Umgeben von Bekloppten?

Wenn ihr mich am Ende des Textes für arrogant haltet: okay. Aber ich möchte euch einfach mal erzählen, was ich vor Kurzem mit zwei Mitmenschen erlebt habe.

Wir wohnen in einem Viertel, das in den 1960-er
Jahren gebaut wurde. Damals hatte man nicht mit der Verzigfachung von Autos gerechnet, die bis heute eingetreten ist. Wie in vielen anderen Wohnquartieren sind deshalb auch hier die Straßen zu eng, um als Parkraum zu dienen und gleichzeitig Fahrzeuge aus beiden Richtungen parallel passieren zu lassen. Als ich den Führerschein gemacht habe, habe ich gelernt, dass derjenige, auf dessen Seite ein Hindernis ist, dem Gegenverkehr ausweichen muss. Er muss also hinter dem Hindernis stehenbleiben oder auch mal in eine Lücke z. B. zwischen zwei am Straßenrand parkenden Autos fahren, um die entgegenkommenden Fahrzeuge vorbeizulassen. Ich habe damals auch gelernt, dass man mit einem Pkw nicht auf einem Fußweg fahren darf. Beides hat sich meines Wissens bis heute nicht geändert.

Vor ein paar Tagen wollte ich mit meinem Auto zum Einkaufen fahren. Ich befand mich auf der Straßenseite, die nicht beparkt werden darf. Die andere Seite war wie meistens voller Autos, aber zwischen ihnen sind immer wieder Einfahrten, vor denen man einscheren kann. Kurz vor einer kleinen Kreuzung kam mir ein Kleinwagen mit einem Paar entgegen. Die beiden dürften ungefähr Ende 20 gewesen sein. Es gab eine klare Arbeitsteilung: Sie fuhr, er gestikulierte. Sie bremste erst ab, als sie sich bereits dicht vor meinem Pkw befand, obwohl sie ein paar Meter davor hinter einem parkenden Auto hätte anhalten und mich vorbeilassen können. Er winkte und zeigte mir deutlich, dass ich ihnen ausweichen sollte, indem ich über den Fußweg rechts neben mir fahren sollte. Ich schüttelte den Kopf. Mir ist klar, dass das in dieser Straße häufig so gehandhabt wird. Aber außer den beiden schon genannten Gründen, aus denen ich das nicht tue, gibt es noch einen dritten: Durch das Befahren des Fußwegs bricht mit schöner Regelmäßigkeit dessen Einfassung weg. An einem Bautrupp, der diese Beschädigungen an einem halben Dutzend Stellen reparierte, war ich zehn Meter zuvor gerade vorbeigefahren.

Ich blieb also, wo ich war, was den jungen Mann völlig in Rage brachte. Er stieg aus dem Auto aus, kam stinksauer zu mir und fragte, was denn daran so schwer sei, mal eben kurz über den Fußweg auszuweichen. Ich erklärte ihm, wie ich die Situation sah und dass seine Begleiterin nur drei Meter zurücksetzen müsse. Mehr war es tatsächlich nicht. Doch er beharrte auf dem, was er für sein Recht hielt, und redete weiter heftig gestikulierend auf mich ein. Er sah aus, als würde er jeden Moment vor Zorn explodieren. Dann realisierte er, dass seine Begleiterin keine andere Wahl hatte, als eben diese drei Meter zurückzusetzen. Mit dem Ausruf "Wie geistesgestört muss man eigentlich sein?" wendete er sich ab und stieg wieder ins Auto. Seine Freundin fuhr die kurze Strecke rückwärts und wir kamen problemlos aneinander vorbei. Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, dass er das tat, was er offenbar am besten konnte: gestikulieren.

Vor zwei oder drei Monaten ist mir in derselben Straße ungefähr 200 Meter davor etwas Ähnliches passiert. Diesmal saß ein Rentnerpaar im Auto; der Mann war, obwohl er mich gesehen hatte, an drei großen Lücken, wo er mir ohne Schwierigkeiten hätte ausweichen können, vorbei und auf mich zu gefahren. Da stand er nun und machte mir winkend und mit zorniger Miene verständlich, dass ich ihm Platz machen sollte, indem ich über den Fußweg fahre. Es ist nicht schwer zu erraten, wofür ich mich entschieden habe. Daraufhin stellte er den Motor seines Pkws ab, ich tat das dann auch bei mir. Dann verschränkte er demonstrativ die Arme und sah mich trotzig an. Ich konnte mir gut vorstellen, wie er das 70 oder mehr Jahre zuvor als kleiner Junge gegenüber seiner Mutter gemacht hatte. Wie wollen solche Leute ernst genommen werden? Auch ihn verließ die Geduld, als er meinen gelangweilten Blick registrierte, und er stieg aus, um mich direkt an meinem Auto zu beschimpfen. Für solche HB-Männchen habe ich nur Verachtung übrig. Er speicherte den inhaltlich gleichen Sermon aus wie der jüngere Mann, von dem ich oben erzählt habe. "Ich kann hier stehen bleiben bis morgen früh. Ich habe Zeit! Ich bin Rentner!", ranzte er mich an. "Das ist sehr schön, ich habe auch Zeit", antwortete ich so gelassen wie möglich. Seinem Blick nach zu urteilen, hätte er mich spätestens jetzt am liebsten verprügelt. Letzten Endes habe ich angeboten, so weit zurückzusetzen, bis er die nächste Lücke zwischen zwei parkenden Autos ansteuern konnte. So trennten sich unsere Wege. Werden neuerdings Autos ohne Rückwärtsgang hergestellt? 

