So sind sie, die Deutschen

Ich bin kürzlich über einen Artikel in unserer Tageszeitung gestolpert, der mich beim Lesen etwas mehr als 25 Jahre in die Vergangenheit zurückwarf. Es ging darum, dass die an Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen grenzende niederländische Provinz Drenthe darüber nachdenkt, wie sie mehr Touristen aus diesen Bundesländern anlocken kann. Die niederländischen Tourismusbetriebe konnten sich kürzlich in einem Workshop darüber aufklären lassen, wie sich der Umgang mit Deutschen am besten gestalten lässt. Verkürzt gesagt gab es diese Informationen: Deutsche werden gern auf Deutsch angesprochen, gern auch mit niederländischem Akzent. Ich muss da spontan an Rudi Carrell, den 2006 verstorbenen niederländischen Showmaster denken, der in Deutschland sehr populär, aber in seiner Heimat kaum bekannt war. Er sprach akzentfrei Deutsch, sobald die Scheinwerfer aus waren und sich keine Fans in Hörweite befanden. An der Annahme der niederländischen Tourismusexperten könnte also etwas dran sein.

Was Deutsche noch mögen: Vertrauen, Sicherheit und Professionalität. Auf Fragen sollte kein Geschwurbel wie "Ich habe keine Ahnung" geantwortet, sondern eine brauchbare Erklärung gegeben werden. Im Ernst? Das ist es, das uns von Touristen der anderen Nachbarn der Niederländer, den Belgiern, unterscheidet? Zum guten Schluss wurde auch der Tipp gegeben, dass sich Deutsche gern authentische Berichte über das Land und seine Menschen anhören. Der schnöde Hinweis "Da gibt's auch noch Sehenswürdigkeiten" ist ihnen zu wenig.

Wie oben angekündigt, gehe ich jetzt mal zweieinhalb Jahrzehnte zurück. Ich war damals in Begleitung eines Deutschen, der nahezu perfekt Niederländisch sprach, etwa drei Wochen auf dem Fahrrad in mehreren Provinzen unterwegs. Es handelte sich um eine Fahrradtour, die vom dortigen Verkehrsverband organisiert worden war und die die Übernachtung und Verpflegung in guten Mittelklassehotels beinhaltete. Wir haben jeden Tag zwischen 60 und 80 Kilometern zurückgelegt. Ich war damals Mitte 20, mein Begleiter auch. Wenn nur er mit Einheimischen sprach und ich schön den Mund hielt, wurden wir überall freundlich behandelt. Aber sobald man bemerkte, dass wir uns auf Deutsch unterhielten, kippte die Stimmung: In einem Café begann eine Gruppe von jungen Leuten praktisch sofort über uns zu schimpfen und uns gut hörbar als "de Moffen" zu bezeichnen. Wörtlich übersetzt heißt das etwa "die Muffigen", synonym wird es aber seit dem 2. Weltkrieg als Verunglimpfung im Sinne von "die Nazis" benutzt. Die Situation wurde dann so unangenehm, dass wir das Café zügig verlassen haben. 
In einem der gebuchten Hotel-Restaurants wurden wir beim Abendessen komplett ignoriert. Alle Gäste um uns herum wurden zuvorkommend und in einer angemessenen Zeit bedient, nur um unseren Tisch machte der Kellner einen Bogen. Auch die Ansprache "We willen bestellen" löste entweder keine Reaktion oder die lapidare Antwort "Ik kom snel naar je toe" aus. Erst die in der Landessprache formulierte Ankündigung, dass wir uns am nächsten Tag an den Verkehsrverband wenden würden, wenn wir nicht bedient würden, löste eine gewisse Einsicht aus.

Ich hatte damals vor dieser Reise damit gerechnet, dass uns als Deutschen insbesondere die Generation mit Vorbehalten gegenübertreten würde, die den 2. Weltkrieg erlebt und sich damals ein Bild über die Deutschen gemacht hatte. Das hätte mir eingeleuchtet. Doch es war genau anders herum: Ausnahmslos alle Senioren, mit denen wir auf unserer Reise unmittelbar Kontakt hatten, waren ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. Die Ablehnung, die wir erlebten, kam ausschließlich von Niederländern, die den Krieg nicht erlebt hatten.

