Die ersten Glückwünsche trudeln ein...

Heute morgen bekam ich den ersten Glückwunsch
über einen Messengerdienst. "Alles Gute zum Frauentag!" stand da. Der Satz war mit einer Zeichnung hinterlegt, die diese Frau zeigt, die wir wahrscheinlich alle schon mal gesehen haben: entschlossener Blick, das Haar von einem Kopftuch bedeckt, die Ärmel der Arbeitsbluse hochgekrempelt und einen Arm so angewinkelt, dass der Bizeps anschwillt.

Wie viele der Frauen erkennen sich in diesem Bild wieder? Ich glaube, dass nur wenige das tun. Diese Vorstellung, dauernd um etwas zu kämpfen, das der anderen Hälfte der Menschheit diskussionslos zugestanden wird, ist ganz schön ermüdend. 

Ich war vor einigen Jahren in einer niedersächsischen Behörde stellvertretende Frauenbeauftragte. Einmal haben die Frauenbeauftragte und ich uns von einer Kollegin die Frage angehört: "Wozu brauchen wir denn noch Frauenbeauftragte? Es ist doch alles gut!" Wir waren im ersten Moment sprachlos. Im zweiten wurde uns klar, wie die Dame zu ihrer Meinung gekommen ist. Wir hatten uns immer wieder für Kolleginnen eingesetzt: Sei es, dass die Texte für Stellenausschreibungen so verfasst werden mussten, dass sich auch Frauen angesprochen fühlten (Stichwort: Teilzeiteignung) oder Frauen die Eignung für bestimmte Stellen nicht von vornherein abgesprochen wurde; bei Letzterem ging es vor allem um höherdotierte Tätigkeiten, die bislang "gewohnheitsmäßig" an die Herren der Schöpfung vergeben worden waren. Es gab ständig Interventionsbedarf.

Unser Problem war damals: Wir waren im Rahmen unserer Tätigkeit selbstverständlich zu Stillschweigen verpflichtet. Deswegen war es uns in den allermeisten Fälle nicht möglich, auf das zu verweisen, was wir erreicht hatten. Die Behörde war zu klein, es wäre leicht gewesen, auf bestimmte Mitarbeiterinnen zurückzuschließen. Von außen musste es also für manche so aussehen, als sei alles, was da zugunsten von Frauen passierte, ein Selbstläufer. Wir haben jedoch immer wieder die Erfahrung gemacht, dass wir uns keinen Augenblick auf dem einmal Erreichten ausruhen durften. Was ein- oder zweimal korrekt gelaufen war, konnte beim dritten Mal schon ganz anders sein.

Die Frauenbeauftragte von damals hat ihre Tätigkeit vor einigen Jahren an ihre Nachfolgerin übergeben. Wir haben bis heute Kontakt, sodass ich weiß, aus welchen Gründen sie darauf verzichtet hat, sich weiter für die Kolleginnen einzusetzen. Mangelnde Wertschätzung war nicht das einzige, was auf Dauer frustrierend gewesen ist. Dazu kam, dass sie gebetsmühlenartig immer auf der Einhaltung  derselben Formalia  bestehen musste. Ein Dauerbrenner: Die Kommissionen, die sich die Bewerberinnen und Bewerber für  ein Vorstellungsgespräch einluden und anschließend entschieden, wer eingestellt werden sollte, mussten hinsichtlich des Geschlechts paritätisch besetzt sein. Das waren sie aber eher selten. Angeblich war es gerade nicht möglich, eine Frau zu schicken. Ja, sicher. Wer mal in solchen Kommissionen war, weiß, wie schwer es ist, als einzige Frau darauf hinzuwirken, dass jemand tatsächlich ausgewählt wird, weil sie oder er über die besseren Kompetenzen verfügt. Allein unter Männern kämpft Frau oft auf verlorenem Posten.

Dicke Bretter müssen aber noch woanders gebohrt werden. Ich war heute in einem Wiener Café in Potsdam. Es war brechend voll, an den meisten Tischen saßen Familien. Die dazugehörigen Kinder waren maximal im Grundschulalter. Kaum war der Kuchen aufgegessen und der Kakao ausgetrunken, wurde es den Kindern langweilig. Wer hat sich dann um den Nachwuchs gekümmert und ist mal mit ihm vor die Tür gegangen oder hat sich mit ihm unterhalten? Bis auf zwei Ausnahmen waren das die Mütter. Die Väter schauten der Bespaßung ihrer Kinder mit einem Gesichtsausdruck zu, als würden sie denken: 'Zum Glück ging der Kelch noch mal an mir vorüber...'

