Pass auf, was Du sagst!

Ich habe manchmal das Gefühl, dass Sprechen und Schreiben oft wie ein Gang über ein Minenfeld sind: ein falsches Wort, und es folgt eine verbale Sanktion. Politische Korrektheit heißt hier das Stichwort und führt dazu, dass man höllisch aufpassen muss, keine "bösen" Wörter zu sagen, wenn man nicht gleich in eine Schublade gesteckt werden will. Schubladen sind eine allgemein beliebte Sache; sie erleichtern es uns, unsere Welt in einer bestimmten Ordnung zu halten, können aber oft auch schlicht das reflektierte Denken verhindern.

Vor einiger Zeit gab es die Diskussion um das sprachliche "Glätten" von Kinderbüchern. Kritische Menschen, die nicht möchten, dass sich jemand beleidigt fühlt, wollten zum Beispiel, dass bei Pippi Langstrumpf das Wort Negerkönig nicht mehr vorkommen sollte. Irgendwann habe ich gelesen, dass Negerkönig in den neuen Ausgaben tatsächlich in "Südseekönig" umgewandelt wurde. Mich hat das befremdet. Das Wort "Neger" war nicht immer mit dem negativen Beiklang behaftet, den es heute hat. Ich muss hier sogar ehrlich zugeben, dass ich die Hintergründe für die Wandlung dieses Wortes von einem normalen zu einem geächteten Begriff nur sehr undeutlich weiß. Da spielt wohl die schwarze  Bürgerrechtsbewegung in den USA eine Rolle und der Umstand, dass "Neger" ("Nigger") in diesem Zusammenhang herabsetzend verwendet wurde.
Einem Buchklassiker gegenübergestellt finde ich, dass es ein Unterschied ist, ob sich der Negerkuss zum Schaumkuss wandelt oder in einem Buch, das bereits 1944 erschienen ist, herumredigiert wird. Astrid Lindgren wird sicher niemand eine diskriminierende Absicht vorwerfen.

In Hannover gab es vor ein paar Monaten eine ähnliche Diskussion um ein Firmenlogo der 1883 gegründeten Traditionsfirma Machwitz. Ein afro-amerikanischer Dozent, der an der TU Braunschweig beschäftigt ist, hatte die Diskussion angestoßen und das Logo mit den drei Mohren als rassistisch bezeichnet sowie vom Kaffeeunternehmen verlangt, sich ein neues zu geben. Ein hannöverscher CDU-Lokalpolitiker, dessen Vater aus Gambia stammt, hatte für diese Kritik kein Verständnis. Für ihn ist das Logo ein Zeichen seiner Zeit und in seiner Bedeutung nicht mehr aktuell. Er wollte, dass es bleibt, weil es eine traditionelle Bedeutung hat. Bis heute hat sich am Logo nichts geändert. Die Diskussion wurde über mehrere Wochen hinweg geführt.

Hannover war vor ein paar Jahren auch der Austragungsort eines Streits, bei dem es um die korrekte Bezeichnung eines besonders in Betriebskantinen beliebten Gerichts ging: das Zigeunerschnitzel. Die Diskussion kam in Fahrt, als die Stadtverwaltung von Hannover beschloss, dass es an ihren Mittagstischen kein Essen mit diesem Namen mehr geben dürfe, weil man damit die Sinti und Roma diskriminiere. Seitdem gibt es dort Schnitzel Balkan Art oder Schnitzel Budapester Art. In der Öffentlichkeit ist heute generell von 'Sinti und Roma' die Rede, weil sich mit dem früher verwendeten 'Zigeuner' zu viele Vorurteile und Diskriminierungen verbinden. In Südosteuropa wollen die Sippen aber ausdrücklich als Zigeuner in der jeweiligen Landessprache bezeichnet werden, und auch bei den in Deutschland lebenden Sinti und Roma ist die Haltung nicht einheitlich. Ihr Verband spricht sich gegen diesen Begriff aus, die einzelnen Menschen nicht unbedingt. Bevor er selbst den Verband führte und mit dem Wort 'Zigeuner' nichts mehr zu tun haben wollte, hat dessen Vorsitzender allerdings für diese Volksgruppe selbst den Begriff öffentlich verwendet. 

Auch der Schriftsteller Stefan Zweig hat über die Vermeidung von "falschen" Begriffen in seiner Autobiographie Die Welt von gestern geschrieben. In der Zeit um 1900 war es für Frauen in Wien nicht schicklich, Hosen zu tragen. Wenn es sich doch einmal nicht umgehen ließ, diese Dinger beim Namen zu nennen, dann mussten die Damen zu Begriffen wie Beinkleid oder Die Unaussprechlichen greifen. Alles nur, um unbedingt eine erotisierende Ausdrucksweise zu vermeiden - obwohl das dauernde gedankliche Kreisen um die Vermeidung erotischer Wörter genau zum Gegenteil geführt haben dürfte. Und was sagt man heute? Wieder Hosen.

