Freilaufende Arschlöcher

Doch, ich wurde gut erzogen, und meine Mutter hätte beim Lesen dieses Titels ganz sicher missbilligend geguckt. Aber wenn sie das, was jetzt kommt, noch lesen könnte, bin ich mir sicher, dass ich ihre Zustimmung hätte.

Ich bin heute früh bei Twitter über einen Beitrag
gestolpert, der mir sprichwörtlich das Messer in der Tasche aufgehen ließ. Eine behinderte Frau hat dort erzählt, dass sie ihren Rolli vor einer Arztpraxis abgestellt hatte. Als sie die Praxis wieder verließ, bemerkte sie nicht nur, dass jemand den Aufkleber "Ich bin gegen Rechts" vom Rolli abgerissen, sondern auch dessen Reifen zerstochen hatte. Außerdem fand sie eine Nachricht vor: "Du lebst im Osten finde dich damit ab, das es hier nazis gibt und das kranke keine rechte haben." Sie hat Anzeige erstattet, sich von einem Taxi nach Hause fahren lassen und sich in ihrer Wohnung eingeigelt. Die Frau wohnt nicht weit von Dresden und Leipzig entfernt.

Ich bin wirklich fassungslos, welch eine Schwelle da überschritten wurde. Man macht einen wehr- und hilflosen Menschen noch wehr- und hilfloser und tut dies in einer Umgebung, in der man jederzeit von anderen Menschen bei seinem Tun überrascht werden kann. Bodenlose Dummheit? Oder die Überzeugung, dass man nicht abgehalten oder gar für sein Handeln verurteilt wird? Eine Arztpraxis ist schließlich keine Eremitenhöhle, dort ist ein ständiges Kommen und Gehen. Dass da auch noch unverhohlen ein faschistisches Menschenbild transportiert wird, überrascht mich dabei noch am wenigsten. Die Tatsache, dass es jederzeit jeden so schwer erwischen kann, dass er für den Rest seines Lebens unter schweren Beeinträchtigungen leiden muss, hat sich offensichtlich nicht bis zu diesem Charakterwrack herumgesprochen.

Wenn ich so etwas lese, frage ich mich natürlich auch: Muss ich mir ebenfalls Sorgen machen? Kann ich hier noch normal leben, ohne Angst zu haben, von einem moralisch und ethisch fehlgeleiteten Wirrkopf bedroht oder angegriffen zu werden? Ich befürchte, dass sich das viele Menschen mit Behinderungen fragen, denn das, was der jungen Frau passiert ist, ist kein Einzelfall.


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