Politik - heute irrer denn je?

Ich habe vor ein paar Wochen den Beitrag eines Bloggers gelesen, der mit der aktuellen Weltlage haderte. Er hat Parallelen zwischen der Situation vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten und der heutigen Lage gezogen und deutlich an seine Leser appelliert, für Freiheit und Demokratie aufzustehen und AfD, Pegida & Co. nicht das Feld zu überlassen. Er schrieb über die gegenwärtigen Krisenherde und schien für die Zukunft schwarz zu sehen. Politikverdrossenheit an jeder Ecke, das war seine Wahrnehmung. Auch die Namen von Ministern der jetzigen Bundesregierung, die der Blogger für untragbar hielt, sind gefallen.
Ich habe überlegt, inwieweit er recht haben könnte und ihm dann geantwortet:
 
Hallo M.,
ja, ich finde auch, dass gerade eine Menge Mist zusammenkommt. Aber mal rückblickend betrachtet: Konnte man das nicht über fast jede Zeit sagen? Wie bescheuert war es, dass der Mord an einem dämlichen Kronprinzen zu einem Weltkrieg mit 20 Millionen Toten und ebenso vielen Verletzten führte? Wie haarsträubend war es, dass die Deutschen einem brüllenden, beruflich erfolglosen österreichischen Kleinkriminellen wie die Lemminge gefolgt sind, der in Wien die Zimmermiete geprellt hat? Wie furchtbar ist es, dass dieser brüllende Österreicher die Welt in einen Krieg gestürzt hat, der schätzungsweise 50 Millionen Menschen das Leben gekostet hat? Wohlgemerkt ohne die Juden, Behinderten oder Sinti und Roma, derer man sich entledigt hat.
Es hat rückblickend nie ruhige Zeiten gegenben. Was sich aber im Vergleich zu früher geändert hat, ist die Dauerbefeuerung mit schlechten Nachrichten, die man, als ich noch junge Erwachsene war, einmal in der Zeitung gelesen und in den Nachrichten gesehen hat. Und nicht -zigfach über verschiedene Kommunikationskanäle, darunter auch viele, die von manchen Menschen nicht mehr als Manipulationen erkannt werden. Also: niemals den Kopf in den Sand stecken, sondern für sich herausfiltern, was wirklich wichtig ist. Krisen hat es immer gegeben und wird es auch künftig geben. Das Problem ist aber auch, dass - leider - nur mit negativen Schlagzeilen hohe Leser- und Klickzahlen erreicht werden, weswegen es da eine Häufung gibt. Und auch, wenn man zwischenzeitlich einen anderen Eindruck vermittelt bekommt: Wir hier in Deutschland leben ein sehr friedliches Leben. Die Hochzeit des europäischen Terrorismus lag in den 1970-er und 1980-er Jahren: Da waren es jedes Jahr bis zu 450 Menschen, die Anschlägen der verschiedensten Gruppierungen (von RAF bis IRA) zum Opfer fielen.
Und Trump? Ja, ich halte ihn auch für durchgeknallt. Er benimmt sich wie jemand, der die Welt als eigenen persönlichen Spielplatz ansieht. Das ist gefährlich, keine Frage. Aber wen gab es denn früher? Hitler habe ich schon genannt; Mussolini war auch eine miese Ratte. Dann haben wir noch Stalin und Mao - beide waren für Millionen Tote und desaströse Lebensverhältnisse in ihren Ländern verantwortlich. Der rumänische Diktator Nicolae Ceaușescu war ein verkommenes Subjekt und ging über Leichen.

Seehofer? Ohne Worte. Mir als Niedersächsin ging das schon immer gegen den Strich, dass der Regionalpartei eines einzelnen Bundeslandes so viel Einfluss eingeräumt wurde. Franz Josef Strauß hat damals schon viele Nicht-Bayern gegen sich aufgebracht - er, der Hobbypilot, hat die Einführung der Kerosinsteuer verhindert; auch in der Diskussion um das Reinheitsgebot, das die EG Anfang der 1980-er Jahre aufweichen wollte, hat er massiv bei Kanzler Helmut Schmidt interveniert - nicht, weil es ihm um das Wohl der Deutschen gegangen wäre, das gar nicht bedroht war, sondern um die Konkurrenz aus dem Ausland auf Abstand zu halten, denn die Mehrzahl der deutschen Brauereien waren und sind in Bayern. Aber gegen Strauß ist Seehofer der Elefant im Porzellanladen, bei dem jedes plumpe Manöver leicht zu durchschauen ist und dem man seit dem ersten Tag als Bundesinnenminister nicht geglaubt hat, dass er sich für das ganze Land einsetzen will. Ich finde wie Du, dass jeder Tag, den er eher das Ministerium verlässt, ein guter Tag ist.

