"Wir sind gleich für Sie da!"

Lass dir ruhig Zeit...
Wenn dieser Satz am Telefon von einer Automatenstimme gesagt wird, weiß man, dass a) man sich in Ruhe ein oder zwei Tassen Kaffee kochen, sie trinken und dabei aus dem Fenster schauen kann, b) Zeit genug ist für eine ausgiebige Maniküre, c) das Baby (soweit vorhanden) neu gebadet und gewickelt werden kann oder d) die langen Ärmel am selbstgestrickten Pullover während des Wartens fertig werden. Problemlos.

Ich hatte diese Situation erst vor Kurzem. Mein eigentlich banaler Wunsch: Ich wollte meinen Mobilfunktarif wechseln. Da ich zu sogenannten "Kundengesprächen" keine Lust
hatte, habe ich es über die Website meines Anbieters versucht. Keine Chance. Über mehrere Klick-Schleifen landete ich auf einer Seite, die den Eindruck machte, als würde man nicht den Tarif seines vorhandenen Vertrags ändern, sondern dem Vertrag einen weiteren hinzufügen. Nächster Anlauf über die Hilfe-Funktion. Nach der Eingabe des Suchbegriffs "Tarifänderung" landete ich bei einer Art Entscheidungsbaum, der links oben mit der Wahlmöglichkeit "Tarif ändern" begann. Nach zwei oder drei Klicks war ich dort, wohin ich schon vorher geleitet worden war. Das sah irgendwie nicht koscher aus. Mein Misstrauen wuchs. Dass diese Firmen einem das Geld durch irgendwelche Tricks aus der Tasche ziehen wollen, hat doch schon jeder mal gehört, oder? Nächste Option: Ich habe meinen Mann gebeten, seinem verwirrten Weib unter die Arme zu greifen. Wenn IT in jeder Ausprägung im Spiel ist, läuft das hier meistens so: Ich sitze grübelnd und ausprobierend vor dem Laptop, tue gegen einen Fehler, was man eben üblicherweise dagegen macht und freue mich manchmal, wenn ich das Programm oder das Gerät wieder zum Laufen kriege.
In der größeren Zahl der Fälle handhabe ich das so: Ich sehe ein Problem, mache, was man üblicherweise machen muss, und es funktioniert nicht. Aber in diesem Stadium bin ich noch von Optimismus durchdrungen: Ich sehe auf den Support-Seiten nach oder google, wie andere damit umgegangen sind. Auch youtube kann hier wirklich hilfreich sein. Wenn das alles erfolglos hinter mir liegt, ist es mit meiner guten Laune nicht mehr soweit her. Manchmal fällt meinem Mann dann mein unzufriedenes Gesicht auf und er fragt: "Kommst du klar?" Je nach Gemütszustand grummele ich etwas Unverständliches, was er als "Ja" interpretiert, oder ich gebe eine Antwort in Form eines Ein-Wort-Satzes: "Ja!" Das ist weit von der Wahrheit entfernt, aber ich habe dann noch den Willen, es selbst zu schaffen. Irgendwann kommt dann aber oft der Zeitpunkt, an dem mir die Ideen ausgegangen sind. Der Regelfall sieht dann so aus: Entweder kommt er zur Tür rein, sagt "Zeig doch mal" und a) sieht sich das Problem an und löst es oder b) das Problem löst sich buchstäblich in Luft auf, wenn er im Zimmer steht, ohne dass er einen Blick auf den Bildschirm werfen müsste. Speziell bei b) habe ich das deutliche Gefühl, dass mich das Schicksal in solch einem Moment auslacht.

Aber zurück zu meinem gewünschten Tarifwechsel. Wie gesagt, ich habe mich zweimal auf einer Seite wiedergefunden, deren Inhalt auf mich nicht zu 100 % vertrauenswürdig wirkte. Mein Mann bot seine Hilfe an, tat genau das, was ich auch schon vorher gemacht hatte, runzelte die Stirn und sagte: "Das sieht ja ganz merkwürdig aus. So, als wollte man dir einen weiteren Vertrag unterjubeln." Ja, sag ich doch! Und dann kam: "Weißt du was? Ruf mal lieber da an."
Ich sackte kurz zusammen. Jetzt doch? 

Erster Versuch: Ich wählte die bundesweite Servicenummer.
© Angela Parszyk/pixelio.de
Nach einer kurzen Fahrstuhlmusik bat mich die Automatenstimme um ein paar Angaben, die ich mit einer eingetippten Zahl machen sollte. Dann endlich meldete sich ein Mensch am Ende der Leitung. Eine freundliche Frauenstimme bot mir, noch bevor ich meinen Wunsch vortragen konnte, Mobilfunk und Internet aus einer Hand an. Ich lehnte dankend ab. "Das ist zusammen 10 Euro billiger!" - "Das ist super, mir aber egal." - "Na gut. Wie kann ich Ihnen helfen?" - "Ich möchte meinen Tarif ändern." - "Ach so! Na, dann sind sie bei mir falsch. Die Nummer, die Sie gewählt haben, ist nur für Neukunden."  Ja klasse... Sie gab mir eine andere zentrale Nummer, wo man mir bestimmt weiterhelfen könne. 


Gut. Freizeichen, dann setzte eine Stimme ein: "Herzlich willkommen!" Ein Automat. Hatte ich schon mal erwähnt, dass es mit meiner Geduld nicht weit her ist? Das mache ich jetzt, damit es daran keinen Zweifel gibt: Mit meiner Geduld ist es nicht weit her. Mir wurden exakt dieselben Fragen gestellt wie beim ersten Anruf. Dann setzte wieder eine musikalische Phase ein. Ich überlegte, ob ich es wohl schaffen würde, etwas aus dem Gefrierschrank zu holen, während ich wartete. In einer Hand das dritte Bein, in der anderen das auf Lauthören gestellte Smartphone, über den Flur, zwei Stufen nach unten, Gefrierschranktür öffnen... "Guten Tag, hier ist der XY-Kundenservice, Sie sprechen mit..." Mist, auf die Dauer von Warteschlangen ist auch kein Verlass mehr. "Ich möchte meinen Tarif wechseln." - "Wenn Sie Mobilfunk und Internet zusammen nehmen, sparen Sie 10 Euro." - "Nein, vielen Dank, ich möchte einfach nur eine Tarifänderung." - "Wollen Sie es sich nicht noch überlegen?" Wie bitte? "Nein, ich habe bereits zu Ende überlegt und möchte nur eine Tarifänderung." - "Warum sind Sie denn so unflexibel?" Jetzt schlug es wirklich 13! "Hören Sie, ich habe kein Interesse an solchen Verkaufsgesprächen, sondern will nur in einen anderen Tarif!" - "Ja, schon gut. Dann verbinde ich Sie mal an einen Kollegen."  
Wer sich bislang über das Gerede hinsichtlich der Zuständigkeit von Behördenmitarbeitern aufgeregt hat, darf das gern auf diesen Mobilfunkanbieter ausdehnen. Und dabei will ich einfach nur mein Smartphone nutzen und deswegen keinen horrenden Tarif bezahlen!

Weiter geht's. Wieder Musik, dieses Mal aber nur drei Minuten. Jetzt meldete sich die Stimme eines jungen Mannes: "Guten Tag, Sie sprechen mit XY... Womit kann ich Ihnen helfen?" - "Ich möchte meinen Mobilfunktarif ändern." - "Darf ich Ihnen einen Kombinationstarif aus Mobilfunk und Internet anbieten?" - "Nein, vielen Dank, daran habe ich keinen Bedarf." - "Wollen Sie es sich nicht überlegen? Das ist zusammen 10 Euro günstiger!" - "Das ist mir egal. Und das habe ich auch schon ihren beiden Kolleginnen gesagt, mit denen ich vor Ihnen gesprochen habe." 
Der junge Kundenberater hat nicht weiter versucht, den großartigen Kombi-Tarif anzubieten, sondern hat tatsächlich das umgesetzt, worum ich ihn gebeten hatte. Nach einer Rückfrage teilte er mir mit, dass bei mir als Bestandskundin auch der Rabatt für Schwerbehinderte erhalten bleibe. Das hat mich gefreut, weil ich bei meiner "Odyssee" durch die Homepage des Unternehmens schon das Gegenteil gelesen hatte.

Jetzt habe ich mir über die spezielle App des Mobilfunkunternehmens noch mal meine Tarifdaten angesehen. Der Behindertenrabatt ist nicht aufgeführt. Ich glaube, ich muss da noch mal anrufen. Ich empfehle euch, in der Zeitung die Meldungen unter "Vermischtes" aufmerksam zu lesen. Wenn da etwas über eine Frau über 50 steht, die plötzlich ausgerastet und schreiend durch die Straßen gelaufen ist, stehen die Chancen nicht schlecht, dass ich das bin.

© Günther Gumhold/pixelio.de

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