Mindestlohn

Heute geht es ums Geld, und zwar um das, was man jeden Monat verdient. Ich glaube, wir sind uns grundsätzlich darin einig, dass jede Arbeit angemessen bezahlt werden sollte. Ich weiß, dass "angemessen" ein äußerst dehnbarer Begriff ist, aber ich finde, ein Oberarzt sollte mehr verdienen als zum Beispiel ein Hilfsarbeiter. In der Realität ist das ja auch so: Der Oberarzt hat eine der längsten und anspruchsvollsten Ausbildungen hinter sich, während der er kein Einkommen hatte, sondern nur Kosten, und hat eine Menge Verantwortung; der Hilfsarbeiter ist nicht speziell ausgebildet, sondern nur angelernt. Nichtsdestotrotz muss auch er von seinem Gehalt leben können. Er macht nicht die luxuriösen Urlaube und fährt nicht die teure Limousine, die sich der Oberarzt leisten kann, sondern backt kleinere Brötchen.

Ja, man kann an dieser Stelle darüber diskutieren, dass unter anderem die steigenden Mieten es für Menschen mit niedrigem Einkommen immer schwerer machen, dass am Ende des Monats noch ein paar Kröten im Portemonnaie sind. Will ich jetzt aber nicht, weil es mir um etwas anderes geht.
Nur mal vorweg: Ich halte den Mindestlohn grundsätzlich für richtig, über die Höhe kann man gesondert diskutieren. Aber ich wurde nachdenklich, als mir eine Bekannte Folgendes erzählte: Sie arbeitet als gelernte Hotelfachfrau für einen Kongressveranstalter im Catering. Da es auch in dieser Branche den vielbesungenen Fachkräftemangel gibt, werden über Zeitarbeitsfirmen beispielsweise auch ältere Schüler und Studenten eingestellt. Sie haben erstmal von Tuten und Blasen keine Ahnung und müssen in alles eingewiesen werden. Das macht - neben ihren regulären Aufgaben - meine Bekannte. Die Einarbeitung ist eine ziemlich zähe Angelegenheit: Nicht alle Zeitarbeitskräfte verfügen über ein praktisches Verständnis und ein Mindestmaß an Um- und Einsicht, sodass man auf viele von ihnen ständig ein Auge haben muss. Selbstverständlich ebenfalls neben der eigenen Arbeit. Etliche der Ungelernten bleiben nur kurz: weil ihnen die Arbeit zu anstrengend ist, weil sie umziehen, sich in der Prüfungsphase ihrer Ausbildung befinden oder warum auch immer. Diese Leute gehen und werden von der Zeitarbeitsfirma durch neue ersetzt - die natürlich wieder angelernt werden müssen. Das Ganze hat etwas Hamsterradiges.

Und jetzt kommen wir zum Kernpunkt, dem Geld. Die Zeitarbeiter und -arbeiterinnen bekommen alle Mindestlohn. Ich habe das gerade mal nachgesehen: Im Hotel- und Gaststättengewerbe sind das seit dem 1. Januar 2019 9,19 Euro. Das sind brutto pro Monat bei einem Vollzeitjob knapp 1.500 Euro. Große Sprünge sind da nicht drin. Der Arbeitgeber meiner Bekannten zahlt seinen Mitarbeitern, die "vom Fach" sind, etwas mehr. Es geht dabei um ein Plus von 1,50 Euro pro Stunde, also auf eine Vollzeitstelle hochgerechnet 240 Euro brutto pro Monat. Das ist der Unterschied zwischen einem (Gelegenheits-)Jobber und einer Fachkraft. Dass sich eine Ausbildung zuzüglich Berufserfahrung wie in diesem Fall so wenig lohnt, empfinde ich nicht als angemessen. Wer jetzt sagt: "Kellnern kann doch jeder!" verkennt, dass es sich um einen Kongressveranstalter handelt, der sich auch um die Bewirtung der VIP-Gäste in Stadien kümmert. Man muss also nicht nur Geschirr und Besteck auf einem Tablett von rechts nach links bringen, sondern man braucht Kenntnisse in Arbeitsorganisation, Arbeitssicherheit, Hygiene usw. Dieser Fall meiner Bekannten ist kein Einzelfall. Der Rat "Dann wechselt man eben den Arbeitgeber" greift da zu kurz.

Wie seht Ihr das: Ist ein so geringer Gehaltsunterschied zwischen diesen beiden Beschäftigtengruppen in Ordnung?

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