Heldenverehrung

© Thorben Wengert/pixelio.de
Ich setze mich fast jeden Morgen auf mein Ergometer und gucke dabei fast alles, was Youtube oder die Mediatheken der Fernsehsender so hergeben. Heute bin ich zufällig auf eine Folge einer Doku-Reihe gestoßen, die der SWR seit einer Weile ausstrahlt. Dieses Format funktioniert so, dass sich immer derselbe Redakteur, nach dem die Sendung auch benannt wurde, mit einem Promi trifft. Er hat z. B. schon Hannes Jaenicke, Tony Marshall oder Harald Glööckler besucht, die Crème der deutschen Unterhaltung und Schneiderkunst also. Ich habe mir nun die Folge mit "dem Wendler" reingezogen. "Der Wendler" ist Michael Wendler, und der SWR-Redakteur besucht ihn in seinem 'Gestüt Wendler' in Dinslaken. Ob Dinslaken durch die Anwesenheit des Sängers aufgewertet wird oder aber der Sänger durch seinen Geburtsort, lasse ich hier ausdrücklich offen.

Die beiden sehr unterschiedlichen Herren verbringen nun eineinhalb Tage miteinander, der Redakteur übernachtet sogar unter Wendlers Dach. Diese Zeit will gefüllt werden. Das tun sie, indem sie unter anderem in einem Einkaufscenter hippe Klamotten für den etwas dröge gekleideten TV-Mann aussuchen. Dieses Einkaufscenter sieht so aus wie eines von denen, mit denen der Branchenriese ECE die Landschaft und die Innenstädte zupflastert. Wendler, den ich im Grunde nur dem Namen nach und von Zeitungsfotos kenne, wird von Kunden -zig Mal angesprochen: Autogramme, Selfies, quietschende und gackernde Fans. Einige zücken ihr Smartphone und filmen den Sänger, während er ihnen auf der gegenüberliegenden Rolltreppe entgegenkommt. Eine Verkäuferin gesteht, dass sie immer ein Foto bei sich trägt, auf dem sie von Wendler gerade umarmt wird. Das Bild muss zehn oder fünfzehn Jahre alt sein.

Also, ich kann damit nichts anfangen. Nicht nur mit dem Wendler nichts - ich mag nun mal keinen Schlager. Ich verstehe auch nicht, dass man jemanden so anhimmelt. Ich mag auch eine Reihe von Bands oder Solo-Musikern, finde auch ein paar Schauspieler super, aber ernsthaft: Die machen ihren Job, indem sie singen, geigen oder in fremde Rollen schlüpfen. Von den einen finde ich, dass sie das toll machen, auf andere kann ich gut verzichten. Aber ich gerate bei niemandem aus dem Häuschen, wenn ich ihn oder sie auf der Straße sehe. In meinem Jugendzimmer hat sich damals kein einziges Starposter befunden. Als ich im Grundschulalter war, hingen Tierposter an der Tapete, die ich zum grenzenlosen Entzücken meines Vaters mit Tesafilm daran festgeklebt hatte. Später hatte ich es mit Cartoons: Über meinem Klavier hing zum Beispiel ein großes Loriot-Poster mit dem Elefanten Wendelin. Kennt den noch jemand? 
Ich finde, dass jemand, der einen stinknormalen Job hat und super Ergebnisse abliefert, die gleiche Euphorie einfordern kann wie jemand, dem nur, weil er singen, trompeten oder Steptanz kann, die Leute zu Füßen liegen. Aber ich ahne, dass ich mit meiner Meinung ganz allein dastehe. Keine Sorge, ich halte das aus 😉

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