Mit einem Computer spart man richtig viel Zeit. Ach was...

Ich mache eine ganze Menge am Laptop: einkaufen, Texte verfassen, E-Mails lesen und schreiben, Überweisungen durchführen oder mich in einigen sozialen Netzwerken umsehen zum Beispiel. Einer der Gründe für den Siegeszug der digitalen Technik ist die deutliche Zeitersparnis. Das wurde so oft propagiert, dass es stimmen muss. Leider deckt sich das nicht unbedingt mit meinen täglichen Erfahrungen.

Zeitfresser Mail-Postfach

Ich mache das Mail-Programm auf und rolle das erste Mal mit den Augen: Auf dem Mail-Server tummeln sich neben den erwünschten Nachrichten auch Spam-Mails. Die meisten davon sind artig in den Spam-Ordner einsortiert worden, aber leider fehlt dem Programm die Cleverness, das in jedem Fall richtig zu tun: Im Spam-Gewusel ("endlich größere Brüste", "100 % Garantie: Hiermit steht er er länger!", "Ina, du hast eine Million Euro geerbt! Melde dich sofort bei mir!") lungern auch ein paar Mails herum, die dort nichts zu suchen haben. Der Inhalt des Spam-Ordners kann also nicht flott pauschal gelöscht werden, sondern muss wenigstens noch überflogen werden.

Im normalen Posteingang sind jedoch auch Spam-Mails, die sich durch irgendein Schlupfloch dort hineingeschlichen haben. Also weiter mit der Löschorgie. Der Blick auf die Uhr sagt: Je nach der Größe der Mail-Schwemme sind drei bis fünf Minuten vergangen. 

Was die Zahl der Spam-Mails anschwellen lässt, sind Nachfragen von Versandfirmen oder Verkaufsplattformen. Nach praktisch jedem Kauf will man von mir wissen, wie ich die Kaufabwicklung, das Produkt oder den Verkäufer bewerte. Der erste Reflex: Alle diese Mails löschen. Doch zu früh gefreut: Ein großer Teil der Firmen ahnt, dass ihre Fragerei bei den Empfängern nicht auf Begeisterung stößt - und fragt darum nach einer oder zwei Wochen noch mal nach. Manchmal werden diese Mails in der Betreffzeile mit dem freundlichen Hinweis "Haben Sie uns vergessen?" oder oberlehrerhaft mit "Es steht noch eine Bewertung von Ihnen aus!" garniert. Mittlerweile bewerte ich nur noch Käufe und Verkäufe, die ich über eine bestimmte Buchplattform abgewickelt habe, der Rest wird - genau - gelöscht.

Cookies - wenn es doch nur wirklich Kekse wären...

Was so niedlich klingt, hat sich in der letzten Zeit zu
einem echten Nervfaktor entwickelt. Fast alle kommerziellen Seiten setzen Cookies ein, also Mini-Programme, mit denen sich z. B. Warenkörbe speichern lassen, Marktforschung betrieben werden oder ein Kunde beim nächsten Seitenbesuch wiedererkannt werden kann. Bis vor einiger Zeit konnten Nutzer diese zwar ganz oder zum größten Teil abstellen, aber die Suche nach dieser Möglichkeit war zu mühsam oder sogar unbekannt, sodass die meisten darauf verzichteten.
Das hat sich geändert: Im Mai 2020 urteilte der Bundesgerichtshof, dass Nutzer der Verwendung von bestimmten Cookies aktiv zustimmen müssen. Außerdem müssen sie genau darüber informiert werden, wozu die einzelnen Cookies verwendet werden (Az. I ZR 7/16 ). Darum erscheint nun in der Regel kurz nach dem Aufrufen einer Website ein Fenster, das den Seiteninhalt überlagert und erst dann verschwindet, wenn man seine Cookie-Zustimmung erteilt oder verweigert hat. Dieses Fenster ist nicht einheitlich; wenn man kein Interesse daran hat, dass haufenweise Cookies eingesetzt werden, muss man sich den zugehörigen Text genauer durchlesen. Sehr "nett" ist dann auch, dass die vom Unternehmen erwünschte Antwort immer fett und farblich hervorgehoben wird, während man das Feld für die Verweigerung oft mit der Lupe suchen muss. Das hat mit Nutzerfreundlichkeit nichts und mit Barrierefreiheit noch weniger zu tun.

Für kleine Suchspiele zwischendurch: Captchas

Captchas ("Completely Automated Public Turing test to tell
Computers and Humans Apart") sollen herausfinden, ob wirklich ein Mensch vor dem Computer sitzt oder eine Antwort automatisiert gegeben wurde. Die Bandbreite reicht vom Anklicken eines Ankreuzfeldes, um die eigene Menschlichkeit zu bestätigen, über die Eingabe von verzerrt dargestellten Zahlen- und Buchstabenkombinationen bis zu Fotokacheln, auf denen bestimmte Gegenstände erkannt werden müssen ("Klicken Sie auf alle Bilder mit einer Ampel."). Genau in dieser Reihenfolge verschlechtert sich aufsteigend meine Laune: Mal eben ein Häkchen zu setzen und einem blauen Kreis sekundenlang beim Zirkulieren zuzusehen: kein Problem. 

