Wenn's mal schlecht läuft, frag deine Kirche

Schon wieder so ein Text auf diesem Blog, in dem es um Religion und ihre Verkünder geht. Beim letzten Mal waren es die Zeugen Jehovas, diesmal sind es die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland. Der Anlass, diese Zeilen zu schreiben: Ich habe einen Artikel in einer überregionalen deutschen Wochenzeitschrift vom 7. September 2018 gelesen, in dem es um einen Arzt, der an einer katholischen Klinik beschäftigt war, geht. Jetzt ist er es nicht mehr, darum sieht man sich auch vor Gericht wieder. Die katholische Kirche hat dem Arzt, der sogar Chefarzt gewesen ist, gekündigt, weil er sich nach ihren Vorstellungen einer schweren Verfehlung schuldig gemacht hat. Nein, er hat kein goldenes OP-Besteck mitgehen lassen, nicht Gotteslästerung betrieben und - soweit bekannt ist - auch nicht wegen eines Kunstfehlers einen Patienten ins Jenseits befördert. Ach, es war alles viel übler: Der Mediziner hat es gewagt, ein zweites Mal standesamtlich zu heiraten. Aus Sicht der katholischen Kirche ist diese Ehe ungültig und der Lebenswandel des Mannes widerspricht der katholischen Glaubens- und Sittenlehre. Mal schnell einen Blick in den Kalender geworfen: Doch, wir sind im 21. Jahrhundert.
Als ich das gelesen habe, war ich ein weiteres Mal froh, nicht Mitglied dieser Kirche zu sein. Keiner Kirche, um es mal genau zu sagen. Ich bin mir dessen bewusst, dass die Kirche vielen Menschen Halt gibt. Mir leuchtet ein, dass dies der Glaube tun kann; wie das eine Institution schaffen soll, die ihrem Spitzenpersonal Spitzengehälter zahlt, bleibt mir schleierhaft.

Ich war mal evangelisch. Taufe, Konfirmation: das volle

Programm. 1987 bin ich ausgetreten. Das war keine spontane Entscheidung in der Art von "Die 9,98 DM Kirchensteuer kann ich mir sparen"; so viel war es damals tatsächlich, denn einen einzigen Monat habe ich während meiner Ausbildung Kirchensteuer gezahlt. Aber die evangelische Kirche war für mich ein Reinfall: Als ich ihre Unterstützung  - genauer: die unserer Gemeinde - gut hätte gebrauchen können, hat sie sich verweigert. Dann, während der Konfirmandenzeit, haben sich zwei Pastoren zwei Konfirmandinnen gegenüber sehr unsozial verhalten bzw. aufgrund einer simplen, harmlosen Nachfrage damit gedroht, die Konfirmation zu verweigern.



Dann, als ich viele Jahre später in Hannover in einer Bundesbehörde gearbeitet habe, hat mir eine Kollegin dies erzählt: Sie wollte sich beruflich verändern und hatte sich auf eine Stellenanzeige des evangelischen Landeskirchenamtes in Hannover beworben. Damals war sie noch ledig. Zuerst lief alles gut: Die Arbeit machte ihr Spaß, die Kollegen waren nett. Aber irgendwann wurde sie schwanger. Als unverheiratete Frau! Diesen Umstand konnte die Kirche nicht mit ihren Grundsätzen vereinbaren und hat ihr dringend nahegelegt, den Vater des Kindes zu heiraten. Anderenfalls sehe man keine Möglichkeit, sie weiter zu beschäftigen. Meine Kollegin hat keinen Wert darauf gelegt, einen Arbeitgeber zu haben, der ihr so massiv in ihr Privatleben hineinredet und ist zu ihrer alten Behörde zurückgekehrt. Als sie mir diese Geschichte erzählte, waren wir uns darin einig, dass es das Gegenteil von christlicher Nächstenliebe ist, eine Mitarbeiterin genau dann fallenzulassen, wenn sie am dringendsten Unterstützung braucht. Glücklicherweise war meine Kollegin nicht in der Situation, ihr Kind als Alleinerziehende großziehen zu müssen und hat ihren Freund dann auch geheiratet - aber eben aus freien Stücken und nicht, weil Druck auf sie ausgeübt wurde. Von ähnlichen Fällen habe ich immer mal wieder in der Presse gelesen.

Ich habe vor einiger Zeit auf dem mit einem Co-Blogger betriebenen Blog Gesellschaftskritik einen Artikel geschrieben, in dem es um die Vertuschung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche und das Nebeneinander von weltlichem und Kirchenrecht ging. Eine Leserin, die sich als Theologiestudentin bezeichnete, hat aus ihrer Sicht die Rechtmäßigkeit der Kirchengerichte verteidigt. Kann man machen. Hinter dem Attribut "christlich" sollte meiner Meinung nach aber stehen, dass man Menschen in schwierigen Lebenssituationen unter die Arme greift und ihnen nicht vors Schienbein tritt. 
Nach meinem Kirchenaustritt im Rathaus bekam ich übrigens noch mal Post von meiner nun ehemaligen Gemeinde. Einer der Pastoren, die ich vom Konfirmandenunterricht kannte, bedauerte auf einer Viertelseite meinen Austritt: "Wir hätten uns doch noch mal unterhalten können!" Eine Dreiviertelseite wurde dann damit gefüllt, mir zu erklären, welche sinnvollen Dinge mit meiner nun wegfallenden Kirchensteuer bezahlt wurden oder hätten bezahlt werden können. Sollte ich je einen klitzekleinen Zweifel an der Richtigkeit meiner Entscheidung gehabt haben, war er spätestens jetzt verpufft. Glaubte dieser Pastor ernsthaft, dass nur die Kirche die nötige Weisheit und Weitsicht hat, zu entscheiden, für welche wohltätigen Zwecke das Geld ihrer Schäfchen ausgegeben werden sollte? Das kriege ich auch noch ganz gut selbst hin. Der Herr ist mein Hirte? Nicht, wenn im Gegenzug dumme, folgsame Schafe erwartet werden. 
Der Arzt hat mittlerweile einen Prozessmarathon hinter sich, der bis vor die höchsten Bundesgerichte führte. Ausgestanden ist der Fall aber immer noch nicht.

Wie sind Eure Erfahrungen mit der Kirche? Verhält sie sich so, wie Ihr es von ihr erwartet oder erhofft?

Kommentare

  1. Zu Religionen habe ich generell ein sehr schlechtes Verhältnis, egal, um welche es geht. Schon als Elfjährige habe ich mich vom Religionsunterricht befreien lassen, da es mir widerstrebte, von den Religionslehrern zum Aufsagen von Sprüchen gedrängt zu werden, die meinem ganz persönlichen Empfinden widersprachen.

    Ich respektiere jeden (echten) Glauben eines Menschen, denke aber, man sollte jedem Menschen selbst überlassen, woran er konkret glaubt und wie er seinen Glauben praktiziert. Und vor allem sollte keine Religion irgendjemandem Vorschriften machen, wie er sein Privatleben zu gestalten hat.

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