Wir kommen  auch durch diese ruckelige Zeit hindurch. Das soll nicht heißen, dass wir es machen sollen, wie die berühmten drei Affen; genau das führt letzten Endes dazu, dass sich Politiker wie die wilde Sau aufführen können. Fast jeder kann etwas dazu beitragen, dass ein Land nicht in die Hände von  Leuten fällt, die es nicht gut mit dem Land, sondern nur gut mit sich meinen und das Gegenteil einer Demokratie und eines Rechtsstaats anstreben. Da sollte man für sich einen Weg finden.
Ich wünsche Dir eine Zukunft mit Zuversicht, in der Du auch weiterhin dem nachgehen kannst, was Dir wichtig ist.
LG, Ina

M. hat auf meinen Kommentar geantwortet und erneut seine Sorge bezüglich der Entwicklung des Rechtspopulismus ausgedrückt. Aber er hat auch versichert, dass er sich seine optimistische Grundhaltung nicht nehmen lassen will. Das hat mich gefreut.

Wie seht Ihr unsere Zukunft? Habt Ihr die Hoffnung auf bessere Zeiten aufgegeben oder seid Ihr der Meinung, dass es nach jedem Tal auch wieder bergauf geht?

Kommentare

  1. Liebe Ina,
    Deine Antwort trifft es sehr gut. Global betrachtet ist das Chaos auf der Welt weder größer noch kleiner geworden - Kriege werden geführt wie eh und je, nur verlagern die sich immer mal in neue Regionen.
    Und natürlich: Angesichts der zwei Weltkriege im 20. Jahrhundert und der humanitären Katastrophe, die Mao in seinem Land angerichtet hatte und Millionen Menschen verhungern lies, die Terrorregime in Deutschland und Rußland, die jenseits vom Krieg ebenfalls abermillionen Menschen zum Verhängnis wurden, sieht das 21. Jahrhundert bisher eher friedfertig aus - natürlich nur relativ gesehen.
    Doch, es ist noch sehr jung und eine Entwicklung sollte uns bedenklich stimmen: Wir stoßen als Mensch mit unserem "modernen" Lebensstil an die natürlichen Ressourcengrenzen der Erde - ein weiter so ist nicht möglich. Umweltzerstörung und Bevölkerungsexplosion sind nur zwei von vielen Beispielen.
    Nun ist der Mensch zwar erfinderisch und wir könnten mit Hilfe neuester Technologien die allermeisten Probleme bewältigen; doch leider ist die menschliche Spezies in Summe nach wie vor noch viel zu egoistisch - in bezug auf den Rest der Welt. So ist die Gefahr groß - und ich sehe dies mittlerweile eher als wahrscheinlich an - dass beispielsweise die enormen Möglichkeiten der Digitalisierung zum Schaden und nicht zum Nutzen der Menschen eingesetzt werden. Damit könnte eine kleine Gruppe Menschen sogar noch komfortabler als heute weiterleben, während der Rest zu einer Art digitalen Lumpenproletariat verkommt - kontrolliert, überwacht, seiner (Meinungs-)Freiheit beraubt.

    Nun, das hört sich jetzt sehr negativ an und wäre es auch.

    Es wird daher darauf ankommen, die neuen Verführer zu erkennen!
    Sie kommen nicht so plump daher wie früher einmal und doch haben alle eines gemeinsam: Sie stellen ihre eigene Meinungsfreiheit moralisch über die der anderen; und die Digitalisierung - schlecht gemacht - bietet hervorragende Werkzeuge dazu.

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    1. Lieber Jens,
      das ist leider nur zu wahr. Aber wenn man die zunehmende Überwachung, die gern mit der Gefahr des Terrorismus begründet wird, kritisiert, kommt immer jemand daher, der sagt: "Ach, hast Du etwa etwas zu verbergen?" Als ob es darum ginge...
      Auch der gegenwärtige Trend zur Leuchtturmpolitik trägt nicht dazu bei, die Zukunft positiv zu sichern.

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