Die Problem-Esser


Ein Essen voller Allergene...
Ich sehe mich um und habe immer mehr den Eindruck, dass das "richtige" Essen zu einer Ersatzreligion stilisiert wird. Ich rede nicht von Vegetariern oder Veganern; sie haben sich aus verschiedenen Gründen - meistens um die Umwelt und/oder die Tiere zu schützen - für diesen Weg entschieden.

Ich rede von denen, die keine Lebensmittelunverträglichkeit haben, aber auf bestimmte Dinge achten, weil sie eine haben könnten oder weil sie sich angeblich besser fühlen, wenn sie einige Nahrungsbestandteile nicht mehr zu sich nehmen. Da essen dann manche nichts mehr, was Gluten, Lactose oder Fructose enthält. Einfach so, weil darum. Ich meine nicht diejenigen, die dagegen tatsächlich eine Unverträglichkeit haben; ganz klar, dass man um alles, was einem schadet, einen Bogen macht. Es geht um die, die vorbeugend sagen: "Ach nee, Weizen ist sicher nichts für mich. Den lass ich mal lieber weg."

An einigen Schulen in Hannover hat das in diesem Jahr besonders kuriose Blüten getrieben. Sie werden von einem Caterer beliefert, der neben den üblichen Gerichten auch solche anbietet, die kein Gluten oder keine Laktose enthalten. Dieses Essen ist für Allergiker gedacht, doch in kurzer Zeit hatten sich die Bestellungen für die speziellen Mahlzeiten an manchen Schulen glatt verzehnfacht. Das war deutlich jenseits der statistischen Wahrscheinlichkeit, die für Zöliakie oder Laktoseintoleranz gilt. Die Eltern bestellten das, was sie für das Beste für ihr Kind hielten. Aber wie kommt man auf die Idee, dass man ihm damit etwas Gutes tut?

Ich bin damit aufgewachsen, dass ein Gericht für alle gekocht wurde. Klar, manche Dinge mag man nicht, dann musste man sie auch nicht essen. Aber was geht wohl in dieser Unterart der Helikoptereltern vor, wenn ihr Kind mit dem Sportverein ins Zeltlager fährt und es Essen aus der Gulaschkanone gibt? Kochen sie dann den glutenfreien Eintopf vor und geben ihn ihrem Nachwuchs im Henkelmann mit? Oh, Entschuldigung, Google sagt mir gerade, dass dieses Wort nicht mehr gebräuchlich ist. Also: Löffelt das nicht allergisch auf was auch immer reagierende Kind sein Süppchen allein aus einem Foodmug, während es sich die Kumpels mit dem Essen aus dem Gemeinschaftstopf gutgehen lassen? 

Vermutlich basiert so ein Elternverhalten auf Unsicherheit und Angst. Beides wird - bewusst oder unbewusst - an die Kinder weitergegeben, die dann zum Essen ein ebenso verkrampftes Verhältnis entwickeln wie ihre Eltern. Erinnern sich genau diese Eltern nicht mehr daran, wie und was sie gegessen haben, als sie selber noch Kinder waren? Mir erscheint so ein Denken als Luxusproblem von Menschen, die einfach zu satt sind. Leute, Essen ist Genuss und nicht die Verlagerung des Lebensmittellabors auf den Teller! Greift einfach mal zu. Guten Appetit! 

 

Kommentare

  1. Dieser Beitrag spricht mir aus der Seele. In meinem Elternhaus kam täglich ein frisch gekochtes Gericht auf den Tisch. Wir Kinder mussten alles essen, was gekocht wurde. Wenn man mal was nicht möchte, so aß man eben weniger davon. Gezwungen den Teller aufzuessen wurde niemand. Wir futterten mit Begeisterung frisches Obst direkt von Bäumen in der Nachbarschaft und auch mal ein Radischen, frisch aus der Erde des Gartenbeetes gezogen. Meine eigenen Kinder bekamen auch täglich ein frisch gekochtes Essen, mal mittags, mal abends, so wie es aus beruflichen Gründen passte. Ich nahm zwar Rücksicht, was sie mochten und was nicht, kochte aber querbeet. So hat es eine Hauswirtschaftsmeisterin in der Volkshochschule in den Kochkursen damals empfohlen. Wir essen mit Genuss, auch wenn ich momentan wegen entzündeter Gelenke bestimmte Lebensmittel meide. Wir essen eben und ernähren uns nicht nur. Das ist ein Unterschied.
    Warum nur sind diese Trends entstanden, ohne Gründe laktosefrei usw. zu essen? Warum gibt es so viele Helikoptereltern?
    Ahnungslose Grüße von der Pfälzerin

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    1. Mir ist das genauso schleierhaft wie Dir. Schlimm genug, wenn man nicht alles essen darf, aber warum schränkt man das Spektrum ohne Not ein?
      Ratlose Grüße von der Niedersächsin

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