiteten Zutaten werden immer besser, aber an einigen Merkmalen trennt sich die Spreu vom Weizen: Der Klassiker der Convenience-Küche ist die fertige Sauce Hollandaise. In der Spargelzeit hat das Tütenprodukt in der Gastronomie Hochkonjunktur. Das trifft auch auf andere Gerichte zu, die etwas komplizierter sind, wie z. B. Schokoküchlein, die mit warmer, flüssiger Schokokade gefüllt sind. Aber muss man essen gehen, wenn der Koch in der Küche nur eine Tüte nach der anderen aufreißt? Das kann ich selbst, nur ist das dann viel billiger. Aber hochtrabende Bezeichnungen in Restaurantkritiken oder auf Speisekarten laden mich nicht dazu ein, da mal die Nase durch die Tür zu stecken. 
Achtet Ihr auf Restaurantkritiken, wenn Ihr ein Lokal besichen wollt? Und was bringt Euch dazu, einer Empfehlung zu folgen?

Kommentare

  1. Wir gehen selten essen, weil wir kein Restaurant kennen, das zu 100 % so kocht wie wir gerne essen. Im Ort ist ein Landgasthof, der regionale frische Küche anbietet. Hierher kommen wir gelegentlich zum Essen. Jedoch ärgert mich oft der hohe Preis für das Gericht, auch wenn ich weiß, dass gute Zutaten verwendet werden. Ich koche mit diesem Betrag mehrere Tage lang in der gleichen Qualität.
    Essen nach einer gewissen Mode mag ich nicht und somit würde mich niemals eine ausgefallene Speisekarte in ein Lokal locken.
    Wenn wir in eine 40 Kilometer entfernte Stadt fahren, essen wir dort in einem italienischen Lokal Pizza vom Holzofen. Sie kostet nur kleines Geld, schmeckt mir aber richtig gut.
    Als ich Geburtstag hatte, lud ich die Familie in ein gehobenes (ebenfalls italienisches) Lokal ein und wir waren vom Essen begeistert.
    Mit den Kollegen waren wir letzte Woche abends essen und das Ambiente und auch die Auswahl der Speisen stimmte. Es hat allen gut geschmeckt.
    Dennoch ... ich mag nur selten essen gehen, weil ich mein selbst gekochtes Essen mag und weil ich weiß, woher die Nahrungsmittel kommen, die in meiner Küche verbraucht werden.
    Somit kann ich zu diesem Beitrag leider nur wenig schreiben.
    Hungrige Grüße von der Pfälzerin

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Seitdem ich vor einiger Zeit mal eine Doku gesehen habe, in der es darum ging, dass in Restaurants immer weniger Selbstgemachtes auf den Tisch kommt, bin ich sehr skeptisch geworden. Richtiggehend entsetzt war ich, als von Koch-Azubis die Rede war, die in ihren Ausbildungsbetrieben nichts anderes mehr lernen, als vorgefertigte Ware auszupacken und zu erhitzen. Nur in der Berufsschule haben sie gelernt, wie man richtig kocht. Solche Betriebe, die meiner Meinung nach ihre Gäste betrügen, dürften nicht mehr ausbilden. Wir gehen daher in Restaurants, von denen wir wissen, dass dort ordentlich gekocht wird.
      Noch hungrigere Grüße von der Niedersächsin

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Und hier ist Platz für deinen Kommentar: