Is anybody out there? Warum Schutzengel Turboflügel haben sollten

Schutzengel ;-)
Ich hatte heute einen Termin in einem östlichen
Stadtteil Hannovers. Einfache Strecke mit dem Fahrrad von meinem Wohnort bis dorthin: etwa neun Kilometer. Die insgesamt achtzehn Kilometer hatten teilweise den Charakter einer Mutprobe.

Warum? Weil es -zig Menschen gab, die sich verhalten haben, als seien sie ganz allein auf der Welt. Totales Erstaunen, dass in einer Stadt mit einer halben Million Einwohnerinnen und Einwohnern plötzlich ein anderer Mensch in den eigenen Orbit eindringt!

Ich habe nicht gezählt, wie oft Autos aus Einfahrten, an die ein Fuß- und ein Radweg grenzten, herausgeschossen kamen. Zum abrupten Stehen kamen sie oft erst, wenn ich parallel zum Bremsvorgang geklingelt und gebrüllt habe. Ja, ich habe die Nase von diesen Leuten mittlerweile so voll, dass ich mit geschätzt 80dB meine zarte Stimme erhebe. Das funktioniert einwandfrei, ich werde sogar in geschlossenen Fahrzeugen mitten in der Innenstadt gehört. Aber die Gesichter, die sich mir dann mit einem Ausdruck zuwenden, der zwischen erstaunt und erschrocken liegt, wirken so, als hätte man die Menschen aus einer Trance gerissen. Merken die nicht, dass sie ab dem Moment, in dem sie sich mit Autos in den Verkehr einreihen, eine Verantwortung auch für andere haben?

Mir gehen auch diejenigen auf die Nerven, die ihre Fahrzeuge wie selbstverständlich auf dem Radweg oder dem sogenannten Schutzstreifen abstellen. Diese Schutzstreifen verlaufen abstandslos parallel zu viel befahrenen Straßen. Werden sie zugeparkt, muss man sich als Radfahrer irgendwie in den fließenden Autoverkehr einreihen. Schade nur, dass man keine Knautschzone hat. 

Den heutigen Hauptpreis für das Leben in einem Paralleluniversum bekommt der Autofahrer, der mich mit seinem Anhänger überholt hat und eine Kleingartenkolonie ansteuerte. Mein Nachhauseweg führte dieselbe Strecke entlang, die auch er genommen hatte. Ich sah noch, wie er etwa 200 Meter vor mir abbremste, einige Meter zurücksetzte und in die Einfahrt eines mit einer hohen Hecke eingefassten Parkplatzes fuhr.

Kennt ihr dieses komische Gefühl, das euch sagt, dass ihr auf der Hut sein müsst? Das hatte ich, als ich mich diesem Parkplatz immer weiter näherte. Vor und hinter mir war kein Verkehr, deshalb fuhr ich fast auf der Mitte der schmalen Straße. Das hat mir vermutlich einen Unfall erspart. Eine Sekunde, bevor ich die Parkplatzeinfahrt passiert hatte, schoss der Pkw aus ihr heraus. Ich weiß nicht, ob er mich zuerst gesehen oder mein gebrülltes "EY!" gehört hat. Der Fahrer trat voll auf die Bremse und kam knapp neben mir zum Stehen. Wäre ich brav ganz rechts gefahren, wären wir zusammengestoßen. Und das, obwohl er mich kurz zuvor überholt hatte und damit rechnen musste, dass ich bald auftauche. Wie blöd muss man sein?

Ich war froh, als ich heil zu Hause angekommen war. Aber ich frage mich tatsächlich, wie es sein kann, dass man derart gedankenlos durch die Gegend irrlichtert und den Kopf nur nutzt, um eine Mütze oder eine Brille aufzusetzen.

Vor etwas mehr als zwei Jahren wurde in der hannoverschen Stadtverwaltung die Montage von Bodenampeln an Stadtbahnhaltestellen diskutiert, um Menschen, die ihren Blick nicht von ihrem Smartphone lösen können und dauernd nach unten schauen, vor Unfällen beim Überqueren der Gleise zu bewahren. Augsburg und Köln hatten zu diesem Zeitpunkt schon einige Exemplare montiert. Wie sinnvoll ist es, Heranwachsende oder Erwachsene wie Kleinkinder zu behandeln und ihr schlechtes Verhalten durch solche Konstruktionen noch zu unterstützen? Und: Wenn der Staat darüber nachdenkt, seine Bürgerinnen und Bürger de facto wie unmündige Wesen zu behandeln, warum dann nicht dort, wo ein Risiko, zu versterben, statistisch viel höher ist? 

Die Zahl der bei Haushaltsunfällen ums Leben gekommenen Menschen ist fast viermal so groß wie die der Menschen, die bei einem Verkehrsunfall zu Tode gekommen sind (2019; Statistisches Bundesamt). Der Logik folgend, die zur Montage von Bodenampeln geführt hat, könnte man z. B. über Sicherheitsgurte an Haushaltsleitern nachdenken. Auch Fahrräder, die sich erst benutzen lassen, wenn Fahrer oder Fahrerin einen Helm auf dem Kopf haben, wären eine Überlegung wert. Albern? Nicht mehr als die Bodenampeln. 
Eine Untersuchung hat übrigens ergeben, dass Bodenampeln die Smartphone-Hardcorefans nicht davon abhalten, bei Rot über die Gleise zu gehen.

Jetzt bin ich etwas abgeschweift. Aber ich musste hier jetzt einfach mal ein bisschen Dampf ablassen. Klar, dass ich auch in Zukunft höllisch aufpassen werde. Und ich nehme mir vor, nett zu meinem Schutzengel zu sein. Er wird schließlich noch gebraucht. 😉

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