Ich hätte das nicht für möglich gehalten

Als ich gestern Abend von einer Verabredung nach
Hause kam, zeigte mir mein Mann ein Schreiben der Polizeidirektion Hannover, das ein paar Stunden zuvor in unseren Briefkasten eingeworfen worden war. Darin hieß es, dass in unserer Nachbarschaft in der Nacht vom 17. auf den 18. Mai 2019 aus augenscheinlich antisemitischen Gründen versucht wurde, das Haus eines Nachbarn in Brand zu setzen. Die Polizei bat um Hinweise, die zur Identifizierung des Täters führen können.

Meinen Mann und mich machte das zunächst ratlos. Ich wohne seit 1992 in unserer Kleinstadt, mein Mann ist um 2000 hierhergezogen. Wir wussten bis dato auch gar nicht, dass wir jüdische Nachbarn haben. Sollte sich da jemand einen schlechten Scherz erlaubt haben? Der Brief hatte ein paar orthografische Fehler, außerdem begann er mit "Wir haben Sie leider nicht angetroffen", obwohl gar nicht versucht worden war, mit meinem Mann zu sprechen. 

Doch heute Abend veröffentlichte unsere Tageszeitung auf ihrer Homepage diese Meldung: Jemand hat tatsächlich an die Haus- und die Gartentür einer jüdischen Familie in unserer Nähe in roter Farbe das Wort "Jude" geschmiert und versucht, die Fußmatte vor der Haustür anzuzünden. Uns macht das fassungslos. Und stinksauer. Ich will das, was mir gerade durch den Kopf geht, lieber nicht in diesen Text schreiben. 
Was ich noch empfinde: Es ist ein Riesenunterschied, ob man von solchen Taten nur liest oder sie einem praktisch auf die Pelle rücken und in nächster Nähe passieren. Ich will nicht akzeptieren, dass sich die Geschichte wiederholt und sich Menschen über Mitbürger stellen, weil man sie es tun lässt. Wer immer das getan hat, hat nicht nur versucht, eine Familie wegen ihres Glaubens an den Pranger zu stellen, sondern auch ihren Tod in Kauf genommen. Ich hoffe sehr, dass diese Person gefunden und ihr der Prozess gemacht wird. Haltet die Daumen, dass das klappt und sich so etwas nicht wiederholt. Ich muss das erstmal verdauen.

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