Her mit den Klischees!

Nein, das Foto stammt nicht von der Buchmesse.
Das Denken in Schubladen wurde auf diesem Blog schon mal angesprochen. Kürzlich habe ich wieder erlebt, wie sich ein Klischee zum x-ten Mal wiederholte. Ort: eine der Gastronomieinseln der Frankfurter Buchmesse. Um uns herum wuseln ungefähr zehn Servicekräfte, die meisten sehen aus, als seien sie Studenten. Genau, ich bin selbst nicht frei vom Schubladendenken. Aber weiter im Text.
Eine junge Frau nimmt die Getränkebestellung auf: für meinen Mann eine große Apfelschorle, für mich ein alkoholfreies Weizen. Die, die das hier lesen und uns kennen, werden denken: "Ja, ist ja nichts Neues bei den beiden." So ist es.
Die Getränke werden dann von einem jungen Mann gebracht. Er greift zum Weizenglas und sein Schwung geht in die Richtung meines Mannes, da sage ich: "Das ist für mich!" Er hält in der Bewegung inne, stellt das Glas vor mich hin und serviert meinem Mann die Apfelschorle.

Eine junge Frau fragt, ob wir uns entschieden haben, was wir essen möchten. Haben wir. Mein Mann wählt das Pastagericht, mir ist die Wildschweinbratwurst lieber. Die Kellnerin nickt bestätigend, gibt unsere Bestellung über ihr Tablet an die Küche weiter und wendet sich den nächsten Gästen zu. Nach einer Weile nähert sich ein Kellner mit zwei beladenen Tellern. Er schaut uns an, lächelt kurz und sagt fragend in einem Ton, als sei die Antwort sowieso klar: "Die Pasta?" Die letzte Silbe hängt noch im Raum, als das Pastagericht auch schon in meine Richtung schwebt. Ich lächle zurück und sage: "Die Pasta sind für meinen Mann." Einen winzigen Moment lang huscht ein erstaunter Ausdruck über sein Gesicht, dann setzt er den Teller vor meinem Mann und stellt den mit der Bratwurst vor mir ab.

Mich amüsiert das jedes Mal. Solche Szenen haben sich schon oft abgespielt, sogar, wenn die Person, die die Bestellung aufnahm und die, die das Essen und die Getränke brachte, ein und dieselbe waren. Merkwürdigerweise klappt das Servieren, wenn ich statt eines Bieres einen Wein bestelle. Da scheint die Gastronomie-Erfahrung zu sein, dass es in der Regel die Frauen sind, die zu diesem Getränk greifen. Aber steht gegen diese Annahme nicht die oft gemachte Beobachtung, dass immer, wenn ein Paar ins Restaurant oder zu einer Feier geht, er mit dem Auto hin und sie zurück fährt, damit der holde Partner seine zwei, drei, vier... Bierchen trinken kann?

Ein anderes Klischee: Wenn ich darauf bestehe, als Frau im Vergleich zu Männern gerecht - wohlgemerkt: gerecht, nicht bevorzugt! - behandelt zu werden, finde ich mich schnell in der Emanzenecke wieder. In meiner Generation war das zwar noch nicht unbedingt ein Schimpfwort, aber nett gemeint war es auch nicht. Das Klischee einer Emanze war: Sie nervt mit ihrer Kritik am stereotypen Verhalten ihrer Mitmenschen - sowohl dem von Männern als auch von Frauen. Frauen, die sich obendrein nicht typisch weiblich kleideten, sondern auf kürzere Röcke und High Heels verzichteten, wurden auch schon mal gern in diese Schublade gesteckt. Wie ist das heute?

Ein mir nahestehender junger Mann wurde mal gefragt, ob ich denn eine Emanze sei. Er überlegte einen Moment und antwortete dann: "Ja, ich glaube schon." Und das war nicht abwertend gemeint, ich kenne den jungen Mann sehr gut.

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