Das Kind ist weg

Ich habe erwachsene Kinder, darum kenne ich in unserem Ort viele Eltern, deren Kinder so alt sind wie meine. Gestern war ich in ein paar kleinen Geschäften in unserer Nachbarschaft einkaufen. In einem davon arbeitet eine Frau in meinem Alter, deren Tochter vor sechs Wochen von zu Hause ausgezogen ist. Sie hat ihr Studium abgeschlossen und nun eine Stelle in Hessen. Bei aller Wehmut ein Grund zur Freude: Die Tochter kann jetzt auf eigenen Füßen stehen und ihr Leben unabhängig gestalten. 

Ich habe mich schon oft mit anderen Eltern darüber unterhalten, was deren und meine Kinder gerade machen. Viele von ihnen kenne ich schon um die zwanzig Jahre. Immer, wenn das Thema auf den Auszug der Töchter oder Söhne kam, freuten sich deren Eltern zwar für sie über diesen Schritt, aber es fielen auch Kommentare wie "Es ist ganz schön ruhig bei uns geworden" oder "Ich kaufe immer noch viel zu viel ein". Die erwachsenen Kinder wurden als Familienmitglieder, als Menschen, vermisst. Das war auch so, wenn sie gar nicht weit weg wohnen und ist auch bei uns nicht anders.

Diese Mutter erzählte mir also, dass ihre Tochter nun in
Hessen wohnt. Aber an der Stelle, an der andere Eltern solche Sätze sagen wie die beiden ein paar Zeilen höher, sagte sie: "Sie hat immer den Geschirrspüler ausgeräumt oder schon mal durchgesaugt, während ich gearbeitet habe. Oft hat sie auch gekocht und wir konnten essen, wenn ich nach Hause kam. Jetzt muss ich nach Feierabend alles selbst machen."

Ich weiß nicht mehr genau, was ich an dieser Stelle geantwortet habe. Ich musste allerdings die Sätze, die mir zuerst in den Sinn kamen, zurückdrängen. So etwas wie "Fehlt dir deine Tochter als Dienstleisterin oder als Mensch?" Nach meinem Einkauf habe ich den Laden befremdet verlassen und hoffe, dass diese Mutter das, was sie gerade gesagt hatte, nicht so gemeint hat.

Kommentare

  1. "Wenn Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln, wenn sie groß sind, verleih ihnen Flügeln." So habe ich es gehandhabt.
    Irgendwann kommt der Tag, an dem die Kinder eigene Wege gehen. Beim Sohn hat es mir zu lange gedauert, bei der Tochter war es mir zu früh.
    Ich habe sie ein wenig vermisst, aber inzwischen bin ich froh, dass sie sich ein eigenes Leben aufbauen konnten. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis und sehen uns oft.
    Die Sätze der Mutter, als sie erwähnte, dass nun eine Haushaltshilfe weg fällt, kann auch ich nicht nachvollziehen. Hoffentlich hat sie es so nicht gemeint!
    Verwunderte Grüße von der Pfälzerin

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    1. Sehr richtig! Wir mussten uns auch an die neue Situation gewöhnen, aber wir haben die beiden als Menschen vermisst und nicht als Haushaltshilfen. Ich hoffe auch, dass diese Mutter sich nur in der Wortwahl vergriffen hat.
      Nachdenkliche Grüße von der Niedersächsin

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  2. Barbara Heckmann
    Ich glaube, dass die Mutter ausdrücken wollte, dass sie die Fürsorge und das Miteinander vermisst.
    LG
    Barbara

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    1. Liebe Barbara, ich hoffe sehr, dass du recht hast.
      LG, Ina

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