Nur mal eben schnell etwas eingeben...

Wie läuft das bei Euch ab, wenn die Zählerstände der
Gas- oder Wasseruhr oder auch des Stromzählers abgelesen werden müssen? Früher kam dazu jemand ins Haus, der sich vorher angemeldet hatte. Dann kam jemand, ohne sich vorher anzumelden. Das fand ich eher unangenehm, weil ich nicht einschätzen konnte, ob der Firmenausweis, der mir da unter die Nase gehalten wurde, echt oder eine geschickte Fälschung war. 

Dann wurde die Selbstablesung eingeführt. Man trug die Daten auf das beigefügte Antwortkärtchen ein, schmiss es in den Briefkasten und irgendwann, wenn man schon gar nicht mehr daran dachte, kam ein Brief, in dem die Höhe der Nachzahlung und der neuen (meistens höheren) Rate standen. Das gibt es heute immer noch, aber jetzt kann man auch wählen, ob man sich mit einem QR-Code direkt auf dem sogenannten "Kundenportal" des Anbieters wiederfindet oder am Computer händisch die entsprechende Webseite aufruft. 

Wir haben den Stromanbieter gewechselt. Dieses Mal nicht, um Geld zu sparen, sondern um atom- und kohlekraftfreie Elektrizität zu beziehen. Klare Sache: Dazu musste der Zählerstand abgelesen und gemeldet werden. Auf der Info-Postkarte, die vor einigen Tagen in unserem Briefkasten lag, wurden die oben erwähnten Möglichkeiten des Datentransfers angeboten. Da mein Smartphone gerade in Griffweite lag, habe ich es zunächst mit dem QR-Code probiert. App aufrufen, den Rahmen auf dem Display über das Code-Feld auf der Postkarte halten und in weniger als zwei Sekunden ist man auf der richtigen Seite des Stromversorgers. Alles ganz einfach. Danach müssen nur noch die Mail-Adresse, mit der man sich in grauer Vorzeit mal registriert hat, und das Passwort eingegeben werden, und es geht flott weiter zur Eingabe der Zählerstände. Zwei oder drei Minuten, und alles ist erledigt. Eigentlich. 

Ich bin schon früh ausgebremst worden. Nachdem ich meine Mail-Adresse eingegeben hatte, las ich in roter Schrift: "Bitte geben Sie eine gültige Adresse ein." Hatte ich. Kein Vertipper drin, von mir aus war alles okay. Ich versuchte es ein zweites Mal, es erschien dieselbe Fehlermeldung. "Mein" Internetanbieter ist kein Unbekannter und war vor einem Jahr das beliebteste Unternehmen der Branche. Schreibt zumindest der Focus. Aber der Netzanbieter akzeptierte meine Mailanschrift auch beim dritten Versuch nicht. Ich war mir sicher, mich unter dieser Adresse registriert zu haben, aber vielleicht gab es ja eine andere Möglichkeit: Ich versuchte es dann mit meiner zweiten Mail-Anschrift. Sie stammt von dem Suchmaschinen-und-noch-einiges-andere-mehr-Betreiber mit dem großen G. Bekannter geht es nicht, dachte ich. Aber auch diese Adresse wurde als ungültig eingestuft. Auch ein zweiter Anlauf brachte kein anderes Ergebnis. Meine Zeitvorstellung, den Stromverbrauch in zwei Minuten zu übermitteln, hatte sich spätestens jetzt in Rauch aufgelöst. 

Am Rand der Eingabeseite sah ich dann ein Piktogramm für den Hilfe-Chat. Die Rettung war nah! Es meldete sich: Max! Max machte keinen Hehl daraus, dass es ihm deutlich an Fleisch und Blut mangelt: "Ich bin Ihr digitaler Assistent", stellte er sich vor. Zu diesem Zeitpunkt war es 10:06 Uhr. Ich habe Max mein Problem in drei kurzen Sätzen geschildert, wovon er augenblicklich überfordert war: "Bitte formulieren Sie Ihr Anliegen oder Frage in einem kurzen Satz." Ich habe also drei Sätze übersichtlich auf einen Satz mit acht Wörtern geschrumpft. Aber Max war wieder nicht zufrieden: "Ich habe Sie leider nicht verstanden, bitte versuchen Sie, Ihr Anliegen anders zu formulieren." Meine Reaktion: eine gänzlich andere Wortwahl, aber auf weniger als acht Worte habe ich es nicht gebracht. Prompt wurde mein langer Text von Max abgestraft: "Darf ich Sie an meine Kollegen weiterleiten?" Vor meinem geistigen Auge sah ich, dass an irgendeiner Stelle der Technik jetzt die Drähte glühten. Ich stimmte der Weiterleitung zu. 10:09 Uhr.

