"Na, das geht aber toll!" Nein, tut es nicht.

Meiner ist nicht mal halb so schön ;-)
Es gibt diese Momente, in denen ich denke: 'Steck dir den Blödsinn sonstwo hin!" Was ich tatsächlich denke, ist deutlich unfreundlicher, kann ich aber nicht hier hinschreiben. Vielleicht liest das ja jemand unter 18...

Der letzte dieser Momente war vor ein paar Tagen. Ich hatte mich mit einer Freundin in einem Lokal in unserem Viertel getroffen. Der Vorteil, den Wohnviertel haben - nämlich, dass man immer mal Leute trifft, mit denen man ein bisschen schnacken kann - wird an manchen Tagen zu einem großen Nachteil. Dieses war so ein Tag. Meine Freundin und ich hatten uns gerade voneinander verabschiedet, als mein Blick auf eine Sitzgruppe am Zierbrunnen vor dem Lokal fiel. Die Frau, die dort saß, kannte ich: Sie war vor achtzehn Jahren eine der Erzieherinnen in der Kindergartengruppe meiner Tochter gewesen und jetzt seit mehr als zehn Jahren Rentnerin. Ich wollte es bei einem kurzen Gruß bewenden lassen, aber es war zu spät. "Hallööööchen! Na, das geht ja schon richtig toll!", rief sie mir zu. Ich atmete einmal durch. Ein Déjà vu vom Feinsten: Ich wusste was jetzt kommen würde, es hatte sich vor einiger Zeit genauso schon mal zugetragen. Es gab keine Chance, dem Gespräch auszuweichen: Auf dem Weg zu meinem Fahrrad musste ich an ihr vorbei.

Ich kam näher, sie sah mir entgegen. "Das sieht ja schon
© Günter Havelna/pixelio.de 
wieder richtig gut aus, wie Sie gehen!
", setzte sie wieder an. Ich schüttelte den Kopf. "Nein. Um ehrlich zu sein, sah es noch nie so schlecht aus." Sie guckte erschrocken. Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. "Aber neulich habe ich Sie doch noch mit diesem Ding..." Ich wartete ab. "Mit diesem Gehwagen gesehen!". 

Wen glaubte sie, vor sich zu haben? Sie meinte einen Rollator, aber so etwas habe ich noch nie besessen. 
"Frau W., bisher hatte ich immer nur den Stock, aber nie einen Rollator." Sie sah mich mit einem Blick an, als sei ich diejenige, die sich hier irrt. 
"Sollte ich sie verwechseln?" Sie überlegte. Wir hatten zwischenzeitlich geklärt, dass sie mich über den Kindergarten kennt. Aber in den sechs Jahren, in denen ich dort mindestens eines meiner Kinder hatte, war ich die einzige Mutter mit einer Behinderung. Eine Verwechslung war ausgeschlossen. Ich habe danach zugesehen, das Gespräch rasch zu beenden.

Bin ich zu empfindlich, wenn mir so etwas unangenehm ist? Ich selbst käme im Traum nicht darauf, einen Menschen, den ich nur flüchtig kenne und dessen Situation ich nicht beurteilen kann, auf diese Weise in der Öffentlichkeit anzusprechen; schon gar nicht in dieser Lautstärke. Dass sie etwas lobte, was nicht existierte, hat dem Ganzen noch einen extra Drall gegeben. Ich möchte mit Leuten, die ich kenne, die mir aber nicht nahestehen, ganz normale alltägliche Gespräche führen und habe kein Interesse daran, dass mir gerade in dieser einen Hinsicht der Spiegel vorgehalten wird. Ich will auch nicht, dass meine Befindlichkeiten lauthals auf einem öffentlichen Platz kommentiert werden. Ich entscheide selbst, mit wem ich wann über ein Thema rede. Ich bezweifle, dass Frau W. das begreift. Mal sehen, was bei unserem nächsten Zusammentreffen passiert, nachdem sie ihr typisches "Hallööööchen!" über den Platz geschmettert hat.

Kommentare

  1. Schubs sie ordentlich oder brat ihr eins mit dem Stock, vielleicht wird sie dann endlich empathischer.

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    1. Ich habe Frau W. vorgestern auf dem Markt gehört. Ihr "Hallööööchen!" galt diesmal aber glücklicherweise nicht mir. Schubsen oder "stöckeln" ist nicht so mein Ding, für beides braucht man eine gewisse Standfestigkeit. Aber vielleicht bin ich ja mal in Begleitung eines meiner krawallbereiten Kinder auf diesem Platz ;-)

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    2. Hoffentlich hat die Dame, als Erzieherin, den zu betreuenden Kindern mehr Respekt und Feingefühl, beigebracht.

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    3. Wozu? Dazu haben die Kinder doch ihre Eltern ;-)

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