Schon wieder ein Welttag!


Es gibt mittlerweile reichlich internationale und nationale Gedenk- und Ehrentage. Ich habe den Eindruck, dass es jedes Jahr mehr werden. Als ich gerade bei Google nach etwas suchen wollte, wurde unter dem Eingabefeld klein eingeblendet: Heute ist der Tag der kleinen Betriebe und Geschäfte.

Ich bin etwas über 50. In meiner Kindheit gab es ganz überwiegend kleine Betriebe und Geschäfte. Der Schuster war allein in seiner Werkstatt, seine Frau kümmerte sich um das Büro. Der Kaufmann an der Ecke praktizierte einen Mix aus Selbstbedienung und Thekenverkauf; ich weiß noch, dass die Angestellten nicht so begeistert waren, wenn wir Grundschulzwerge uns allein zwischen den Regalen umsahen. Wahrscheinlich befürchteten sie, dass die Ware Beine bekommen könnte. 

Kurzwaren - also Nähnadeln, Knöpfe, Reißverschlüsse und dergleichen - gab es im Laden von Frau B. Meine Mutter und Frau B. waren in einem ähnlichen Alter und kannten sich mit Namen. Wenn wir das Geschäft betraten, erzählten sie sich, was sich in ihren Familien ereignet hatte. Stand ich als Kind daneben, wenn mein Name fiel, hielt sich meine Begeisterung über diese Art von Informationsaustausch in Grenzen.

Als in dem Ort, in dem ich aufgewachsen bin, ein sogenanntes "Gemeinschaftswarenhaus" eröffnet wurde, war das ein Ereignis. Unter einem gemeinsamen Dach hatten sich verschiedenste Einzelhändler angesiedelt. Das muss in den 1970-er Jahren gewesen sein. Dieses Konzept war der Vorläufer der heutigen Malls und Einkaufspassagen. 

Damals war das alles noch sehr schlicht: blanker Betonboden, die Ladenflächen waren durch farbige Markierungen gekennzeichnet. Es gab kaum Deko und schon gar keine Glas- oder Edelstahlflächen, aber das Gebäude war groß genug, dass ich einmal meiner Mutter durch die Lappen gegangen bin und sie in der Verwaltung darum gebeten hat, mich auszurufen.

Obwohl dieses Gemeinschaftswarenhaus schon ziemlich groß war, kannte man dennoch die Einzelhändler, die dort verkauften. An den Tresen und Kassen standen fast immer die Inhaber, manche wurden von Verkäuferinnen unterstützt. Der persönliche Kontakt zu den Kunden wurde auch dort gepflegt.

Wo sind sie alle geblieben?

Aus irgendwelchen Gründen wurde das Warenhaus geschlossen und es siedelten sich im Lauf der nächsten Jahrzehnte unterschiedliche Supermärkte in dem Gebäude an. Sie sahen und sehen so aus, wie Supermärkte nun mal aussehen: lange Regale, gestresstes Personal, null Beratung, null Service. Die Kommunikation beschränkt sich in der Regel auf einen kurzen Standarddialog an der Kasse: Wenn ich die Waren aufs Band lege, kommt ein "Hallo", wenn ich bezahlt habe "Einen schönen Tag noch!". Und ich weiß, dass dieser letzte Satz nur als Floskel gemeint ist. 

Ich finde das langsame Sterben des (inhabergeführten) stationären Einzelhandels sehr schade. Vermutlich wird die Erkenntnis, welche Vorteile er mit sich bringt, erst dann im Bewusstsein vieler Kunden ankommen, wenn er so gut wie ausgestorben ist und ein paar große Versender und einige wenige stationäre Ketten den Markt in der Hand haben. Wenn wir das nicht wollen, gibt es ein gutes Mittel: dort einkaufen, wo es noch eine gute Beratung und eine persönliche Ansprache gibt, die auch wirklich persönlich gemeint ist.

Die kleinen Betriebe und Geschäfte haben diesen Welttag bitter nötig.   

Kommentare

  1. Früher gab es nur die kleinen Geschäfte und keine Kaufhäuser oder Supermärkte. Es begann das Problem im Einzelhandel mit großen Kaufhäusern, die kleinen Läden eine echte Konkurrenz wurden. Mit dem Online-Kauf über Internet war das Aus der kleineren Händler besiegelt. Ich gebe zu, dass ich auch gerne alles in einem Haus kaufe (Supermarkt) und nicht in den Milch- und Käseladen, den Tabaksladen wegen Zeitschriften, die Metzgerei, die Bäckerei, den kleinen Kramladen, den Schreibwarenladen und den Gemüseladen gehen möchte, um meinen Wocheneinkauf zu machen. Deshalb jammere ich nicht. Aber auch mir tut es leid, dass alle kleinen Läden verschwunden sind.
    Wenige große Ketten haben nun das Sagen und diktieren die Preise. Noch schlimmer, sie bestimmen auch die Konditionen der Händler.
    Momentan bedauere ich, dass viele Läden mit Damenoberbekleidung in der Stadt verschwunden sind. Schuhläden gibt es schon lange nicht mehr, obwohl unsere Stadt einmal als "Schuhstadt" bezeichnet wurde. Nun muss ich weiter weg fahren oder online kaufen, wenn ich was brauche. Schade!
    Dafür sind unzählige Handy-Shops, 1-€-Läden, Läden mit Dekokrams (für mich unnötig) und Filialen von Großbäckereien in der Stadt entstanden.
    Liebe Grüße von der Pfälzerin

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    1. Das ist hier ganz genauso. In der Innenstadt von Hannover dominieren die Ketten das Bild, nach und nach sind die Traditionsgeschäfte, die sich ihren guten Ruf durch Qualitätsware und fundierte Beratung erworben hatten, aus dem Stadtbild verschwunden. In Kürze wird in meinem Wohnort (direkt an der Grenze zu Hannover) der Bäcker schließen, von dem wir seit mehr als 20 Jahren vom Brötchen bis zum Kuchen alles gekauft haben. Er gehört zu den wenigen richtigen Handwerksbäckern in unserer Gegend, die noch alle Teige selbst ansetzen. Er müsste wohl einen neuen Ofen kaufen und seine Läden renovieren, aber bis zu seiner Rente in zehn Jahren lohnen sich diese Investitionen nicht mehr. Seine Söhne wollen die Firma nicht übernehmen. Alle Kunden bedauern das sehr. Mal sehen, wo wir dann unsere Backwaren kaufen werden.
      Windige Grüße von der Niedersächsin

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