Aber die Zumutung beginnt bei diesen Ziffern- und Buchstabenfolgen. Ich weiß nicht, wie oft ich das Gekrakel, das manchmal durch zufällig gesetzte graue Punkte oder Schleier schwer erkennbar gemacht wird, falsch abgelesen habe: Ist das nun ein kleines "m" oder ein "r" dicht an einem "n"? Soll das ein "l" oder ein "I" sein? Ihr erkennt hier nicht den Unterschied? Das erste ist ein kleines "l" wie bei 'lausig', das zweite ein großes "I" wie bei "Ina". Was hier nicht auseinandergehalten werden kann, gelingt bei einem Captcha noch weniger.

"Was habt ihr euch bei diesem Schwachsinn gedacht?", ist mein erster Impuls, wenn ich auf ein Captcha mit Fotos stoße. Wer so etwas kreiert, ist ein Menschenhasser. Unter den sechs oder neun Fotos sind selbstverständlich auch unscharfe Exemplare, sodass die Frage, auf welchen sich Ampeln befinden, häufig nicht eindeutig beantwortet werden kann. Das lange graue Ding da im Hintergrund: Ist das ein Ampelmast oder eine Fahnenstange? Gesucht werden auf solchen Bildern Zebrastreifen, Lastwagen, Fahrräder und einige andere Dinge des Alltags. Wie oft ich ein solches Captcha wiederholen musste, weil ich zu viele oder zu wenige Fotos - wer weiß das schon - angeklickt habe, kann ich nicht mehr zählen. Zu viele, so viel ist klar. Darum schlage ich Firmen, die mir so etwas vorsetzen, vor: Leute, schreibt doch einfach auf eure Startseiten "Wir legen auf Kundenkontakt keinen Wert. Bitte surfen Sie weiter." Ehrlich, macht euch da keinen Kopf, ich bin so schnell weg, dass ihr von mir noch nicht mal eine virtuelle Staubwolke seht. Ihr seid mir dann gleich viel sympathischer!

Ich warte jetzt übrigens auf einen Algorithmus, der mir sagt, wie viel Lebenszeit ich mit dem ganzen Blödsinn schon verbraten habe und wie viel ich hochgerechnet auf meine wahrscheinlich verbleibende Lebenserwartung noch verbraten werde. Ich stelle mir gerade vor, wie ich als greise Alte mit der Lesebrille auf der Nase immer näher an den Bildschirm rutsche, um auch noch den letzten Ampelmast zu finden und den verstecktesten Cookie dazu aufzufordern, sich zu verkrümeln. Wenn ihr einen schrillen Schrei aus dem Schaukelstuhl in der Seniorenresidenz hört, bin ich das, während ich gegen die Cookies und Captchas dieser Welt kämpfe und die Spam-Mails, in denen mir Liftings und mehr Ausdauer beim Was-weiß-ich-denn angeboten werden, lösche.






Kommentare

  1. Computer sind unverzichtbar, aber Zeitfresser. Die zwischenmenschlichen Beziehungen bleiben auf der Strecke, weil alles online erledigt wird (oder werden muss!). Für mich ist es grauselig, nur noch virtuell zu kommunizieren. Viele nette Gespräche entfallen. Ja, ich bin halt so groß geworden; man schaut sich in die Augen, wenn man miteinander spricht.
    Es braucht jetzt niemand mehr aus dem Haus zu gehen. Homeoffice wird aufgedrängt, ob man will oder nicht. Gekauft wird online bei Versandriesen und die Postboten und Postbotinnen sind am Rennen. Auch bezahlt wird online und wir kennen unsere Kundenberater bei der Bank auch nicht mehr persönlich. Schade, es ist für mich keine schöne Lebensweise.
    Übrigens, mich nerven die vielen unnötigen Mails auch. Da wird eine Bestellung bestätigt, dreimal die Lieferung angekündigt, von DHL zweimal bestätigt, die Zahlung wird bestätigt, später kommt das Drängen nach Bewertung. Man muss nicht alles lesen und erst recht nicht beantworten. Mein Löschfinger ist stets bereit, auch wenn das wiederum Zeit kostet. Die haben wir wegen des Lockdown.
    Ingrid, die Pfälzerin wünscht Dir ein gutes neues Jahr und freut sich auf Deine Beiträge, die oft auch meinen Geschmack treffen.

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    1. Liebe Ingrid, wir sind uns komplett einig. Das mag auch daran liegen, dass wir zu derselben Generation gehören und es gewohnt waren, dass Dinge persönlich erledigt werden. Ich sehe die aktuelle Entwicklung wie du mit gemischten Gefühlen: Einerseits ist es praktisch, dass so viel von zu Hause aus geht, aber andererseits entfernen wir uns so voneinander und ich behaupte, dass das Folgen für das allgemeine Sozialverhalten hat. Wir werden diesen Zug aber nicht aufhalten.
      Auch für dich und deine Familie ein gutes und gesundes 2021! Wir lesen uns ;-)
      LG

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