"Ein ziemlich schlichtes Gemüt"

Ich habe überlegt, ob dieser Text nicht besser in Inas
Bücherkiste passt, habe mich dann aber doch für diesen Blog entschieden. Ein bisschen geht es hier ja hin und wieder zu wie in einem Kuriositätenkabinett. Und es gibt Traditionen, die man nicht brechen sollte, oder?

Heute schickte mir eine mir nahestehende junge Frau über einen Messengerdienst einen Screenshot. Es handelte sich um einen Ausschnitt aus einem Interview. Darunter fragte sie mich: "Mit wem wurde dieses Interview geführt?"
Ich füge hier den Interviewausschnitt ein - keine Sorge, die Quellenangabe kommt noch; Abmahnspezialisten haben sich an dieser Stelle zu früh gefreut. Jetzt ist es an euch, ohne (!) die Hilfe einer Suchmaschine zu überlegen, wer da wohl befragt worden sein könnte. Ein Tipp: Das Interview fand 2018 statt und der Befragte ist kein Unbekannter. Los geht's:
 
Wie stehen Sie denn zur Polizei?
Nicht gut.

Haben Sie Angst vor Polizisten?
Nein, ich mag die nicht. Manchmal mag ich die so aus der Ferne. Ich sag immer: Polizisten sind so wie die Frauen. Wenn man sie braucht, sind sie nicht da, wenn man sie nicht braucht, sind sie da.

Es herrscht immer noch Ausnahmezustand.
Das ist ja auch richtig so. Es ist ja furchtbar.

Man sieht in Paris schon ziemlich viel Staatsgewalt.
Ist auch richtig so. Es soll ja auch so sein. Aber es ist nie jemals geschehen bis jetzt, dass das verhindert wurde. Kein Polizist hat jemals in Frankreich einen Tod verhindert.

Empfinden Sie eine Gefahr?
Die Gefahr wird immer größer.

Von wem geht sie aus?
Nicht von mir. Ich denke immer, vielleicht habe ich den Mut, wenn ... Manchmal stehe ich in der Metro und manche Leute steigen mit solchen Augen ein ...

Sind Sie schon einmal angegriffen worden?
Nein. Nie.

Ich gebe zu, dass ich angesichts dieser verschwurbelten Antworten nicht den blassesten Schimmer hatte, um wen es sich bei der befragten Person gehandelt haben könnte. Meine ratlose Antwort auf die Frage der jungen Frau war dann: "Mit einem ziemlich schlichten Gemüt, so viel ist klar."

An dieser Stelle bin ich mir sicher, dass die meisten Leser längst das Internet befragt haben. Darum kommt hier nun die Quelle: Es handelt sich um ein Interview der Wochenzeitung der Freitag, das in der Ausgabe 34/2018 veröffentlicht wurde. Die beiden Redakteure haben es mit dem österreichischen Schriftsteller Peter Handke geführt. Heute wurde bekannt, dass Handke der Nobelpreis für Literatur 2019 verliehen wird. Okay, Dialoge von Mensch zu Mensch scheinen nicht sein Fall zu sein. Vielleicht sollte er sich nur noch schriftlich mitteilen.

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