Jeder braucht einen Hausarzt

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Vor drei Jahren ist unser langjähriger Hausarzt in den Ruhestand gegangen. Er hat das nicht vorher angekündigt, sondern war für seine Patienten von einem Tag auf den anderen weg. Ungefähr zwanzig Jahre ist unsere ganze Familie wegen kleinerer und größerer Zipperlein zu ihm gegangen, wir hätten uns nach dieser langen Zeit wenigstens gern von ihm verabschiedet.

Seine Nachfolgerin hat in unserem örtlichen Mitteilungsblatt eine Anzeige geschaltet und den Tag ihrer Praxisübernahme angekündigt. Aber geht man automatisch zu einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger, nur weil man mit dem Vorgänger gut zurechtgekommen ist?

Für mich spielten da nicht nur die fachliche Kompetenz und der Umgang mit den Menschen eine Rolle, sondern auch die Erreichbarkeit. Die Praxis liegt im Hochparterre eines Mehrparteienhauses. Das geht an normalen Tagen auch dreibeinig, aber was ist in ein paar Jahren? Gehe ich dann noch oder rolle ich schon? Die wichtigsten Ärzte wechselt man ja im Allgemeinen nicht alle Nase lang. 

Die Erreichbarkeit ist mir sehr wichtig. Wenn ich mich mies fühle, will ich schnell in der Arztpraxis und nicht auf das Auto (Öffis fallen mir schwer) angewiesen sein.
Nun ist es nicht so, dass unser Viertel mit Hausärzten unterversorgt wäre. Außer der Nachfolgerin unseres früheren Arztes hatten nur ein paar Meter weiter zwei junge Ärztinnen die Praxis eines Arztehepaars übernommen, dass sich ebenfalls in den Ruhestand verabschiedet hatte. Ich habe die beiden nicht kennengelernt: Zu den Praxisräumen kommt man nur über eine lange Außentreppe, auf die ich gut verzichten kann.

Von dort aus sind es wieder nur einige Meter bis zur dritten hausärztlichen Praxis. Diese ist von uns aus gut zu erreichen und barrierefrei. Der Haken: Ich mag die Ärztin nicht. Ich habe sie hin und wieder aufgesucht, wenn "mein" Arzt im Urlaub war, und kam mit ihrer Art, mit mir umzugehen, nicht zurecht. 

Ein Besuch beim Hausarzt ist keine "Wellness". Er ist nötig, und die Hausarztversorgung spielt in allen Kommunen eine große Rolle. Wenn eine Arztpraxis neu eingerichtet und eröffnet wird, muss sie den Vorgaben an die Barrierefreiheit entsprechen. Eine bereits bestehende Praxis, die von einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger übernommen wird, muss gar nicht entsprechend umgebaut werden. Treppen vor dem oder im Haus können ebenso bleiben wie enge Toiletten oder schmale Türen. Gleiches gilt auch für andere Arztpraxen wie z. B. die von Kinder- oder Zahnärzten.

2020 hat die Bundestagsfraktion "Die Linke" in einer Kleinen Anfrage wissen wollen, wie es um die barrierefreie Erreichbarkeit von Arztpraxen bestellt ist. Die Antwort der Bundesregierung (s. Seite 95 f.) hat mich nicht überrascht: Zwei Drittel der Standorte verfügen nicht über barrierefreie Merkmale. Da ist es Essig mit der freien Arztwahl.

Ich habe die Entscheidung, zu welcher Hausarztpraxis ich künftig gehen werde, lange vor mir her geschoben. Letztendlich wurde es dann doch die Nachfolgerin meines Hausarztes - trotz der Treppe vor der Praxistür. Ich hoffe einfach, dass es die nächsten Jahre gutgeht. Aber die Situation bleibt unbefriedigend: Diejenigen, die aufgrund ihrer Einschränkungen möglicherweise einen höheren Bedarf an ärztlicher Unterstützung haben, stehen buchstäblich vor Barrieren. Und daran wird sich auch so bald nichts ändern, weil in der Politik keine Bereitschaft erkennbar ist, daran etwas zu verbessern.

Kommentare

  1. Ich habe den Hausarzt gewechselt, weil ich nicht mehr stundenlang im Wartezimmer sitzen wollte. Zum Glück gibt es in unserem Dorf noch einen anderen Arzt. Hier wartet man nicht lange, weil die Organisation der Mitarbeiter stimmt. Der Arzt holt seine Patienten sogar persönlich im Wartezimmer ab. Ich bin sehr zufrieden. Übrigens, die Praxis ist im Erdgeschoss und gut für Leute mit Problemen beim Gehen geeignet.
    Zufriedene Grüße von Ingrid, der Pfälzerin

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    1. Das ist toll, dass du zufrieden bist und sich der Wechsel gelohnt hat. Vielleicht sollte ich in deine Nähe ziehen und auch in dieser Praxis Patientin werden? ;-)
      Liebe Grüße in die Pfalz
      Ina

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