Ich fange ein neues Leben an!


Nein, das mache ich nicht. Aber auch dieser Text ist das Ergebnis einer Gedankenkette. Aber jetzt von vorn.

Wir haben uns den neuesten Film mit Bjarne Mädel, 25 km/h, im Kino angesehen. Mädel und sein Filmbruder treffen nach 30 Jahren, die sie sich nicht gesehen haben, bei der Beerdigung des Vaters wieder aufeinander. Aus diesem Wiedersehen entsteht die Idee, sich spontan auf ihre uralten Mofas zu setzen und vom Schwarzwald bis zur Ostsee zu fahren. Auf diesem Roadtrip zoffen und versöhnen sie sich und arbeiten eine Aufgabenliste ab, die sie vor einer Ewigkeit in ihrer Pubertät erstellt hatten; in einem griechischen Lokal die ganze Speisekarte zu bestellen und alle Gerichte aufzuessen, ist da noch am wenigsten verrückt. Sie lernen sich wieder kennen und nehmen wahr, wovor der jeweils andere wegläuft. Der Film ist teilweise brüllend komisch, aber hat eben auch viele nachdenkliche Momente. Letztlich geht es auch um die Frage, ob es im eigenen Leben verpasste Gelegenheiten gibt, die man nur darum nicht genutzt hat, weil einem im entscheidenden Moment der Mut fehlte. Aber ebenso spielt die Überlegung, ob man im Nachhinein etwas ändern würde, eine Rolle. 

Nach fünf Lebensjahrzehnten kann man schon mal zurückblicken, und mir fallen ein paar Dinge ein, die ich heute anders machen und entscheiden würde. Das sind auch solche, die mein Leben entscheidend beeinflusst haben. Aber diese Bewertung treffe ich auf der Grundlage meiner gesamten Erfahrungen, die die Summe all dessen sind, was ich bislang erlebt habe. Wenn ich dann die Floskel höre "Ich will jetzt ein neues Leben anfangen", denke ich: Was für ein Quatsch! Wir haben dieses eine Leben, und da, wo wir jetzt stehen, sind wir als Ergebnis aller bisherigen Lebensjahre angekommen. Lebenszeit und Erfahrungen lassen sich nicht abstreifen wie eine Schlangenhaut, die uns nicht mehr passt. Wir können unsere Art, zu leben, ändern, das Leben in dem wir uns befinden, bleibt aber dasselbe und ist einzigartig.

Wenn ich jetzt das Angebot bekäme, eine Entscheidung in meinem Leben zurückzunehmen und durch eine andere zu ersetzen, würde ich es nicht tun, weil auch aus dieser "falschen" Entscheidung etwas Gutes hervorgegangen ist.


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