In der heutigen Zeit, in der die Inklusion hinter gefühlt jeder Ecke wartet, darf noch nicht mal Behinderte gesagt werden, ohne dass man sich schlecht zu fühlen hat. Die Begründung für soviel Political Correctness ist, dass sich die betroffenen Menschen dann auf diese eine Eigenschaft, das Behindertsein, reduziert fühlen. Das ist total lächerlich! Wenn Euch jemand als Mutter oder Vater bezeichnet, fühlt Ihr Euch dann nur auf den reproduktionsfähigen Menschen reduziert? Oder seid Ihr nicht gleichzeitig auch Schwester/Bruder, Tochter/Sohn, Freund/Freundin, Angestellter, Briefmarkensammler und was weiß ich noch alles? Statt Behinderte ist Menschen mit Behinderung jetzt gesellschaftlich opportun. Ja, für wen sind denn die Behindertengesetze, die Förderschulen, Rollstühle und Blindenstöcke? Für einflossige Goldfische oder schielende Aliens? Natürlich für behinderte Menschen! Und wenn ich schon mal dabei bin, den ganzen Quark in die Tonne zu treten: Ich habe auch kein Verständnis für den Quatsch mit dem "Schwer-in-Ordnung-Ausweis". Ja, ich weiß, dass diese Idee von einer Schülerin mit Trisomie 21 stammt. Aber ich muss eine Idee nicht bejubeln, nur weil sie von einer Behinderten stammt. Unter den Behinderten gibt es wie im Rest der Bevölkerung eine ganze Reihe prima Menschen und solche, die man am besten auf Armeslänge auf Abstand hält, damit sie einem nicht den Tag versauen. Behindert zu sein macht niemanden zu einem guten Menschen, manchmal würde ich sogar eher das Gegenteil vermuten. Ich fühle mich auch nicht "schwer in Ordnung": nicht körperlich, und bestimmt nicken auch diejenigen, die mich gut kennen, dass es da auch in meinem Charakter nervige Eigenschaften gibt.

Ich will die Dinge beim Namen nennen. Das heißt nicht, dass Meinungsverschiedenheiten in Schimpftiraden ausarten müssen, bei denen sich die Streitenden bei der Auswahl der Fäkalbegriffe überbieten. Empathie hat noch keinem geschadet. Aber wenn ich in einem Gespräch das Gefühl habe, ich muss mir die Zunge verknoten oder mir bleiben die Worte im Hals stecken, ist da etwas faul. Und ein Vorurteil wird nicht dadurch ausgeräumt, dass immer nur gesellschaftlich akzeptierte Begrifflichkeiten benutzt werden. In manchen Zusammenhängen drängt sich mir sogar der Verdacht auf, dass das Beharren auf politisch korrekten Begriffen (oder was manche dafür halten) auch zu einer Verstärkung von Ressentiments führen kann. Ich habe im Internet schon die eine oder andere Seite gesehen, die politische Korrektheit genüsslich ausgeschlachtet und sich ausdrücklich als inkorrekt inszeniert hat.

Wie handhabt Ihr das? Versucht Ihr, Euch politisch korrekt auszudrücken oder habt Ihr manchmal das Gefühl, Euch zu verbiegen?





Kommentare

  1. Diese politische Korrektheit führt sich selbst ad absurdum und macht Menschen, die sich auf Basis des gesunden Menschenverstands einfach nur nett unterhalten möchten, mundtot.

    Menschen, die man lange Zeit als "Blinde" bezeichnet hat, wollten irgendwann nicht mehr so genannt, sondern als "Sehbehinderte" bezeichnet werden. Nun sollen Behinderte als "Menschen mit Behinderung" bezeichnet werden. "Blinde" wurden also zunächst "Sehbehinderte", dann "Menschen mit Sehbehinderung".

    Ich fürchte, wir kommen mit der Umbenennung bald nicht mehr so schnell mit, wie uns eine Behinderung ereilen kann ...

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    1. Oh, spontan fällt mir noch ein neuer Sammelbegriff ein: "Menschen mit Lebenseinschränkungen (körperlich, geistig, psychisch; bitte ankreuzen, Mehrfachnennungen möglich). 😉

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  2. Die Diskussionen über genau diese Thematik führe ich auch schon seit Jahren mit meinem Umfeld. Die meisten Bekannten sind gegen diese Einschränkungen ohne erkennbaren Sinn. Ich habe manche Wörter in meinem Kopf abgespeichert ohne mir dabei irgendeine Beleidigung zu denken oder jemanden ausgrenzen zu wollen. Schliesslich esse ich kein Schnitzel mit Paprikasauce, um damit einem Sinti eins auszuwischen. Punkt.
    Dieses Thema zeigt den deutschen Charakter und die Probleme, die wir uns selbst anziehen.

    Die Namenssache der Firma Machwitz habe ich auch verfolgt. Ich komme ja auch aus Hannover.

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    1. Soweit ich das mitbekommen habe, ist die Diskussion dann im Sande verlaufen. Aber mir fällt gerade ein, dass es auch Diskussionen um den Sarotti-Mohr gegeben hat. Wie die ausgegangen sind, weiß ich aber nicht.

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