Motherhood Lifetime Penalty - Was ist das denn nun schon wieder?

Wenn es darum geht, der (Un-)Gleichheit zwischen
den Geschlechtern soziologisch nachzugehen, werden immer mehr Ausdrücke verwendet, die sich nicht sofort erschließen. "Gender Pay Gap" ist ein Begriff, den die meisten schon mal gehört haben werden. Damit ist die geschlechtsspezifische Lohnlücke gemeint, die sich bei einem Vergleich der durchschnittlichen Bruttogehälter von Frauen und Männern auftut. Das ist mit dem folgenden Begriff anders.

Ich habe in einem sozialen Netzwerk einige Accounts abonniert, die sich mit Geldanlagen beschäftigen. Dort bin ich bei der Seite 'Fortunalista' der Finanzkolumnistin Margarethe Honisch  kürzlich zum ersten Mal auf den Begriff "Motherhood Lifetime Penalty" gestoßen, zu Deutsch etwa "lebenslange Strafe für Mutterschaft". Das hört sich nach reichlich Drama an, aber das Thema ist tatsächlich ernst. Ich konnte damit zunächst nichts anfangen und habe die Definition nachgelesen: Gemeint ist die Einkommenslücke zwischen Müttern und kinderlosen Frauen im Laufe eines Lebens.

Noch in meiner Generation (meine Kinder sind jetzt Mitte 20) war es normal und üblich, dass die Mütter (im Westen Deutschlands) nach der Geburt des ersten Kindes eine Weile zu Hause blieben und später - wenn überhaupt - in Teilzeit arbeiteten. Heute unvorstellbar: Niemand hat sich damals darüber ernsthaft den Kopf zerbrochen, welche Nachteile das hat. Auch nicht die betroffenen Mütter, obwohl sie das dringend hätten tun müssen. Wenn ich heute sehe, wer hier mittags vor der Grundschule auf die Kinder wartet, befürchte ich, dass sich daran nicht besonders viel geändert hat.

Zurück zum Thema. Honisch greift auf ihrer Website und auch auf ihrem Instagram-Account eine Studie der Bertelsmann-Stiftung auf, die nicht nur zu dem wenig überraschenden Ergebnis kommt, dass das Mutter-Sein das Lebenserwerbseinkommen von Frauen deutlich verringert; die Stiftung hat darüber hinaus eine Zahl ermittelt, die mich schockiert hat: 1982 geborene Frauen (Westdeutschland) mit einem Kind haben im Vergleich zu kinderlosen Frauen einen mehr als 40-prozentigen Verlust an Lebenserwerbseinkommen, Frauen mit drei und mehr Kindern büßen sogar fast 70 Prozent ein. Im Vergleich zu 1971 geborenen Frauen hat sich die Lücke sogar ungünstig entwickelt. Die Zahlen für Ostdeutschland (Geburtsjahr 1982) weichen davon etwas ab, einen wesentlichen Unterschied gibt es aber nicht. Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen rechnen in Zukunft mit einer Verschärfung dieses Unterschieds - die Corona-Pandemie wirkt da noch zusätzlich.

Das liegt unter anderem an einem immer noch populären Lebensmodell, das dem Mann die Rolle des 'Ernährers' zuspricht. So haben junge Mütter zwar Bildungsabschlüsse, die mit denen der Männer auf einem Niveau sind, aber in der Mutterrolle ebenso wie die Generationen vor ihnen lange Phasen der Teilzeitbeschäftigung oder beruflichen Passivität. Außerdem werden Mütter diskriminiert (Einstellungs- und Aufstiegschancen) und kümmern sich um alle Familienangelegenheiten - was eventuell innerhalb der Familie wertgeschätzt wird, aber nun mal keinen einzigen Euro Einkommen und damit keinen Rentenanspruch generiert. Auf das Lebenseinkommen von Männern hat die Vaterschaft praktisch keinen Einfluss.

Ich verkneife mir, für mich selbst hochzurechnen, was ich hätte verdienen können, wenn... Ich war selbst wegen meiner Kinder mehrere Jahre nicht im Beruf und habe danach nur noch in Teilzeit gearbeitet. Der Kindergarten musste je nach täglicher Aufenthaltsdauer bezahlt werden, die Kosten für das Mittagessen kamen noch dazu. In der Grundschulzeit war um 13 Uhr Schulschluss, danach hätten die Kinder in den Hort gehen können. Da das aber relativ teuer war und ich gesehen hatte, wie wenig ernst die Hausaufgabenbetreuung genommen wurde, habe ich damals darauf verzichtet. Die Bedingungen für Familien wurden zumindest hier erst Jahre später besser. 

Aus dem tradierten Rollenmodell herauszukommen, scheint vielen Eltern immer noch schwer zu fallen. In meiner Generation gab es Eltern, die dieses konservative Modell gelebt haben, obwohl die Mutter mehr als der Vater verdient hatte. Warum? Darauf hat diese Mutter nur mit einem Achselzucken geantwortet. Es entsprach einfach ihrer Vorstellung von einem normalen und geordneten Familienleben.

Das hier ist kein Plädoyer gegen Familiengründungen. Ohne Familien ginge es nicht nur unserer Gesellschaft schlechter, sondern auch uns selbst. Kinder sind Zukunft, ohne sie wäre unser Leben ärmer; dass dieser Satz von so vielen Seiten schon gesagt wurde, macht ihn nicht unwahr. Aber es darf nicht sein, dass die Mutterschaft immer noch Frauen ins berufliche und damit finanzielle Abseits katapultiert.
Was spricht dagegen, dass Eltern ihre Arbeitszeit fair aufteilen? Was ist dagegen zu sagen, dass familiär bedingte berufliche Auszeiten des einen Elternteils vom verdienenden Elternteil wenigstens teilweise finanziell kompensiert werden? Was spricht dagegen, darüber nachzudenken, wie der Staat einen angemessenen Ausgleich für die sog. Care-Arbeit finden kann, weil sie nicht nur der Familie guttut, sondern auch ein Dienst an der Gesellschaft ist?

Es ist ein bisschen wie beim Klimaschutz: Viele finden, dass man da doch etwas tun müsste. Es darf aber nicht zu unbequem werden. Ach ja: und zu teuer natürlich auch nicht.


Foto: Foto von Sarah Chai von Pexels

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