Das "Feigenblatt" zwischen dem Herren- und dem Damenklo

Neulich war ich mit meinem Mann spontan in einem Lokal in Hannover. Wir kannten es schon von früheren Besuchen, aber bisher musste ich dort noch nie aufs "stille Örtchen". An diesem Tag schon. Ich war überrascht, dass an einer der Toilettentüren ein Rollstuhlsymbol klebte: Wie schön, dass der Inhaber auch an die weniger mobilen Gäste gedacht hatte.
Nach dem Öffnen der Tür war ich ernüchtert: Rollstuhlfahrer wären hier gescheitert, denn da, wo seitlich des WC Platz für den Rollstuhl sein sollte, stapelten sich Sitzpolster.
Am Waschbecken verfestigte sich der Eindruck, dass das Konzept "Behinderten-WC" nicht verstanden oder ignoriert wurde: Ein Unterschrank verhinderte, dass man mit einem Rollstuhl unter den Waschtisch hätte fahren können. Das Problem, den Einhebelmischer zu erreichen, wurde noch dadurch verschärft, dass es sich um ein Standardmodell mit kurzem Hebel handelte.

Gestern bin ich mit einer Freundin in einer Strandbar in meinem Wohnort gewesen. Nach drei großen Alsterwassern musste ich unbedingt "um die Ecke". Auch dort war eine Behindertentoilette, auch sie war eine Enttäuschung. Klar, der Wickeltisch gehört unbedingt an einen Ort, der von Menschen benötigt wird, die wegen ihrer Einschränkung erst im letzten Moment merken, dass der Gang aufs Klo jetzt eine richtig gute Idee wäre. Dass neben der Toilette kaum Platz ist: wen interessiert's? Und natürlich muss der Raum auch hier als Lager herhalten. Es war gut, sich vor der Benutzung zu orientieren, wo das, was man in den nächsten Minuten brauchen würde, deponiert worden war: Da ich im Umfeld des Waschtischs keine Papierhandtücher oder einen Handtrockner entdecken konnte, sah ich mich um und entdeckte tatsächlich einen Stapel Papiertücher - oben auf der Vorwandinstallation. Unerreichbar für Menschen im Rollstuhl, mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit, mit eingeschränkter oder gar keiner Sehfähigkeit, für kleinwüchsige Menschen.

Ich komme glücklicherweise noch in normalen Toiletten zurecht, aber das wird sich irgendwann ändern. Dann wird es noch schwieriger, als es jetzt schon ist, einfach unbeschwert ein Lokal zu besuchen - ohne mit beginnendem Blasendruck den Heimweg antreten zu müssen. Die Gleichgültigkeit und Gedankenlosigkeit raubt mir wirklich den letzten Nerv; diese Unfähigkeit oder der Unwille, sich in die Situation anderer Menschen hineinzuversetzen oder sich zumindest beraten zu lassen. Wertschätzung sieht ganz anders aus.

Hätte ich mich in den beiden Gaststätten über die Behindertentoiletten beschweren sollen? Ich sehe im Geiste, wie jetzt manche bestätigend nicken. Ernsthaft: Wenn ich mich jedes Mal, wenn mir auffällt, dass an die Situation behinderter Menschen nicht gedacht wird, zu Wort melden würde, wäre ich längst an einem Magengeschwür oder einem Herzinfarkt gestorben. Ich wollte diese beiden Besuche einfach nur genießen, ohne meinen Blutdruck in die Höhe zu treiben - wie alle anderen Gäste auch.

Aber hey, Gastronomen, wenn ihr mich mal in eurem Lokal seht: Ihr könnt mich gern ansprechen, was besser ginge. Ich würde mich freuen, weil ich dann endlich echtes Interesse bemerken würde. Bis dann, irgendwann.

Photo credit: Leonard J Matthews on VisualHunt.com

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