Das Fass ohne Boden

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Es gibt Beschlüsse und Ereignisse, bei denen man von vornherein ein ungutes Gefühl hat. Manchmal kann man es nicht begründen, manchmal kommt man allerdings aus dem Augenrollen gar nicht mehr raus. Die folgende Geschichte gehört eindeutig in die zweite Kategorie.

Sie beginnt bereits in den 1990-er Jahren. Am äußersten östlichen Rand Niedersachsens, im ehemaligen sogenannten Zonenrandgebiet, finden Archäologen bei Ausgrabungen in der Nähe von Helmstedt acht Speere. Sie sind mindestens 300.000 Jahre alt und sollen später als "Schöninger Speere" bekannt werden. Der Fund gilt unter Fachleuten als Sensation, der gemeine Bürger sieht einfach nur hölzerne Speere. Doch Schöningens Bürgermeister hat eine Idee, die seine finanzschwache Stadt ein bisschen nach vorn bringen soll: Er will den Fund in einem Museum ausstellen. Es hat ein bisschen gedauert, aber nachdem auch der damalige Ministerpräsident Wulff das Vorhaben, nicht nur ein Museum, sondern sogar ein Erlebniszentrum zu bauen, in dessen Mittelpunkt das geschichtsträchtige Holz stehen sollte, befürwortete, nahm die Entwicklung Fahrt auf. Nicht nur er bezeichnete das Vorhaben als "Leuchtturm-Projekt". Mit 15 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II wurde der Bau, der den Namen Paläon erhielt, verwirklicht. Die Prognose: Das Paläon würde sich selbst tragen.

Schon 2016 - drei Jahre nach der feierlichen Eröffnung - stellte sich heraus, dass das hochgepriesene Erlebniszentrum ein finanzieller Flop ist. Ohne Unterstützung kommt es nicht aus. Jedes Jahr werden mindestens 500.000 Euro fehlen. Das ist auch kein Wunder: Das Millionengrab liegt auch nach der Wiedervereinigung in einer Gegend, die man mit gewählten Worten als strukturschwach bezeichnen würde. Oder deutlicher: am Arsch der Heide. Da erbarmte sich nun  unser zuständiger CDU-Wissenschaftsminister, nachdem schon in diesem und dem letzten Jahr eine Million Euro "zur Überbrückung" überwiesen worden waren, und nahm die museale Perle des niedersächsischen Ostens unter die Fittiche der Landesdenkmalpflege. Bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag wird man dort jetzt Millionenbeträge hineinpumpen. Na, da bin ich richtig froh, in einem wohlhabenden Bundesland zu leben, das sich um seine Finanzen keine Sorgen machen muss. Oder doch? Was ist mit dem Mangel an Plätzen in Frauenhäusern? Warum wird in Zeiten des Klimawandels kein Geld mehr für den Bau von Radschnellwegen bereitgestellt? Die Liste lässt sich fortsetzen, und mit jedem Posten, für den kein oder zu wenig Geld da ist, wird mir die Unterstützung für das Paläon unverständlicher. Nennt mich eine Banausin, aber ich finde das Wohlergehen des Menschen wichtiger als das von alten Speeren.

Der Bund der Steuerzahler "honorierte" diese Heldentat kürzlich mit einem selten vergebenen Negativpreis: dem Fass ohne Boden. Und was macht der Minister: Er sieht sich zu Unrecht kritisiert und dichtet die ungeliebte Trophäe mit einem Pappboden ab. Mit Humor geht eben alles besser... 


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