Meine Kinder sind jetzt Mitte 20, und ich beobachte, dass sich hinsichtlich der Kümmer-Zuständigkeit seit damals kaum etwas verändert zu haben scheint. Zwar steigt die Zahl der Väter, die Elternzeit nehmen, langsam an, doch Väter nehmen sich hierfür deutlich weniger Zeit als Mütter. 2018 nahmen Mütter im Durchschnitt 14, 2 Monate Elterngeld in Anspruch, Väter hingegen nur 3,8 Monate. Auch die Aufteilung, wer sich um das/die Kind/er kümmert, folgt dem bekannten Muster: Im selben Jahr stellten die Frauen drei Viertel der Elterngeldbezieher. 

Ich finde natürlich positiv, dass die Zahl der Väter,
Louise Otto-Peters, 1. Vorsitzende des ADF*
die sich eine Zeitlang um ihr Kind kümmern wollen, langsam steigt, aber das geht alles nur im Schneckentempo vorwärts. Von den Frauen wird nicht nur hier eine ganze Menge Geduld erwartet. Im Oktober 1865 wurde in Leipzig der Allgemeine Deutsche Frauenverein (ADF) gegründet. Was heute kaum zu glauben ist: Die Gründerinnen wurden massiv dafür kritisiert, dass sie Männer ausdrücklich von der Mitgliedschaft ausschlossen. In den früher entstandenen Frauenvereinen waren die Vorstände: Männer!


Die ADF-Gründung gilt als der "Urknall" der deutschen Frauenbewegung. Seine Satzung sah in § 1 vor: „Der Allgemeine deutsche Frauenverein hat die Aufgabe, für die erhöhte Bildung des weiblichen Geschlechts und die Befreiung der weiblichen Arbeit von allen ihrer Entfaltung entgegenstehenden Hindernissen mit vereinten Kräften zu wirken." Seitdem sind 155 Jahre vergangen. Der Teil mit der "erhöhten Bildung des weiblichen Geschlechts" hat geklappt, der, in dem es um die Befreiung der weiblichen Arbeit von der ihrer Entfaltung entgegenstehenden Hindernissen geht, definitiv nicht. 

Ich habe schon vor einem und vor zwei Jahren meine Gedanken zum Weltfrauentag und der Sinnhaftigkeit von Glückwünschen aufgeschrieben, die sich die Frauen gegenseitig aussprechen. Doch Fauen sollten sich nicht viel Glück, sondern reichlich Ausdauer, die nicht nachlässt, wünschen. Damit es nicht weitere fünf oder sechs Generationen dauert, bis sich die Situation der Frauen ein kleines bisschen verbessert. Auf die roten Rosen kann ich an diesem Tag gut verzichten.



*:https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Louise_Otto-Peters.jpg

Kommentare

  1. Wir von der älteren Generation hatten noch mächtig Probleme, als Frau dem Mann gleichgestellt zu sein. Es war eigentlich nie so. Die junge Generation hat es da schon leichter.
    Einen Frauentag brauche ich nicht. Vielmehr wünsche ich mir mehr Toleranz und Anerkennung der fraulichen Leistungen. Als berufstätige Frau stöhnte ich oft unter der Mehrfachbelastung Beruf - Haushalt - Kindererziehung. Jetzt sind die Kinder aus dem Haus und es wurde leichter. Nun kann ich auch meine Hobbys ausüben.
    Auf rote Rosen verzichte ich liebend gerne.
    Optimistische Grüße von Ingrid, der Pfälzerin

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    1. Liebe Ingrid, du sprichst mir aus der Seele! In Russland ist der Frauentag ein Feiertag: Die Frauen bekommen Rosen und müssen nicht arbeiten. Aber: Der russische Staat hat für rd. 450 Berufe ein Verbot ausgesprochen, dass Frauen diese nicht ausüben dürfen. Man(n) befürchtet eine Beeinträchtigung der Gebärfähigkeit... Noch Fragen? Unter solchen Vorzeichen kann man sich diesen Tag getrost in die Haare schmieren.
      Kämpferische Grüße aus Niedersachsen von Ina :-)

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