Ein Weltkongress vor der Haustür

Ich habe eher zufällig mitbekommen, dass in Hannover gerade ein Weltkongress stattfindet, für den 120 Teilnehmer aus 35 Ländern angereist sind. Der Kongress wird vom INSP veranstaltet, dessen Mitglieder sich zu diesem Zweck jedes Jahr in einer anderen Stadt treffen und über die Zukunft ihres Anliegens diskutieren.

INSP? Nie gehört? Das ging mir auch so, und das,
obwohl der Verband in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum begeht. INSP - diese Buchstaben stehen für International Network of Streetpapers. Es handelt sich also um Mitarbeiter von Straßenzeitungen, die sich gerade in Hannover über die Probleme und die Zukunft von 'Asphalt' (Hannover), 'The Big Issue' (Cape Town, South Africa), 'Aurora da Rua' (Salvador-Bahia, Brasilien), 'Дорога к Дому' ('Straße nach Hause'; Odessa, Ukraine) und 96 weiteren Straßenzeitungen unterhalten. 
Manche Themen, über die diskutiert wird, sind auf einzelne Länder beschränkt, andere sind für alle Straßenzeitungen von Interesse. Die deutschen Straßenzeitungen fordern z. B. eine höhere Hartz 4-Zuverdienstgrenze, ein nahezu weltweites Thema ist die Entwicklung des bargeldlosen Zeitungsverkaufs. In Schweden ist diese Art des Bezahlens deutlich verbreiteter als in Deutschland: Ein Großteil der Schweden überweist Beträge mit einer Smartphone-App oder zahlt an der Kasse per Karte. Das geht auch an den Verkäufern von Obdachlosenzeitungen nicht vorbei: Sie verlieren Kunden, wenn sie nicht technisch mithalten können. Aber diese Technik zu beschaffen und einzurichten, kostet Geld, und Geld ist bei allen Straßenzeitungen dieser Welt ein knappes Gut.

Wir kaufen schon seit vielen Jahren die 'Asphalt', wenn wir unterwegs einen Verkäufer sehen. Nicht nur wegen der Inhalte, die sich oft um aktuelle soziale Probleme oder die Kommunal- und Landespolitik drehen. Das Konzept der Hilfe zur Selbsthilfe finde ich überzeugend: Obdachlose, die sonst kaum wahrgenommen und schon gar nicht angesprochen werden, kommen mit ihren Kunden in Kontakt. Da die Verkäufer feste Verkaufsplätze haben, haben die meisten eine Stammkundschaft, mit der sie über den normalen Verkaufsdialog hinaus ins Gespräch kommen. Außerdem ermöglicht ihnen der Zeitungsverkauf ein Einkommen neben Hartz 4. Da ist häufig der erste Schritt getan, der aus der Wohnungslosigkeit hinausführt.

Wie das INSP wird auch 'Asphalt' in diesem Jahr 25. Ich wünsche mir, dass die Straßenzeitungen nicht nur hier, sondern überall eine so breite Akzeptanz und Aufmerksamkeit finden, dass es ihnen wirtschaftlich möglich ist, ihr Überleben dauerhaft zu sichern. Um das zu erreichen, gibt es einige "Botschafter", die für das Netzwerk unterwegs sind. Dazu gehören beispielsweise der brasilianische Bestsellerautor Paulo Coelho, der schottische Autor Irvine Welsh oder Eva Bolander, die Lord Provost of Glasgow. Also: Alles Gute für die nächsten 25 Jahre!
 

Kommentare

  1. Danke für diesen Beitrag! Leider habe ich in meiner Heimatstadt Lehrte noch gar keinen Verkäufer der Asphalt gesehen. Vielleicht lohnt es sich nicht, im (ganzen) Umland von Hannover zu verkaufen.

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    1. Das würde mich wundern. Ruf doch einfach mal bei der Asphalt an und frag nach dem Verkaufsplatz eines Verkäufers. Am Lehrter Einkaufszentrum würde es sich bestimmt lohnen.

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