Die Gottschalks als gutes Beispiel für eine lange Ehe?

Als ich heute die Tageszeitung gelesen habe, sprang
© Helene Souza / pixelio.de
mir weiter hinten ein größerer Artikel ins Auge. Kein Wunder, denn zum x-ten Mal in den letzten beiden Wochen war die Trennung von Thea und Thomas Gottschalk der Aufmacher, über das Foto am Beginn des Textes konnten die Augen nichts anderes als stolpern.


Dass mich der Moderator Gottschalk schon seit seiner Endlos-Werbeschleife für einen Süßwarenhersteller aus Bonn nervt: geschenkt. Aber dass die Trennung von seiner Frau nach über 40 Ehejahren an jeder Ecke diskutiert wird, nervt mich mindestens ebenso. Hier diente sie als Aufhänger für eine längere Betrachtung über sehr kurze und sehr lange Promi-Ehen, die in die Überlegung hinüberglitt, wie zeitgemäß denn heute noch das Festhalten an (langen) Ehen ist. Der Hinweis, dass man früher aufgrund der geringeren Lebenserwartung mit einer kürzeren Ehedauer zu rechnen hatte, ist völlig richtig: Die 1950 Geborenen können statistisch gesehen nicht damit rechnen, 70 Jahre alt zu werden; wer 2015 zur Welt kam, hat eine Lebenserwartung von rund 78 (Männer) bzw. 83 Jahren (Frauen). Auch über die Gründe des Durchhaltens oder der Trennungen hat der Redakteur spekuliert.

An dieser Stelle kamen mir Erlebnisse in den Sinn, die ich im Laufe der Jahre in meinem Freundes- und Bekanntenkreis hatte. Eine Bekannte blieb bei ihrem Mann, den sie im Grunde verachtete, nur deshalb, weil er mit seinem Einkommen dafür sorgte, dass das von der Familie bewohnte Eigenheim bezahlt wurde und die Kinder nicht umziehen mussten. Die schlechte Atmosphäre zwischen den Eheleuten war ständig greifbar. Wenn beide in einem Zimmer waren, gefror die Luft zwischen ihnen. An den Kindern ging das nicht spurlos vorüber: Sobald sie sich sahen, fanden sie Gründe, sich keifend in den Haaren zu liegen. Das Geräusch knallender Türen gehörte zum Alltag wie das Rauschen der Klospülung. Die Frau, die damals aus ökonomischen Gründen an ihrer unglücklichen Ehe festhielt, war Akademikerin und hatte einen Beruf, der für ein gutes Einkommen gesorgt hätte.

Auch andere Frauen in meiner Umgebung bleiben in ihren langjährigen Ehen. Die eine begründet es mit einem der Kinder, das noch zu Hause wohnt; die andere weiß, dass ihre Situation völlig vertrackt ist, da gibt es eher psychosoziale Hemmschwellen.
Bei allen schlage ich im Geiste die Hände über dem Kopf zusammen. Beide haben für ihre Männer kaum ein gutes Wort übrig, wenn sie über sie sprechen, ist ihre Geringschätzung spürbar. Aber man bleibt zusammen, so, als hätte man noch ein paar Leben übrig und könnte es im nächsten besser machen. 

Zusammen zu bleiben oder eben nicht, nach einem, zehn oder eben 42 Jahren wie bei den Gottschalks kann sehr viele Gründe haben. Ökonomische, soziale und auch psychologische - oder einen Mix aus allem. Ich fand beim Lesen des Artikels nicht nur unpassend, dass die Gottschalks, die mit einem deutschen Ehepaar, das ein normales und durchschnittliches Leben führt, kaum etwas gemeinsam haben, als Einstieg herhalten mussten, gefolgt von z. B. Goldie Hawn und Jeff Bridges sowie Britney Spears (wegen ihrer Mini-Ehe). Die Thematik ist außerdem so anspruchsvoll und vielschichtig, dass sie nicht in 1.500 Wörter hineingepresst werden sollte. Man kann auf so wenig Raum hierzu nichts Gehaltvolles unterbringen. Aber der Autor, der sich normalerweise eher um kulturelle Themen kümmert, wird da seine Vorgaben gehabt haben. 

Seit geraumer Zeit entstehen ganze Inhaltsblöcke nicht mehr in den einzelnen Zeitungen, sondern wie dieser Artikel in unserer Tageszeitung im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Darüber werden sie reichlich dupliziert, was der journalistischen Qualität nicht guttut. Aber das ist ein ganz anderes Thema.

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