Wie genau soll Journalismus sein?

Ich lese ziemlich viele Nachrichten, sowohl als
Meldungen im Internet als auch in von mir abonnierten Zeitungen oder Zeitschriften. Auf meinem Smartphone befinden sich mehrere Nachrichten-Apps, darunter auch eine ziemlich bekannte mit einem rot-weißen Logo.

Von den Medien, deren Artikel ich lese, erwarte ich, dass sie mit grundlegenden Fakten vertraut sind. Nein, es geht mir dabei nicht um Corona und Begriffe wie Inzidenz oder Virenlast, sondern um Sachverhalte, die viele aus der Schule kennen sollten, wenn sie dort nicht gelangweilt und nasebohrend aus dem Fenster gesehen haben.

Seit vorgestern ist Olaf Scholz Bundeskanzler. Da darf dann auch der Blick auf seine Frau nicht fehlen. Im oben genannten Nachrichtenportal, das für sich mit dem Slogan "Nachrichten seriös, schnell und kompetent" wirbt, wurde Britta Ernst als "neue First Lady" bezeichnet. 'Stimmt doch gar nicht', könntet ihr nun einwerfen, wenn ihr der Verlinkung gefolgt seid, 'da steht doch Kanzlergattin'. Genau. Die Umformulierung fand statt, nach dem ich die Autorin dieses Artikels über Twitter kontaktiert und ihr geschrieben habe, dass der deutsche Bundeskanzler "nur" die Nummer 3 in der Regierungshierachie ist. Die First Lady ist die Frau des Bundespräsidenten, derzeit Elke Büdenbender.

Schon nach wenigen Minuten hat die Journalistin reagiert: Der Text sei jetzt redaktionell angepasst, aber diese Formulierung gebe es in vielen Medien. Als Beleg fügte die Journalistin einen Link zu einem Artikel über Britta Ernst in der überregionalen Süddeutschen Zeitung an, der tatsächlich ebenfalls von der Kanzlergattin als First Lady sprach. 

Ein paar Minuten später bekam ich von ihr eine weitere Mitteilung, in der sie sagte, dass "sehr viele Medien!" diese Formulierung verwendeten. Jetzt war ich neugierig geworden und gab bei Google Britta Ernst First Lady ein. Die Liste war wirklich sehr lang. Ob es die Frankfurter Allgemeine Zeitung, der Stern, der Focus oder die Berliner Zeitung sind: Es wirkt, als würden Nachrichtenseiten der Zeitungen voneinander abschreiben. Ich vermute, das ist auch so.

Man könnte nun einwenden, dass das Herumreiten auf diesem Detail an Haarspalterei grenzt und völlig überflüssig ist. Na klar, ich könnte diese Kritik verstehen. Aber wenn ich mich umsehe, erkenne ich oft, wie wenig Menschen darüber wissen, wie unser Staat funktioniert. Was macht unsere Demokratie aus? Wer sind unsere gewählten Vertreter? Wer wählt wen? Wer ist wofür zuständig? Warum dauern demokratische Prozesse relativ lange?

In den Diskussionen über staatliches Handeln wird immer wieder deutlich, dass es vielen an Grundwissen fehlt. In den Medien liest man immer  wieder von der PISA-Studie und den Bildungsmängeln, die sie offenlegt, oder von Ausbildungsbetrieben, die die Ausbildungsfähigkeit der jungen Menschen beklagen. Auch das, was derzeit gesellschaftliche Randgruppen äußern, lässt daran zweifeln, dass sich deren Mitglieder jemals ernsthaft mit politischer Bildung beschäftigt haben. Ich finde, dass man da insbesondere von reichweitenstarken Medien erwarten kann, dass sie sich um Korrektheit bemühen, damit nicht noch mehr Unsinn in die Welt gelangt.

Das Beispiel, das heute zu diesem Artikel geführt hat, ist nur eines von etlichen, die mir immer wieder aufgefallen sind. Darum wünsche ich mir, dass Medien hier sorgfältiger arbeiten, um ihren Beitrag zum Wissen ihrer Leserinnen und Leser zu leisten.

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