Aufräumen? 3,50 Euro

Ich bin zufällig auf einen Artikel in einer amerikanischen
Tageszeitung gestoßen, in dem eine Mutter von zwei Söhnen im Grundschulalter erzählt, dass sie ihre Kinder für die täglichen Dinge des Lebens bezahlt. Sie bezeichnete das als die beste Entscheidung ihres Lebens. Die Bandbreite in dieser Familie reicht dabei vom Sich-Anziehen bis zur Hilfe beim Tischdecken. Eine Psychologin, die in dem Bericht ebenfalls zu Wort kam, sprach von "positiver Verstärkung" (positive inforcement). Das funktioniert so, dass die positive Verstärkung ein erwünschtes Verhalten durch eine positive Reaktion verstärkt und bewirkt, dass dieses erwünschte Verhalten in Zukunft wahrscheinlicher wird. Alles klar? Man kennt so etwas auch von Tierdressuren, wenn zum Beispiel einem Hund ein Leckerli immer dann gegeben wird, wenn er ein Kunststück korrekt gezeigt hat.

Die zitierte Psychologin sah zwar auch die Bestechung dahinter, war aber der Meinung, dass die Bezahlung der täglichen Arbeit in der Welt der Erwachsenen nichts anderes sei: Der Arbeitende wisse von seiner gesellschaftlichen Verantwortung, wenn er jeden Tag pünktlich erscheint und seinen Job gut macht, aber er arbeite eben fürs Geld und nicht wegen seiner Herzensgüte.

Darüber, was jeden Einzelnen motiviert, täglich seinem Beruf nachzugehen, kann man sicher endlos diskutieren. Und natürlich gibt es sehr viele Tätigkeiten, zu denen die Menschen ebenfalls pünktlich erscheinen und ihr Bestes geben, oft sogar ihr Leben riskieren, aber dafür kein Geld erhalten. Ehrenamt heißt so etwas und reicht vom Lesementor an Grundschulen bis zur freiwilligen Feuerwehr. Schon wegen der Motivation, Ehrenämter zu übernehmen, finde ich, dass das Argument der Psychologin nicht greift.

Aber ehe ich mich hier verlaufe, geht es zurück zu den Kindern. Was mir an dieser Haltung nicht gefallen hat, ist die Botschaft dahinter: Etwas, das selbstverständlich ist - wie sich anzuziehen -, vorwiegend deshalb zu tun, weil man von der Person, die den entsprechenden Wunsch danach formuliert, Geld bekommt. Oder etwas, das der ganzen Familie zugute kommt, ebenfalls nur dann zu tun, wenn man dafür bezahlt wird. Sorry, aber eine Familie ist doch keine WG oder gar ein Aufeinandertreffen von drei, vier oder mehr Einzelunternehmern. Ich finde es selbstverständlich, dass in einer Familie jeder etwas beiträgt - mit Blick auf die Kinder muss es natürlich etwas sein, das ihrem Alter angemessen ist. Dass das nicht immer konfliktfrei über die Bühne geht, steht auf einem ganz anderen Blatt, aber das gehört zur Erziehung dazu. Aber auch Anerkennung ist wichtig: Von einem einfachen "Danke" für einfache Dingen bis zu einem Lob, wenn etwas gut geklappt hat.

Ich habe das in meinem eigenen Elternhaus nicht
kennengelernt, dass ich beispielsweise für Einkäufe einen Obulus bekommen habe, und habe das bei meinen eigenen Kindern auch nicht so gehalten. Es ist für uns auch jetzt keine Frage, dass wir sie unterstützen, wenn sie uns brauchen; dass sie mittlerweile erwachsen sind, spielt dabei keine Rolle. Das ist Familienzusammenhalt und hat nichts mit ökonomischen Überlegungen zu tun. 
Ist das Bezahltwerden für Leistungen, die innerhalb der eigenen Familie erbracht werden, ein US-Phänomen oder kennt ihr das auch?

Kommentare

  1. Wir Kinder (vor mehr als fünfzig Jahren) mussten kleinere Einkäufe machen. Dabei durften wir uns einen Lutscher kaufen. Lange standen wir vor dem Glas mit bunten Zuckerlutschern und überlegten, welche Farbe wir wollten. Das wird ewig in meiner Erinnerung bleiben.
    Mit den eigenen Kindern habe ich das nicht gemacht. Sie bekamen alles was sie brauchten. Neue Mäppchen für die Schule, wenn das alte zerfleddert war, Bücher zum Lesen, Kleidung (auf Wunsch auch was Ausgefallenes, das mir eigentlich nicht so gut gefiel), Eintritt für Kino und Schwimmbad usw. Aber ich habe sie nie für Leistungen daheim bezahlt.
    Unser Familienzusammenhalt ist groß, auch wenn die Kinder längst schon eigene Wege gehen. Wir helfen einander, ohne Bezahlung versteht sich.
    Ich finde, dass ich alles richtig gemacht habe.
    Zustimmende Grüße von der Pfälzerin

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    1. Das haben wir hier auch so gehalten. Ich konnte zuerst gar nicht glauben, was ich da gelesen hatte.
      Grüße im Kerzenschein von der Niedersächsin

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