Jahre später las ich in der Zeitung kurz nacheinander zwei Meldungen über die Niederlande: Die damalige Königin Beatrix wandte sich an die deutschen Abiturienten und warb für ein Studium an einer der niederländischen Unis. Dort waren offenbar so viele freie Studienplätze, dass sogar die Monarchin als Werbeträgerin eingespannt wurde.
Die zweite Meldung beschäftigte sich mit einer Studie, die u. a. der Frage nachgegangen war, woher die großen Ressentiments der niederländischen Jugend gegenüber den Deutschen kommen. Man hatte dann herausgefunden, dass diese Abneigung zu einem großen Teil auf dem negativen Bild, das niederländische Schulbücher über die Deutschen vermittelten, basierte. Diese ungünstigen Darstellungen des Nachbarn zogen sich wie ein roter Faden durch die Schulbücher fast aller Jahrgangsstufen. Das mag eine Erklärung für das Verhalten, das wir erlebt hatten, sein, aber sicher nicht die einzige.

Nach dieser Erfahrung hatte ich von diesem Land eine ganze Weile genug. Ich habe keine Neigung zur Selbstkasteiung und möchte mich im Urlaub entspannen und erholen. Auf dauerhaftes Generve lege ich keinen Wert.
Allerdings ist seitdem viel Zeit vergangen. Vielleicht sollte ich noch einen Versuch machen?
Welche Erfahrungen habt Ihr auf Reisen in die Niederlande gemacht? Vor allem in den Kleinstädten und auf dem "platten Land"?

Kommentare

  1. Ach ja, die vielen Nationalitäten! Wir sind alle Menschen und sollten es schaffen, friedlich miteinander zu leben.
    Wir Pfälzer foppen gerne die Saarländer und umgekehrt. Aber das ist nicht böse gemeint, sondern wird immer auf eine liebenswerte Art gemacht. Ich mag als Pfälzerin übrigens die Saarländer gerne.
    Warum wird in Belgien solch ein schlimmes Bild von uns Deutschen gelehrt? Ich weiß es nicht. Bei unserem Urlaub im Jahr 2014 haben wir nur freundliche Menschen in Belgien kennen gelernt. Wie waren allerdings in Maastricht und nicht auf dem Land.
    Kopfschüttelnde Grüße von der Pfälzerin

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  2. Mir fällt gerade ein, dass Maastricht ja in den Niederlanden liegt. Die Belgier waren die am Hohen Venn. Aber auch hier haben wir nur freundliche, zuvorkommende Menschen erlebt. Schlechte Erfahrungen haben wir während unseres Urlaubs dort nicht gemacht.
    Liebe Grüße von der Pfälzerin

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    1. In Belgien war ich noch nie, weiß also deshalb nicht, ob man dort als Deutscher auf Vorurteile stößt oder nicht. Leser, die diesen Artikel auf Facebook kommentiert haben, haben mir versichert, dass sich das Verhalten der Niederländer gegenüber den Deutschen grundlegend verändert hat und rieten mir, einfach mal wieder hinzufahren. Das werde ich bei Gelegenheit auch machen.
      Neugierige und optimistische Grüße von der Niedersächsin

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  3. Ich hatte so ein Erlebnis im Hotel auf den Kanaren. Da waren zwei sehr nette niederländische ältere Ehepaare, vielleicht Anfang 70, unterwegs, die immer sehr nett grüßten und uns zuwinkten. Als sie aber herausfanden, dass wir Deutsche sind, war es mit der Freundlichkeit schlagartig vorbei. Wir haben uns das mit der Kriegs-/Nachkriegsgeneration erklärt.
    Heute arbeite ich viel mit Niederländern zusammen, mit denen ich bestens auskomme. Im Urlaub vor zwei Jahren habe ich auch keinerlei Ressentiments erfahren, nicht in Amsterdam und nicht auf den friesischen Inseln. Da fand ich im Gegenzug die lauten Deutschen eher störend.
    LG
    Sandra

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