Ich habe mich beide Male gefragt, was diese Männer so aufgeregt hat, dass sie dermaßen ausgerastet sind. Sie befanden sich beide klar im Unrecht. Ich habe mich außerdem gefragt, wie ihre Gemütslage wohl ist, wenn sich in ihrem Leben etwas wirklich Dramatisches ereignet? Kennen sie auf ihrer Erregungsskala nur die Zustände 0 (Ruhe) und 1 (höchste Wut) und nichts dazwischen? Oder brechen sie unmittelbar mit einem Herzinfarkt zusammen, wenn ihnen etwas wirklich Schlimmes passiert? Und wann hat das angefangen, dass sich Menschen wegen praktisch nichts auf offener Straße in diesem Maß beschimpft haben? Ich habe das Gefühl, dass das immer schlimmer wird: die Egozentrik, der Egoismus und eine Art Macho-Kultur. Grässlich.

Nur ein Beispiel-Schreihals, nicht einer von den beiden oben genannten.


 

Kommentare

  1. Ja, auch ich erlebe solche Situationen gelegentlich. Von Erlebnissen im Straßenverkehr könnte man Bücher schreiben. Manche Leute haben ein regelrechtes Imponiergehabe und denken, wer schreit hat recht. Falsch gelegen, fast immer bleibe ich ruhig und gelassen und ignoriere solche Schreihälse.
    Es gibt Männer, die kein Unrecht erkennen. Als junge Frau machte ich Telefondienst im Büro und hatte einen Bekannten in der Leitung, der mich nicht erkannte. Der hat sich am Telefon dermaßen schlimm benommen, dass ich ihn seither ignorierte. Nun lebt dieser damals ältere Mann schon lange nicht mehr, aber ich denke noch manchmal daran, wie er ohne Grund dem 'jungen Ding' am Telefon die Meinung geigte. Er hatte bestimmt nur einen schlechten Tag und nie erfuhr er den Grund, warum ich ihn gemieden habe.
    Bleibe bitte weiterhin cool im Straßenverkehr und lasse die Zornigen toben.
    Aufmunternde Grüße von der Pfälzerin



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    1. Bis jetzt ist es mir gelungen . Aber vor Jahren hat mir eine Bekannte erzählt, was ihrem Mann passiert ist: Er war auf der Bundesstraße grundlos von einem anderen Autofahrer blockiert worden. An der nächsten roten Ampel hat er in dessen Richtung missbilligend den Kopf geschüttelt. Daraufhin ist der Andere ausgestiegen, hat sich einen Totschläger über die Hand gestreift und das Fenster auf der Fahrerseite durchschlagen. Einige der Scherben wurden dabei dem Mann meiner Bekannten in das linke Auge gedrückt, auf dem er jetzt nur noch 30 % Sehfähigkeit hat. Der brutale Autofahrer war einschlägig vorbestraft. Das ist das Krasseste, was ich bislang über unmittelbare Konflikte zwischen Autofahrern gehört habe und es ist mir damals eiskalt den Rücken heruntergelaufen. Die Erinnerung daran schwingt immer ein bisschen mit, wenn ich in solche Situationen gerate: Wie weit wird mein Gegenüber gehen?
      Liebe Grüße von der Niedersächsin

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    2. Das zu lesen ist für mich erschreckend.
      LG Ingrid

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  2. Bei manchen Menschen hab ich das Gefühl, sie haben den Führerschein in der Lotterie gewonnen und davon sind der größte Teil Männer. Zum einen weil sie einem ungerechtfertigt belegen und zum anderen weil drei von ihnen an Unfällen mit mir schuld waren. Versöhnlich stimmt mich aber, das mir mindestens genauso viele bei einer Panne oder aus einer misslichen Lage geholfen haben.

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    1. Diese beiden Herren hatten ihre Defizite. Was ich beide Male nicht erkennen konnte, war, wie sich die beiden Frauen in dieser Situation gefühlt haben. Zustimmung oder Fremdschämen?

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  3. Ich würde mal tippen, die Beifahrerinnen schämen sich in Grund und Boden, oder sind mittlerweile imprägniert. Ich hatte auch einmal so einen Lebensabschnittsgefährten. Das war einfach nur schlimm und peinlich.
    Bleib weiter locker!
    LG
    Sandra

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    1. Liebe Sandra, ich werde mir Mühe geben, kann aber nichts versprechen. Ich glaube, ich würde, wenn ich meinen Partner so erlebe und sehe, wie er bei Nichtigkeiten derart ausrastet, sehr nachenklich werden.
      LG
      Ina

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  4. Naja, jedenfalls bei dem älteren Herrn ist ja die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ihn das nächste Mal der Herzinfarkt erwischt.

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    1. Tja, das kann man nie wissen... ;-) Aber wir beide wollen doch anderen nichts Böses, nicht wahr?

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