Was schon vor 30 Jahren BLÖD war, ist es immer noch.

Du bist eine Frau, seit einigen Jahren verheiratet und hast zwei Kinder. Du bist in deinem Beruf (Anwältin) eine der besten und erfolgreichsten Frauen der Welt. Deinen ersten Job hast du in einer amerikanischen Anwaltskanzlei, die zu den international profitabelsten gehört. Der nächste Job führt dich nach Den Haag: Du bist dort Anwältin beim Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien. Dort wurden z. B. die Kriegsverbrecher Milan Babić oder Slobodan Milošević angeklagt und verurteilt.

Deine bekanntesten Mandanten hießen Julian Assange oder Julija Timoschenko. Du vertrittst immer wieder erfolgreich Frauen, die im Irak und in Syrien von Anhängern des ISIS vergewaltigt und gefoltert werden. Und dann, im Juni 2021, gewinnst du in Deutschland einen Prozess für eine jesidische Mandantin, der eben das passiert ist. Du schlägst ein Blatt auf, das sich selbst als Zeitung bezeichnet, und siehst neben einem Foto von dir diesen Satz:

"Amal Clooney (43), die Frau von Hollywood-Star George Clooney (60), vertritt regelmäßig Angehörige von Opfern der Terror-Organisation ISIS."

Ich habe an dieses Printmedium keine Erwartungen und hatte auch nie welche. Schon vor 30 Jahren gab es die geflügelte Redewendung: "BILD sprach zuerst mit dem Toten." Der Ruf ist also nicht erst seit Kurzem schlecht. Trotz dieses ausbaufähigen Niveaus ärgert mich immer wieder, wenn eine Frau - erst recht eine so erfolgreiche und unabhängige wie Amal Clooney - als Anhängsel ihres Mannes genannt wird. So, als würde man sie dadurch aufwerten, wenn man ihren Mann ins Spiel bringt.

Die Tagesschau hat 2016 anlässlich eines Treffens des Ehepaars Clooney mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Situation hingegen treffend beschrieben:

"Bundeskanzlerin Merkel hat sich heute mit der international renommierten Menschenrechtsanwältin Amal Clooney getroffen, um über die Flüchtlingskrise zu sprechen. Clooney kam in Begleitung ihres Mannes, einem Schauspieler."

Viele haben diese Formulierung für einen Witz oder eine Satire gehalten. Das war sie aber nicht. Amal Clooney engagiert sich schon länger als ihr Mann für Flüchtlinge. Doch alle anderen Medien, bei denen ich stichprobenartig nach dieser Meldung gesucht habe, betrachteten Frau Clooney nur als schmückendes Beiwerk, obwohl sie über die deutlich größere fachliche Expertise verfügt. Leider wurde überall dasselbe Foto verwendet, das von einem Fotografen der Bundesregierung aufgenommen wurde. Darauf sieht man, wie George Clooney gestisch unterstützt etwas sagt und ihm seine Frau und Angela Merkel aufmerksam zuhören. 'Bilder sagen mehr als tausend Worte' heißt eine bekannte Redewendung. In diesem Fall muss man sagen: leider.

Kommentare

  1. Das ist ein Beitrag, der mich nachdenklich macht. Habe ich mich doch kürzlich wieder über die Ungerechtigkeiten bei der Behandlung von Mann / Frau geärgert. Beruflich leide ich darunter schon vierzig Jahre.
    Als ich geboren wurde, durfte eine Frau nur berufstätig sein, wenn es der Ehemann erlaubte. Ich glaube, damals hatten die Frauen auch noch kein Wahlrecht.
    Immerhin hatten wir jahrelang eine Bundeskanzlerin (noch) und in Rheinland-Pfalz eine Ministerpräsidentin (wieder gewählt für eine weitere Amtsperiode). Nun ist unter den Kanzlerkandidatinnen wieder eine Frau. Mal sehen, ob sie es schafft, das Amt zu erringen!
    Nachdenkliche Grüße von Ingrid, der Pfälzerin

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    1. Vor ein paar Jahrzehnten war es ja auch normal, dass die Ehefrauen als "Frau von..." vorgestellt wurden. Aber da denkst du, dass diese Zeit so langsam mal abgehakt ist, und dann kommt die BILD daher...
      Immer noch optimistische Grüße von der Niedersächsin :-)

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  2. Solche Formulierungen stören mich auch immer wieder... Mag sein, dass George Clooney beim Klientel der BILD bekannter ist, als Amal mit ihrem Tätigkeitsfeld, aber ja: es wäre schön, wenn solche Formulierungen der Vergangenheit angehören würden.

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