"Willkommen, Sie chatten mit Cornelia." Ein Mensch, ein richtiger Mensch würde sich ab sofort um mein Anliegen kümmern! Alles würde gut werden. Cornelia bat mich um die Nummer des Vertragskontos und versprach, sich einzulesen. 10:13 Uhr.
"Bitte nennen Sie mir zum Abgleich, um welche Verbrauchsstelle es sich handelt." 10:16 Uhr.
Ich bin übrigens schlecht im Warten. Richtig schlecht sogar. Ich dachte, ich erwähne das hier einfach mal.
Cornelias nächste Hinweise waren so hilfreich wie ein Nagel in einem Fahrradreifen. Sie offenbarten, dass sie sich entweder nicht wie angekündigt eingelesen oder nichts verstanden hatte: "Sie haben sich im Kundenportal mit der E-Mail-Adresse xyz registriert." Genau. "Sie loggen sich über Login ein. Und geben dann Ihr Passwort ein." Das konnte nicht ihr Ernst sein. Sollte es sich bei Cornelia nun doch nicht um eine Frau, sondern nur wieder um einen Algorithmus handeln, der mir vorgaukeln soll, es mit einer echten Beraterin zu tun zu haben?
"Diese Adresse wird jedoch von der HP als ungültig betrachtet und nicht akzeptiert", erinnerte ich sie an das, was ich schon weiter oben geschrieben hatte. "Was ich machen muss, weiß ich. Es geht mir nur um das Problem mit dem System." 10:21 Uhr.
Daraufhin Cornelia mit der banalen, aber wahren Aussage: "Sie haben sich damit registriert."
Ich: "Da sind wir uns einig."
Nun machte Cornelia einen Versuch, den gordischen Knoten zu durchschlagen: "Ich kann den Account deaktivieren, damit Sie einen neuen Account anlegen können. Wäre das in Ordnung für Sie?" Ich glaube, ich habe fünf Sekunden fassungslos auf mein Display gestarrt. War ihr nicht klar, dass ich auch für den x-ten neuen Account auf jeden Fall eine Mail-Adresse brauchte, meine jedoch beim System ihres Arbeitgebers auf geheimnisvolle Weise durchs Raster fallen? Ihr nächster Tipp: "Bitte löschen Sie Ihren Browser-Verlauf. Vielleicht hilft das."

Ich habe den Rat ignoriert und einen neuen Versuch gestartet, mich einzuloggen. Cornelia war mittlerweile sichtlich überfordert und begann, mir Fragen zu stellen, die sich an einen anderen Kunden richteten. "Sorry, ich habe zwei Chats zu bedienen", löste sie die Verwirrung dann auf. Mein Versuch, nun doch mit meinen Anmeldedaten zum Erfolg zu kommen, ging dann völlig daneben: Für einen kurzen Moment sah ich noch, dass ich weitergeleitet wurde, um dann aus der Seite hinauszufliegen. Als ich Cornelia davon berichtete, sagte sie lapidar: "Dann versuchen Sie das später noch mal." Große Klasse. 10.29 Uhr. 
Unsere digitalen Wege trennten sich endgültig um 10:30 Uhr, nachdem mir Cornelia "einen tollen Tag" gewünscht hatte. Danke gleichfalls. Etwa eine halbe Stunde hatte ich damit verbracht, mir erfolglos - trotz der Beratung durch Algo-Max und Cornelia - einen Zugang zu meinem Konto auf dem Kundenportal des Netzanbieters zu verschaffen. Ich glaube, bei der nächsten Ablesung werfe ich einfach die ausgefüllte Karte in den Briefkasten.

Kommentare

  1. Ich hoffe du bist mir nicht böse, aber ich hab einige Male herzlich gelacht.
    Genial geschrieben.

    LG Peggy

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    1. Liebe Peggy, warum sollte ich Dir deswegen böse sein? Das, was ich gestern erlebt habe, hätte auch die Überschrift haben können "Humor ist, wenn man trotzdem lacht". LG Ina

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  2. Herrlich amüsant geschrieben. Ob irgendwer schon mal einen Algorithmus programmiert hat, der berechnet, wie viel von der "eingesparten Zeit" wir durch solch einen absurden Kundenservice (wo fände der sich nicht?) wieder verplempern? Ich versuche in Zukunft, mir an dir ein Beispiel zu nehmen und meinen Humor nicht zu verlieren. :) LG Sabine

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    1. Liebe Sabine, ich habe meinen Humor zwischenzeitlich wiedergefunden. Aber gestern hatte er sich durchaus für eine Weile verabschiedet. LG Ina

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  3. Kleiner Tipp:
    Normalerweise ist es egal, ob Mailadressen mit Groß- oder Kleinbuchstaben eingegeben werden. Manche Systeme verlangen aber die Originaleingabe. Wenn also Großbuchstaben mit eingegeben wurden, müssen die auch bei der nächsten Eingabe wieder so eingegeben werden.
    Wurde bei Anmeldung also XYna me@anbieter.de eingegeben, funktioniert die Anmeldung mit xyname@anbieter.de nicht.

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    1. Hallo Lutz, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, mich zu unterstützen. Ich mache sehr viel im Internet und kann Dir versichern, dass ich es genauso gemacht habe. Es war völlig rätselhaft. LG Ina

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  4. Nichts zu danken Ina. Gerne.
    Solltest du aber deinen Humor ernstlich verlieren wollen, versuch doch mal bei der Telekom zu klären, warum zwar das Glasfaserkabel inzwischen neben dem Haus liegt, der bereits vor Monaten beantragte Hausanschluss aber irgendwie vergessen wurde....

    Inzwischen sind sie also bei ca. 10 Stunden Warteschleife, 5 Stunden telefonieren mit äußerst kompetenten Mitarbeiter/innen und zwei Briefen.....

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    1. Ach weißt Du, es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die ich gar nicht so genau wissen will. Die Sache mit der Telekom und dem Glasfaserkabel könnte da ziemlich weit oben rangieren... 😉 Aber ich wünsche Dir starke Nerven, dass Du nie Deinen Humor verlieren mögest und dass alles gut wird. Das war hier am Ende auch so. LG

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