Welche Termine sind wirklich wichtig?

Seit über 20 Jahren gehe ich zu "meiner"
Physiotherapeutin. Während der Behandlung schweigen wir uns nicht an, sondern es wird auch mal erzählt, was sich während der letzten Tage ereignet hat.

Mein Mann und ich waren kürzlich in einem Hotel in Mecklenburg-Vorpommern, das einen großzügigen Spa-Bereich anbietet. Wo der Zusammenhang zur Physiotherapie ist? Bei beiden vereinbart man einen oder mehrere Termine, um es sich gutgehen zu lassen oder damit es einem danach besser geht.

Die Behandlungen der Physiotherapeutin sind fast alle ärztlich verordnet und werden  - bis auf einen Zuzahlungsbetrag - von der Krankenkasse bezahlt. Da sind also Menschen, die für einen begrenzten Zeitraum wie z. B. nach einer OP Hilfe brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen, und andere, die diese Unterstützung auf Dauer benötigen. Ein Arzt hat zuvor die Notwendigkeit einer solchen Therapie diagnostiziert und sie entsprechend verordnet.

Im Wellness-Bereich eines Hotels buchen die Gäste die Termine, weil sie sich etwas Schönes gönnen wollen: einen Besuch im hauseigenen Hamam mit Körperpeeling oder eine ayurvedische Abhyanga-Massage, um mal wieder richtig zu entspannen. Dafür werden gern 70 oder 80 Euro bezahlt, um sich bei indisch angehauchter Meditationsmusik verwöhnen zu lassen.

Eine Behandlung in einer Physiotherapie-Praxis kommt vergleichsweise schnöde daher. Die Räume sind mit Therapieliege und Sprossenwand funktional eingerichtet, Musikberieselung erwartet man vergebens. Aber dort arbeitet Fachpersonal, das sich seine Kenntnisse in einer dreijährigen anspruchsvollen Ausbildung angeeignet hat und verpflichtet ist, sich permanent fortzubilden.

"Meine" Physiotherapeutin hat mir immer wieder erzählt, wie lässig manche Patienten die Vereinbarung und Einhaltung von Terminen sehen. Ihre Warteliste ist lang, sie arbeitet vom frühen Morgen bis abends um 20 oder auch mal 21 Uhr. Wenn ich einen vorgeschlagenen Termin nicht wahrnehmen kann, muss ich - auch als langjährige Patientin - damit rechnen, dass dieser wegen des vollen Kalenders ersatzlos ausfällt.

Und dann gibt es da Leute, die einen Terminvorschlag mit der Begründung ablehnen, dass zu diesem Zeitpunkt ihre Lieblingsvorabendsoap im Fernsehen läuft. 'Rote Rosen' ist dann wichtiger als eine profesionelle Behandlung, die Schmerzen reduziert oder die Bewegungsfähigkeit verbessert. Dann kann das Leiden so schlimm nicht sein, oder?

Auch Menschen, die sehr kurzfristig absagen, garnieren das mit einer gehörigen Portion Dummheit: "Na ja, dann haben Sie jetzt Zeit, um in Ruhe einen Kaffee zu trinken", soll eine Dame mal gesagt haben. Ja, sicher: Eine selbstständige Physiotherapeutin geht nicht in ihre Praxis, um Geld zu verdienen, sondern um immer mal zwischendurch die Füße hochzulegen und in Ruhe in ihrem Cappucino zu rühren. 
Kürzlich hat eine andere Patientin einen Termin 15 Minuten vorher abgesagt, weil sich plötzlich so grässliche Kopfschmerzen eingestellt haben. Glaubwürdigkeit geht anders.

In der Praxis hängt ein Schild mit dem Hinweis, dass Absagen 24 Stunden vor dem Termin erfolgen müssen. Anderenfalls werde die Behandlung privat in Rechnung gestellt. Jetzt kann man natürlich sagen: Warum wird das nicht konsequent gemacht? Ich vermute, weil die Hemmschwelle, ständig deswegen Konflikte auszufechten, doch relativ hoch ist. Menschlich kann ich das gut verstehen, ökonomisch ist es wohl nicht optimal. Das ist es auch nicht, worum es mir in erster Linie geht. 

Mich ärgert, dass Menschen so egoistisch sind und wegen Nichtigkeiten eine Behandlung, die ihnen Erleichterung verschaffen oder ihre Genesung herbeiführen soll, einfach in den Wind schießen. Die Beispiele habe ich aus denen, von denen ich in den vergangenen Jahren gehört habe, einfach mal herausgegriffen. Ich weiß nicht, welche Patienten sich so verhalten, ich kenne nur die Sachverhalte.

Jede kurzfristige Absage bedeutet nicht nur, dass die Therapeutin kein Geld verdient, sondern dass andere Menschen, die auf der Warteliste stehen, nicht zum Zuge kommen. Aber das scheint den Absagern nicht so wichtig zu sein. Warum nicht? Weil sie nicht von 12 bis mittags denken oder es nicht ihr Geld kostet?

Mein Gefühl sagt mir, dass so etwas bei Wellnessbehandlungen eher selten vorkommt. 80 Euro für nichts bezahlen zu müssen, tut den Leuten erheblich mehr weh. Vielleicht sollten einige mal über ihre Prioritäten nachdenken.

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