Das Ende der Spülhände

Unsere Backbleche hatten Spümittel
Noch viel zu jung für Spülhände.
und -schwamm bitter nötig. Zu warten, bis sie in der Lage gewesen wären, durch die Bildung von neuartigen Organismen mit mir Kontakt aufzunehmen, wurde mir zu riskant. Das Wissenschaftsgen ist bei mir wohl nicht stark genug ausgeprägt, um es darauf ankommen zu lassen.


Beim Einlassen des warmen Wassers in die Spüle und dem Griff zur Spülmittelflasche befand ich mich gedanklich plötzlich in meiner Kindheit. Ich sah mich in einem Sessel vor dem Fernseher sitzend. Der Fernseher war ein Gerät mit einem hölzernen Korpus, vom technischen Schnickschnack wie einer Fernbedienung war er weit entfernt: Wenn meine Eltern der Meinung waren, dass das Programm gewechselt werden müsse, war es meine Aufgabe, aufzustehen und den passenden Knopf zu drücken. Wer mich live kennt und sich gefragt haben sollte, warum ich einen krummen Zeigefinger habe und so klein bin: Voilá, hier ist die Antwort. Schlank hat der "Sonderauftrag" übrigens leider nicht gemacht.

Damals in den 1970-ern lief über viele Jahre eine Spülmittelwerbung eines großen und sehr bekannten Herstellers, den es auch heute noch gibt. Umweltverträglichkeit und ähnlich lästiges Gedöns waren damals nicht angesagt. Der Zuschauer sah einen Schönheitssalon, der von einer jungen Frau betreten wurde. Sie wurde sofort von einer "reiferen" Dame abgefangen, die ohne zu zögern prüfend auf die Hände der Kundin schaute. Spülhände! Die ältere Dame hörte auf den Namen Tilly und erkannte dank ihrer erfahrenen Kosmetikerinnenaugen sofort, dass die Kundin "fremdgegangen" war und nicht das empfohlene Produkt "mit natürlichen Proteinen" benutzt hatte. Selbstvergessen ließ die Kundin eine Hand sinken, während sie Tillys Wortschwall lauschte. Unvergessen der Satz der Kosmetikerin, als ihre Kundin bemerkte, dass sie mit ihren Fingern in der grünen Flüssigkeit des Chemieherstellers gelegen hatte: "Sie baden gerade Ihre Hände drin!"

Diese Werbung hat mich als Kind in mehrerer Hinsicht irritiert. Mir war die Welt der Kosmetiksalons völlig fremd. Ich kannte niemanden, der dort hinging. Sah es dort wirklich so aus? Stellte man dort kleine Glasschälchen mit diesem Spülmittel auf die Tische? 
Zu Anfang hatte ich auch keinen Schimmer, was diese "Proteine" sein sollten und was die Dinger mit den Händen machten, dass sie durch das Spülen nicht knittrig wurden. Machten die das Zeug so grün? 

Die Backbleche sind jetzt wieder sauber. Selbstverständlich ist mir der Knittergrad meiner Hände wurschtegal, heutzutage zählen Ökologie und Nachhaltigkeit. In meinem Spülmittel ist nichts, was meine Ü50-Hände zu U20-Händen mutieren lassen würde. Dafür lächelt mich allerdings das Logo des Herstellers auf dem Etikett an: ein kleines, grünes Tier, das seine Wege hüpfend zurücklegt und gern Fliegen mit seiner Zunge fängt. Wer dieses Produkt benutzt, dem ist die Umwelt wichtig. Und die Generation der Enkel, Urenkel, Ururenkel  usw. usf. Ein Schönheitssalon spielt hier keine Rolle mehr.

Ich konnte mir nicht verkneifen, nachzusehen, was aus Tilly geworden ist. Ein bisschen Recherche hat noch nie geschadet, bevor man sich ans Schreiben macht. Ich weiß jetzt, dass Tilly in den USA Madge hieß. Als Madge nicht mehr für Spülmittelwerbung gebraucht wurde, hat sie die Branche gewechselt. Sie hat anschließend ihre Hände in das Root Beer eines US-Handelskonzerns getaucht. Beste Vorbereitung auf den Kindergeburtstag des Enkelkindes, der "Duft" passt dann schon mal.

Kommentare

  1. Reinigungsmittel mit dem grünen, hüpfenden, Fliegen fressenden Logo benutze ich ebenfalls. An die Werbung mit den Spülhänden erinnere ich mich auch noch. Jedoch kaufe ich niemals Geschirrspülmittel, das als mild zu Händen beworben wird. Vielmehr soll es bei mir gut gegen Fett wirken. Es ist halt nun mal kein Hautpflegemittel.
    Die Tilly aus der Spülmittelwerbung hat damals sicherlich gut verdient. Den Verbrauchern wurde damals und wird auch heute viel vorgemacht, was nicht unbedingt so ist.
    Ich empfehle, unbedingt den gesunden Menschenverstand einzuschalten und genau hinschauen, was man kauft.
    Deshalb habe ich die Hobbythek geliebt und lange meine Kosmetikprodukte und Waschmittel selbst kreiert. Heutzutage kann man milde Produkte ganz normal kaufen. Das war vor 30 - 35 Jahren nicht der Fall.
    Saubere Grüße von Ingrid, der Pfälzerin

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    1. Ich habe mich gewundert, wobei man sich plötzlich wieder an Dinge erinnert, die schon lange zurückliegen und an die man Jahrzehnte keinen Gedanken verschwendet hat. Ich stand gestern am Spülbecken und guckte in die Halterung, in der sich die Spülmittelflasche befindet. Da war es, als hätte jemand die Erinnerung an die alte Werbung angeknipst, so plötzlich war sie da.
      Das Einschalten des gesunden Menschenverstandes ist immer eine gute Empfehlung... wenn es denn etwas einzuschalten gibt. Hin und wieder habe ich da doch Zweifel, wenn ich mich umsehe . ;-)
      Fettfreie Grüße von der Niedersächsin

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  2. Danke, dass du meiner Erinnerung auf die Sprünge geholfen hast! Ja, die Tilly und ihr Job waren mir auch immer ein Rätsel. Meine Mutter hat sich nie einen Kosmetiksalon gegönnt.
    Übrigens: Dreckige Backbleche bekommt man auch prima mit Natron und warmen Wasser sauber!
    LG
    Sabienes

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    1. Meine Mutter war auch nie in einem Kosmetiksalon. Vielleicht war das früher in den USA normal? Ich weiß es nicht.
      Danke für den Tipp mit dem Natron. Der Hersteller des Backofens hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Bleche mit einer Beschichtung ausgestattet sind, die man mit Stahlwolle bearbeiten kann. Damit geht es auch ruckzuck.
      Liebe Grüße
      Ina

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