Mal wieder Dampf ablassen: Warum fallen so viele auf Clickbaiting rein?

In den letzten Tagen ist es mir wieder gehäuft aufgefallen: Da wird von einer dubiosen Seite ohne Impressum, aber mit dem Triggerwort "News" im Namen, ein Foto gepostet, auf dem ein schutzbedürftiges Tier ist. Dazu gibt es einen emotionalen Text, und Menschen, die in sozialen Netzwerken unterwegs sind, teilen diesen Schrott, als gäbe es kein Morgen mehr. Diese Seite als Content-Schleuder zu bezeichnen, würde ihr zu viel Ehre antun.

Oder: Da wird auf einer ähnlich "glaubwürdigen" Seite gepostet, dass Wilderer, die in Kenia bei der Elefantenjagd erwischt werden, nun befürchten müssen, mit dem Tod bestraft zu werden. Für diesen ausgemachten Quatsch gab es nicht nur eine ganze Reihe Likes, unter den Kommentaren fand sich auch ausdrückliche Zustimmung: "Richtig so!"

Es scheint vielen Leuten nicht der Mühe wert zu sein, so etwas mal zu überprüfen. Um die Elefanten-Nachricht zu checken, habe ich etwa 30 Sekunden gebraucht. Das ist jetzt wirklich kein größerer Aufwand.

Was mich auch erschreckt hat, ist die unverhohlene Zustimmung zur Todesstrafe. Passiert sie in den USA oder China, ist diese Sanktion 'selbstverständlich' widerwärtig und gehört geächtet. Was aber unterscheidet die Tötung eines Menschen beispielsweise in Dallas von der in Nairobi?  

Warum werden Wildfremde für vertrauenswürdig gehalten? 

Vor einiger Zeit habe ich gesehen, dass in einem der Netzwerke ein Foto quasi herumgereicht wurde. Darauf waren die zertrümmerten Scheiben eines Autos zu sehen. Der Post stammte (mutmaßlich) von einer Frau aus Sachsen, die behauptete, das sei das Auto ihrer Freundin und alles habe die Antifa gemacht, weil auf dem Pkw ein Deutschland-Aufkleber angebracht war. Das demolierte Auto stand in der Dunkelheit am Straßenrand, im Hintergrund war auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Haus zu sehen. Auf der Beifahrerseite lag auf dem Fußweg ein Haufen Glasscherben. 

Das Profil der Frau in dem sozialen Netzwerk bestand aus gerade mal zwei Fotos, das eine war das mit dem Pkw. Darunter standen fast 90 Kommentare, nur eine Handvoll fragt kritisch nach. Dieser Beitrag wurde im Netzwerk von Nutzern weiter geteilt, die diese Frau nicht kannten, ihr aber die Behauptung komplett abkauften. Die Reaktionen reichten von Beschimpfungen gegen die Linken bis hin zu Aufforderungen zur Selbstjustiz. Der Beitrag wurde von anderen Nutzern geteilt, obwohl ihnen nicht nur die Frau unbekannt war, sie nicht wussten, ob sich das wirklich in Chemnitz zugetragen hat und ebenfalls nicht wussten, ob die Behauptung bezüglich der Täter stimmt etc. Warum hält man einen völlig unbekannten Menschen für glaubwürdig?

Im selben Netzwerk gibt es eine Gruppe, deren Betreiber plakative "Wahrheiten" verbreitet. Da werden Botschaften in kurzen prägnanten Sätzen als eine Art Textbild verbreitet, die überwiegend aus Halbwahrheiten bestehen, oft sogar erlogen sind. Der Betreiber hat ein Brad-Pitt-Profilfoto und seinen Nutzernamen schon mal geändert. Die Mehrzahl der Gruppenmitglieder nimmt das, was er von sich gibt, für bare Münze. Warum wird das, was da steht, nicht eine Sekunde hinterfragt, sondern sogar noch weiter verbreitet? Ist es Bequemlichkeit? Oder irgendwie praktisch, dass da jemand das eigene diffuse Unbehagen in Worte packt? Weshalb beteiligen sich Menschen an der Verbreitung von "Nachrichten", von denen sie nicht mal ansatzweise wissen, ob sie wahr sind?

Eine deutsche Redewendung heißt "Lügen haben kurze Beine". Das sagt man kleinen Kindern, die man beim Schwindeln erwischt hat, damit sie das nicht wieder tun. Für die sozialen Netzwerke gilt das nicht. Hinter jedem halbwahren oder falschen Beitrag steckt dort eine bestimmte Absicht des Urhebers. Die Nutzer sachlich zu informieren und aufzuklären ist sie nicht. 

Am letzten 1. April sah ich im selben Netzwerk einen Satz, der gerade dort eine große Wahrheit in sich birgt: "Heute ist der einzige Tag im Jahr, an dem die Menschen über das nachdenken, was ihnen erzählt wird." Ich würde es begrüßen, wenn sich das auch für die übrigen 364 Tage des Jahres durchsetzte.



Kommentare

  1. Ich staune immer wieder über solche Meldungen und versuche, sie nicht anzuklicken. Oft kann man sie kaum von echten Geschehnissen unterscheiden.
    Mein Vater sagte früher mal: "Wenn dir jemand einen guten Morgen wünscht, so schaue, ob es auch schon Morgen ist."
    Da ich aus Zeitgründen nicht so oft im Netz unterwegs sein kann, überlege ich mir gut, wie ich diese Zeitspanne nutze und möglichst nicht, um Schrott anzuklicken. Geteilt wird sowieso nichts.
    Dein Beitrag hat mir wieder gezeigt, dass Vorsicht die Mutter der Porzellankiste ist.
    Aufmerksame Grüße von der Pfälzerin

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    1. Liebe Pfälzerin, da hast du absolut recht. Bei vielen dieser Falschmeldungen bin ich sogar der Meinung, dass man ihnen sofort ansieht, dass sie ins Reich der Fabel gehören. Aber da siegt bei vielen vielleicht die Sensationslust, die sie dazu bringt, jeden Quark weiterzusenden.
      Viele Grüße von der leicht genervten Niedersächsin

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  2. Huhu Ina!
    Ich denke, dass es neben der Sensationslust auch noch einen weiteren entscheidenden Faktor gibt: die eigene Filterblase. Wenn die Meldung der eigenen Weltsicht entspricht, hinterfragen Viele nicht. Widerspricht die Meldung der eigenen Weltsicht, wird nur wenig hinterfragt - oft heißt es dann pauschal "Lügenpresse". Die Menschen machen es sich oft einfach viel zu einfach. Und dann kommt auch noch die Sensationslust hinzu: Inhalte, die Wut, Hass entfachen oder fördern, kommen immer gut an.

    Sachliche, gut recherchierte Infos sind den meisten Leuten einfach zu "langweilig". Besonders auf sozialen Netzwerken geht es häufig nur um Unterhaltung: der, der am meisten unterhält, der wird geteilt. Die "Rechtfertigung" Quark zu teilen, wenn man die Leute mal aufklärt, sind auch oft besonders "interessant" ;) .. Wenn sie denn die Korrektur überhaupt mal annehmen.

    Liebe Grüße von
    Miriam, die sich über sowas genau so aufregt

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    1. Liebe Miriam,
      an der Sache mit der Filterblase ist bestimmt etwas dran. Wäre es nicht toll, wenn da öfter mal das Hirn über das Bauchgefühl siegen würde?
      Liebe Grüße
      Ina

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