Orange Day 2021 - ein Zeichen gegen die Gewalt setzen, der Frauen täglich ausgesetzt sind

Heute ist der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Der 25. November 1960 war der Tag, an dem die drei Schwestern Patria, Minerva und María Mirabal ihren Protest gegen den damaligen Diktator der Dominikanischen Republik, Rafael Trujillo, mit dem Leben bezahlt haben. Ihrer Ermordung waren monatelange Folterungen vorausgegangen.

Feministinnen aus Lateinamerika und der Karibik riefen 1981 den 25. November zum Gedenktag für die Opfer von Gewalt an Frauen aus. Die Vereinten Nationen erklärten diesen Tag 1999 dann zum internationalen Gedenk- und Aktionstag. Manchmal dauert es ein bisschen länger, bis Bewegung in eine Sache kommt.

In meiner Wahrnehmung hat das Thema zumindest in Deutschland erst in den letzten Jahren mehr Aufmerksamkeit bekommen. Auch die Medien, die für Körperverletzungen oder gar Tötungen von Frauen lange Zeit Begriffe wie "Ehrenmord", "Familientragödie" oder "Eifersuchtsdrama" benutzt hatten, werden in ihren Formulierungen allmählich klarer und benennen die Taten als das, was sie sind: Morde, Körperverletzungen, Vergewaltigungen.

Besonders in Partnerschaften leben Frauen gefährlich. In ihrem Zuhause, das doch ein beschützender Ort sein sollte, werden viele Frauen von ihren derzeitigen oder Ex-Partnern tätlich angegriffen. Kürzlich wurden Zahlen des Bundeskriminalamts veröffentlicht. Danach gab es 2020 deutschlandweit 146.665 bekannte Fälle von Partnerschaftsgewalt, im Vergleich zu 2019 ein Anstieg von 4,9 Prozent. Ja, es gibt auch Männer, die Opfer von derartigen Angriffen werden. Allerdings stellt die BKA-Statistik auch fest: 80,5 Prozent der Opfer waren Frauen, 79 Prozent der Tatverdächtigen Männer.

Im Durchschnitt wird in Deutschland etwa alle 4,5 Minuten eine Frau Opfer von Partnerschaftsgewalt. Alle zweieinhalb Tage kommt eine Frau infolge dieser Gewalt ums Leben; in der EU sterben pro Woche 50 Frauen infolge von Gewalt, die vom Partner ausgeübt wird. Jede dritte Frau in Deutschland erlebt mindestens einmal in ihrem Leben häusliche Gewalt. 
2018 wurde etwa alle drei Tage eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet. Die Zahl der zur Anzeige gebrachten Gewalt gegen Frauen lag im selben Jahr bei 114.393 Fällen. Der Trend ist nicht zu übersehen.

Gewalt gegen Frauen kommt quer durch alle sozialen Gruppen vor, sie hat nichts mit Armut oder Reichtum zu tun. Meistens geht es um Machterhalt und Kontrolle. Viele Frauen wehren sich aus unterschiedlichen Gründen nicht dagegen: Sie haben beispielsweise Angst davor, von ihren Männern vor die Tür gesetzt zu werden und sich allein um ihre Kinder kümmern zu müssen. Oft werden sie auch mit Drohungen zum Schweigen gebracht oder wissen nicht, wo sie mit Hilfe rechnen können. 

Auf der Homepage des Deutschen Bundestags habe ich gesehen, dass im Juni 2021 mehrere Anträge, die sich damit beschäftigten, die Situation von Frauen zu verbessern, abgelehnt wurden. Da ging es zum Beispiel um den Ausbau der Frauenhäuser, die Erweiterung der Förderrichtlinien des Bundesinvestitionsprogramms "Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen", die Schaffung eines digitalen Abfragesystems auf der Suche nach freien Schutzplätzen oder Beratungsangebote für von Gewalt betroffene Frauen. Alle Anträge, die sich mit konkreten Maßnahmen beschäftigten, wurden abgelehnt. Bei den Ablehnenden waren CDU/CSU, SPD und AfD immer vertreten. Nur ein einziger Antrag, in dem sich die FDP für eine Folgestudie zu Zwangsheiraten in Deutschland einsetzte, wurde an den Familienausschuss weitergereicht. Muss man das verstehen?

Ich halte den heutigen Aktionstag für richtig, habe allerdings die Befürchtung, dass mit ihm ebenso umgegangen wird wie mit dem Weltfrauentag am 8. März: Es gibt Aktionen, viele Reden, zahlreiche Reportagen, reichlich Betroffenheit und dann wieder ein Jahr Schweigen - bis im darauffolgenden Jahr erneut Gebäude unter dem Motto "Orange Day" beleuchtet werden. In diesem Jahr werden es in Hannover 27 sein. Wie viele Menschen, die das sehen, werden wohl wissen, was dahintersteckt? 

Nachtrag: In meinem Blog Inas Bücherkiste habe ich das Buch Alle drei Tage von Laura Backes und Margherita Bettoni vorgestellt, das sich mit dieser Thematik beschäftigt. 

Zum Weiterlesen: Die EU hat vor einem Jahr eine Studie veröffentlicht, die sich mit der Gewalt an Frauen und der häuslichen Gewalt in Europa beschäftigt. Sie ist allerdings auf Englisch verfasst.


Foto: MART PRODUCTION von Pexels

Kommentare

  1. Mein Mann hat sich in den letzten Tagen erstmal intensiver mit dem Thema befasst und musste mich gleich mal fragen, ob ich meine, dass das alles stimmt. ;-)
    Das Schlimme ist ja gleichzeitig auch, dass durch die Corona-Lage sich die Fälle von Gewalt häufen.
    LG
    Sabiene

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    1. Ja, die Menschen verbringen mehr Zeit zu Hause. Da gibt es mehr Gelegenheiten, ohne Zeugen Gewalt auszuüben. Wann wird die Gewalt gegen Frauen ein Ende haben? Ich befürchte, dass wir beide das nicht mehr erleben werden.
      LG
      Ina

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