Mülltonne gesucht!


Ich scheine irgendetwas an mir zu haben, dass immer
So sieht sie aus, die Seelen-Mülltonne.
wieder Leute glauben, sie müssten ihr ganzes Leben - und schwerpunktmäßig die verkorksten Abschnitte - wie ein überdimensioniertes Laken vor mir ausbreiten. Ich sitze auf einer Parkbank und habe kaum "bitte nicht!" zu Ende gedacht, da beginnt er oder sie (meistens sind es Frauen) mit einem zunächst harmlosen Intro. Gern genommen: das Wetter. Da aktuelle Wolkenformationen und Regenmengen nicht viel Gesprächsstoff hergeben, kommt ziemlich zügig die Überleitung zum persönlichen Leidensweg. Dass ich schon beim Wetter in der Vorahnung darauf, was ich mir gleich anhören würde, wortkarg war, ist meinem Gegenüber nicht aufgefallen. Die geschilderten Schicksalsschläge reichen von schmerzhaften und problematisch verlaufenden eigenen Erkrankungen, der Todesursache des Ehepartners/des Vaters/der Mutter (es ist alles denkbar, die Liste kann beliebig erweitert werden, auch um Haustiere) bis zu Schicksalsschlägen, die die Vernichtung der Karriere, des Eigentums oder wovon auch immer zur Folge hatten. Es geht solchen Menschen einzig und allein darum, einen Abladeplatz für ihren Seelenmüll zu finden.


Ich will nicht missverstanden werden: Für bestimmte Menschen, die sich wiedererkennen, wenn sie diese Zeilen lesen, bin ich immer ganz Ohr und unterstütze sie, wenn ich die Möglichkeit dazu habe. Ich rede aber von denen, denen ich nie zuvor begegnet bin und die im Grunde nichts anderes tun, als ihren Egoismus an mir auszulassen. Sie verlassen sich darauf, dass ihre Zuhörer mit so viel guter Erziehung und Empathie ausgestattet sind, dass sie sich mit Hinweisen auf die Fehlerhaftigkeit der Äußerungen zurückhalten und die Ergüsse nickend und (geheucheltes) Mitleid zeigend über sich ergehen lassen. Hatte ich hier nicht schon mal etwas über Reha-Kliniken geschrieben? Sie sind voll von ihnen. Besonders Frauen ab 50 scheinen eine verstärkte Neigung zu solch einem Verhalten zu haben. Mir ist nicht entgangen, dass ich auch zu dieser Gruppe zähle, ich gehe meinen Altersgenossinnen dort aber aus dem Weg. Männer, die um mitleidsvolle Streicheleinheiten buhlen, setzen dabei den Dackelblick auf und machen immer wieder bedeutungsschwangere Redepausen, die ihren Zuhörern die Chance geben sollen, sie zu bedauern und das Ausmaß ihres Elends zu bestätigen. Frauen reihern ihr Unglück - oder was sie dafür halten - in einem Schwall heraus.

Ich bin nicht mehr bereit, als kostenlose Seelenstreichlerin
Ein super Typ, der die Klappe hält und schweigt.
herzuhalten. Wenn sich mir so jemand nähert - und glaubt mir, ich kann diese Leute fast schon riechen -, wende ich mich körperlich von ihr oder ihm ab, antworte nicht und schalte auf Durchzug. Für Leidensgeschichten sind die Familie, beste Freunde oder spezialisierte Menschen da, deren Berufsbezeichnung mit "Psycho" beginnt und die dafür Geld bekommen. Ich sicher nicht. Und jetzt könnt ihr mich für eine emotional degenerierte und kaltherzige Schnepfe halten. Ich halte das aus. Obwohl... wenn ich jetzt so über mein Leben nachdenke: Hatte ich Euch eigentlich schon mal erzählt, an welcher meiner siebeneinhalb Krankheiten bisher jeder Arzt verzweifelt ist? 😉

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