Sport mit Behinderung: Für manche Vereine Nebensache?

Symbolbild
Bis Ende 2016 gab es den Behindertensportverein
Hannover (BSH). 2017 wurde er zu einer Sparte bei Hannovers größtem Sportverein: "Handicapsport" heißt sie und bietet montags bis freitags außerhalb der Schulferien in zwölf Gruppen verschiedene Sportarten an.

Die Menschen, die die Betreuung dieser Gruppen übernommen haben, verfügen über eine Übungsleiterlizenz und bekommen eine Entschädigung, die Übungsleiterpauschale. Die Pauschale soll die Kosten z. B. für die Anfahrt decken und eine Anerkennung sein. Sie ist nicht so hoch, dass man sich ihretwegen für diese Tätigkeit entscheiden würde. Die Übungsleiter machen das, weil sie sich sinnvoll für eine Gemeinschaft engagieren möchten.

In meinem privaten Umfeld gibt es eine solche Übungsleiterin. Sie hat vor mehr als 20 Jahren damit begonnen, beim BSH Sport für behinderte Menschen anzubieten. Als der Wechsel zum großen hannoverschen Verein anstand, hat sie ihn mitgemacht.

Dann kam Corona. Die Pandemie hat in vielen Leben Dinge verändert, das Leben dieser Frau war da keine Ausnahme. Ihre berufliche Situation änderte sich komplett, als das Geschäftsmodell ihres Arbeitgebers von einem Tag auf den anderen nichts mehr wert war. Der Konzern schickte einen großen Teil seiner Belegschaft in die Kurzarbeit, um sich dann von dem Bereich, in dem die Frau arbeitete, zu trennen.

Sie hat nun wieder einen neuen Job, der im Gegensatz zum alten jedoch mit wechselnden Arbeitszeiten verbunden ist. Sobald der Verlust ihres früheren Arbeitsplatzes abzusehen war, wandte sie sich an den Verein und schilderte ihm in einer E-Mail ihre Lage: Sie erklärte, dass sie voraussichtlich im Spätsommer oder Herbst die beiden Sportgruppen nicht mehr betreuen kann, weil ihre Arbeitszeiten nicht mehr verlässlich sein werden. 

Das war im Januar 2022. Als nach einigen Monaten keine Rückmeldung kam, schrieb sie eine Erinnerung. Auch darauf hat im Verein niemand reagiert. Nun hat sie ihre Übungsleiter-Stelle gekündigt. Die behinderten Menschen, die von ihr seit vielen Jahren dazu motiviert wurden, jede Woche an diesen festen Termin zu denken und die zum Teil daran gearbeitet haben, den Weg vom Wohnheim zur Sporthalle selbstständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen, haben auf diese Nachricht betroffen und enttäuscht reagiert.

Der Verein hatte monatelang Zeit, mit der bisherigen Übungsleiterin in Kontakt zu treten oder sich um eine Nachfolge zu kümmern. Aber er hat absolut nichts getan. Wie soll man dieses Verhalten bewerten? Den behinderten Menschen wird gezeigt, dass sie im Vereinsleben höchstens eine Fußnote sind, der Übungsleiterin wird nonverbal klargemacht, dass ihre Arbeit nicht wertgeschätzt wird. Sie wird ihre Arbeit sang- und klanglos beenden.

Das, was ich darüber denke, lässt sich nicht in freundliche oder wenigstens neutrale Worte fassen. Es ist einfach eine Sauerei.


Foto: Andi Weiland | Gesellschaftsbilder.de 

Kommentare

  1. Sauerei trifft es schon ganz gut, was da in diesem Verein abgeht. Lizenzierte Übungsleiter wachsen nicht auf Bäumen. Und im Behindertensport wahrscheinlich erst recht nicht.
    LG
    Sabiene

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    1. Ich empfinde das Verhalten des Vereins auch als völlige Unverschämtheit und Instinktlosigkeit. In diesem Verein steht der Fußball an erster Stelle, selbstverständlich der der Nicht-Behinderten.

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